Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

"Körperwelten": Augsburgerin will Gunther von Hagens ihren Körper spenden

"Körperwelten"

Augsburgerin will Gunther von Hagens ihren Körper spenden

    • |
    Ausstellung "Körperwelten" in der Olympiahalle in München: Die Augsburgerin Monika Kleinert stellt nach ihrem Tod ihren Körper zur Plastination zur Verfügung.
    Ausstellung "Körperwelten" in der Olympiahalle in München: Die Augsburgerin Monika Kleinert stellt nach ihrem Tod ihren Körper zur Plastination zur Verfügung. Foto: Ulrich Wagner

    Das Foto eines Fußballspielers auf dem Tresen erinnert in Monika Kleinerts Lokal im Augsburger Stadtteil Lechhausen noch heute an den WM-Triumph des deutschen Teams: Mit Schwung drischt er auf den Ball, jede Sehne ist angespannt. Und: Jede Sehne ist auch sichtbar, denn der Fußballspieler hat keine Haut. Das Original steht in der Münchner „Körperwelten“-Ausstellung, die noch bis Anfang Oktober läuft.

    Monika Kleinert ist eine von 14.000 Körperspendern in Deutschland

    „Andere hängen halt Deutschland-Fahnen auf“, sagt Monika Kleinert und zuckt mit den Schultern. Die 64-Jährige ist nicht nur die Besitzerin der Gaststätte, sondern auch eine von rund 14 000 Körperspendern in Deutschland. Nach ihrem Tod möchte sie ihren Leichnam Gunther von Hagens’ Institut für Plastination zur Verfügung stellen. Warum erklärt sie im Interview.

    Frau Kleinert, viele Menschen tragen einen Organspendeausweis im Geldbeutel. Haben Sie dann einen Körperspendeausweis?

    Ja, den sollte man immer mit sich führen. Man kann aber trotzdem auch einen Organspendeausweis haben. Organspende geht vor. Ich persönlich besitze aber keinen – ich habe meine Organe selbst verbraucht.

    Was wäre, wenn Sie heute sterben würden?

    Wenn mir heute etwas passiert, weist mich der Ausweis als Körperspenderin aus. Meine Bekannten und mein Personal wissen ohnehin Bescheid. Wer auch immer mich findet, ruft beim Institut für Plastination an – und dann werde ich abgeholt, bevor sich die Bestatter streiten (lacht).

    Wissen Sie auch, wie es dann mit ihrem Körper weitergeht?

    Ob ich ausgestellt werde oder mein Körper für die Wissenschaft genutzt wird, weiß ich nicht (Anm. d. Red: Das Institut für Plastination verkauft seine Präparate auch an Forschungseinrichtungen). Für mich ist aber auch nicht entscheidend, dass ich ausgestellt werde. Ich habe ja eh nix davon...

    Aber beide Aussichten sind besser als eine normale Bestattung?

    Für mich schon. Erdbestattung finde ich eine Sauerei. Der Körper löst sich in der Erde auf, das kann meiner Meinung nach nicht gut für die Umwelt sein. Und bei Feuerbestattungen wird ja eigentlich wissenschaftliches Gut verbrannt.

    Wie reagieren die Leute auf Ihren Entschluss, den eigenen Körper zu spenden?

    Über diese Möglichkeit denkt normalerweise keiner nach. Das ist Neuland für die Leute, totales Neuland. Sie setzen sich erst damit auseinander, wenn ich ihnen von meinem Entschluss erzähle. Aber dann respektieren sie ihn auch.

    Warum haben Sie sich dafür entschieden, Körperspenderin zu werden?

    Dafür gibt es mehrere Gründe. Ganz vorne steht bei mir der medizinische. Statt den Körper zu beerdigen, kann man so viel mehr aus ihm machen. Ich möchte meinen der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Außerdem habe ich keine Kinder, niemanden, der sich um die Bestattung oder um ein Grab kümmern könnte. Dazu kommt – auch ganz wichtig – der finanzielle Aspekt. Ich meine, was kostet eine Beerdigung heute? Ein paar tausend Euro. Selbst in der Pathologie muss man zahlen, um aufgenommen zu werden. Aber als Körperspender hat man überhaupt keine Kosten. Ein Anruf beim Institut – und alles ist erledigt.

    Dauert es lange, so einen Entschluss zu fassen?

    Ja, das passiert natürlich nicht von heute auf morgen. Mein Mann und ich haben Gunther von Hagens’ Arbeit lange in den Medien verfolgt, sind zu den Ausstellungen gegangen. Deren Konzeption und auch die Plastination selbst fanden wir super. Irgendwann haben wir überlegt: Wir könnten unseren Körper auch spenden. Mein Mann hat sich diesen riesigen Stapel an Unterlagen besorgt, alle Formulare ausgefüllt. Ich hatte nichts dagegen. Als dann bei seinem Tod alles so nahtlos über die Bühne ging, habe ich mich selbst als Körperspenderin gemeldet.

    Die „Körperwelten“ standen oft in der Kritik. Sogar Gerichte verhandelten darüber, ob die Ausstellung gegen die Menschenwürde verstoße ...

    Find’ ich nicht. Im Gegenteil. Wo bitte können sie sonst die Sehnen, die Adern, den Körper im Ganzen so realistisch dargestellt sehen?

    Auch einen menschlichen Fötus oder ein Paar beim Geschlechtsverkehr?

    Für mich gibt es da keine Grenzen. Ich sehe das alles unter dem Aspekt der Wissenschaftlichkeit. So haben diese Menschen auch im Tod noch einen Sinn.

    Zum Argument der Menschenwürde gibt es auch das andere Extrem: Ein Gericht in Mannheim deklarierte die Plastinate im Jahr 2005 als Sondermüll. Erst dann durften sie ausgestellt werden.

    Das ist für mich die eigentliche Frechheit. Der Mensch ist kein Sondermüll, ob er lebt oder tot ist. Meine Entscheidung bringen solche Urteile aber nicht ins Wanken.

    Inzwischen ist es um die „Körperwelten“ ruhiger geworden, Gunther von Hagens tritt nur noch selten öffentlich auf. Haben Sie Angst, dass es das Institut für Plastination irgendwann nicht mehr gibt und Sie im Lager verstauben?

    Nein, ganz und gar nicht. Ich bin überzeugt davon, dass es die Ausstellung noch lange geben wird. Gunther von Hagens hat ein riesiges Team mit immer neuen Ideen.

    Sie haben sich vor Kurzem die Ausstellung in München angesehen. Ein komisches Gefühl, mit dem Spenderausweis in der Tasche?

    Nein, überhaupt nicht. Ich fand das richtig toll. Falls ich in der Ausstellung landen sollte, dann sieht das doch gut aus. Allein schon, weil man meine Falten dann nicht mehr sieht.

    Sie finden die Exponate schön?

    Ich finde sie sehr ästhetisch. Sie sehen nicht aus wie Leichen, fast schon künstlerisch. Auch die Konzeption der Ausstellungen gefällt mir. Mit all der Dunkelheit drumherum – das wirkt.

    War Ihnen bei der Besichtigung in München bewusst, dass auch der Körper ihres Mannes ausgestellt sein könnte?

    Ja, das hatte ich schon im Hinterkopf. Mein Mann war groß und hatte große Ohren, nach denen habe ich Ausschau gehalten. Aber es war niemand mit großen Ohren dabei (lacht).

    Bedauern Sie das?

    Ja. Ich hätte mir gewünscht, ihn zu sehen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden