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Abgas-Skandal: Audi bremst Ingolstadt

Abgas-Skandal

Audi bremst Ingolstadt

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    Audi dominiert Ingolstadt. Deshalb hat die boomende Stadt an der Donau jetzt ein Problem. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen ein.
    Audi dominiert Ingolstadt. Deshalb hat die boomende Stadt an der Donau jetzt ein Problem. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen ein. Foto: Ulrich Wagner

    Am Dienstag verkündete der gut gelaunte Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Lösel das nächste gemeinsame Projekt von Audi und Stadt: den Bau einer Teststrecke für pilotiertes Autofahren. Die Botschaft dahinter war klar: Audi investiert weiter kräftig am Konzernstandort.

    Arbeitgeber Audi

    Beschäftigte: Ingolstadt ist nach der VW-Bastion Wolfsburg der zweitgrößte Automobil-Standort in Europa. 40.000 Männer und Frauen arbeiten dort aktuell für Audi. Vor 20 Jahren waren es noch 23.000.

    Produktion: Im vergangenen Jahr hat Audi weltweit 1,741 Millionen Autos verkauft. 2013 waren es noch 1,575 Millionen. Die Nachfrage steigt weiter. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres fuhren die deutschen Standorte in Ingolstadt und Neckarsulm 19 Sonderschichten.

    Umsatz: Der Umsatz lag zuletzt erstmals in der Geschichte des Unternehmens über 50 Milliarden Euro. Die Tarifbeschäftigten erhielten eine Ergebnisbeteiligung von im Schnitt 6540 Euro.

    Am Tag danach folgten die nächsten Meldungen über mögliche Manipulationen in den USA. Ziemlich am Ende dieses Nachrichtentages dann die Meldung der Staatsanwaltschaft Ingolstadt an die Medien: Die Vorgänge bei Audi würden von der Ermittlungsbehörde überprüft. Wirklich gute Nachrichten für den Konzern und damit die Stadt und die ganze Region lesen sich anders.

    Wie viel Geld floss nach Ingolstadt?

    Die Stadt Ingolstadt hat schon vor Wochen – gleich nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gegen Volkswagen – reagiert. Lösel erließ eine Haushaltssperre, und Finanzbürgermeister Albert Wittmann setzte die Gewerbesteuer-Erwartungen hinsichtlich Volkswagen (der Mutterkonzern zahlt die Steuern für seine Töchter, also auch für Audi) auf Null. Aber nicht nur für das nächste Jahr, sondern auch für das letzte Quartal heuer.

    Spätestens jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie viele Millionen überhaupt nach Ingolstadt geflossen sind? Eine offizielle Antwort gibt es nicht – Steuergeheimnis. Aber man kann ja mal überschlägig nachdenken: Der Finanzbürgermeister hat 2016 insgesamt 68,1 Millionen Gewerbesteuer-Einnahmen angesetzt. In diesem Jahr waren es noch 115 Millionen Euro. Es fehlt auf jeden Fall ein Riesenbatzen.

    Wittmann machte in einer öffentlichen Sitzung aus seinem Herzen eines Kämmerers übrigens auch keine Mördergrube: „Mit so einer Katastrophe hinsichtlich der Gewerbesteuer hat niemand gerechnet!“, sagte er. Inzwischen ist die Tonart moderater geworden, oder zumindest wird kein Schreckensszenario mehr an die Wand gemalt. Der Rathauschef und Oberbürgermeister Christian Lösel sagt, man habe „die Situation im Griff“. Man habe einen sehr hohen Investitionsbedarf, weil die Geburtenrate hoch ist und der Zuzug ohnehin. Deshalb hält Lösel auch an seinem unlängst angeordneten Sonderprogramm zum Bau von 1600 Wohnungen bis zum Jahr 2020 fest. Das sind doppelt so viele, wie die gemeinnützige Wohnbaugesellschaft der Stadt ursprünglich geplant hat. Und im Bereich der Wirtschaftsentwicklung seien die Risiken ohnehin ausgeklammert, meinte Lösel im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn alle Projekte, die man mit Audi realisiere, würden von gemeinsamen Gesellschaften oder der städtischen Tochter zur Wirtschaftsförderung getragen. Die Botschaft sei diese: „Wir bremsen nicht, wir müssen weiter bauen und investieren und werden das auch tun“, sagt der Oberbürgermeister.

    Ab dem zweiten Quartal 2017 werde nach aktueller Einschätzung auch wieder Gewerbesteuer von Volkswagen fließen. Bis dahin werde Ingolstadt massiv in die Rücklagen greifen. „Wir fahren auf Sicht“, sagt der Oberbürgermeister. Also nicht pilotiert, geschweige denn blind durch den (Abgas)Nebel.

    Das neue Fahr- und Trainingsgelände sollte 300 Arbeitsplätze bringen

    Könnte Audi jetzt nicht vielleicht bald schon die Reißleine ziehen und alle Investitionen stoppen? „Dieses Gefühl habe ich nicht, ganz im Gegenteil“, sagt Lösel. Der Konzern habe vor wenigen Tagen erst beim Notar die Urkunden unterschrieben, damit Audi und Stadt in einer gemeinsamen Gesellschaft das neue Entwicklungszentrum vorantreiben können. „Das würde Audi nicht ohne Perspektive tun“, verbreitet der Oberbürgermeister Zuversicht. 60 Hektar soll dieser „IN-Campus“ einnehmen.

    Lösels Amtskollege im Rathaus von Neuburg hat dagegen „Magenschmerzen, wenn ich die Schlagzeilen über Audi lese“. Bernhard Gmehling und seine Große Kreisstadt sind noch nicht lange ein Standort von Audi. Bislang lief alles bestens: Das neue Fahr- und Trainingsgelände sollte 300 Arbeitsplätze bringen, tatsächlich sind es nach Angaben des Rathauschefs inzwischen fast 450. Dazu kam ein anderer „Boom“: Zulieferer, Spezialhersteller, Entwickler und Dienstleister suchten die Nähe zu Audi und siedelten sich in Neuburg an, unter anderem Carl Zeiss. Das brachte weitere Arbeitsplätze im dreistelligen Bereich.

    Aber die Gewerbesteuer: Für das Jahr 2014 „hätten wir noch einen nicht unerheblichen Betrag bekommen sollen, aber das bleibt jetzt aus“, sagt Bernhard Gmehling. Und die Steuererwartungen im Haushaltsjahr 2016 wurden ebenfalls schon auf Null gesetzt. „Das Finanzamt hat uns mitgeteilt, dass wir keine Vorauszahlungen zu erwarten haben“, sagt der Oberbürgermeister, aus dessen Stadtgebiet zurzeit etwa 3000 Arbeitnehmer ins Automobilwerk nach Ingolstadt pendeln.

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