
Strafanzeigen und interne Machtkämpfe: Der Krieg der bayerischen Jäger

Plus Der Memminger Kreisgruppenchef erstattet Strafanzeige gegen BJV-Präsident Vocke. Im Präsidium herrscht helle Aufregung.

Jetzt wird tatsächlich scharf geschossen im Bayerischen Jagdverband (BJV). Der lange schon schwelende Ärger im Präsidium weitet sich offenbar zu einer handfesten Führungskrise aus. Gegen Präsident Jürgen Vocke, der bereits seit 25 Jahren den Verband führt und für Anfang kommenden Jahres seinen vorzeitigen Rücktritt angekündigt hat, wurde Strafanzeige wegen des Verdachts auf Untreue und Unterschlagung erstattet. Gleichzeitig droht dem traditionsbewussten Verband wegen mutmaßlicher Unklarheiten in der Haushaltsführung möglicherweise sogar der Verlust der Gemeinnützigkeit.
Ein verdeckter Machtkampf im Bayerischen Jagdverband
Das geht aus dem Protokoll einer Präsidiumssitzung am 25. Juli sowie aus einem Schreiben des Münchner Wirtschaftsprüfers Felix Wallenhorst vom 13. August hervor. Beide Schriftstücke liegen unserer Redaktion in Kopie vor.
Dass die Schonzeit für Präsident Vocke, 76, zu Ende geht, war bereits länger klar. Einige seiner Kollegen im Präsidium haben ihn schon seit geraumer Zeit im Visier und um seine Nachfolge ist, wie berichtet, ein verdeckter Machtkampf entbrannt. Zugleich zieht sich die Aufklärung möglicher finanzieller und steuerlicher Unregelmäßigkeiten bereits seit Monaten hin.
Erst vorletzte Woche hatte Vocke im Gespräch mit unserer Redaktion gesagt, der Ärger um die Finanzen werde sich mit dem Bericht des Wirtschaftsprüfers in „Schall und Rauch“ auflösen. Wenige Tage später aber machte ein Schreiben der Landesschatzmeisterin des BJV die Runde, in dem gleich eine ganze Reihe möglicher Probleme in der Kassenführung aufgelistet sind.
Da platzte dem Vorsitzenden der BJV-Kreisgruppe Memmingen, Andreas Ruepp, der Kragen. Er erstattete, wie er unserer Redaktion sagte, gegen Vocke Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft MünchenI. Und er fordert Vockes sofortigen Rücktritt.
Anzeige gegen Präsident Vocke ist der vorläufige Höhepunkt
Ruepp ist Chef der Polizei am Flughafen Memmingen und seit fünfeinhalb Jahren Beisitzer im Präsidium des BJV. Als Polizeibeamter, so betont er, habe er es nicht mehr verantworten können, zu den Vorgängen im BJV zu schweigen. „Ich habe feststellen müssen, dass Präsident Vocke keinen Willen hat, bei der Aufklärung der Sachverhalte mitzuhelfen“, sagt Ruepp. „Ich sehe nur eine Verweigerungshaltung. Da mache ich nicht mehr mit.“
Die Anzeige gegen Vocke ist der vorläufige Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die nach dem Wechsel im Amt des Schatzmeisters beim Landesjägertag in Passau im April dieses Jahres ihren Anfang nahm. Damals wurde bekannt, dass die neue Schatzmeisterin des Verbandes, die Steuerberaterin Mechtild Maurer, Zweifel an der ordnungsgemäßen Verwendung der Gelder des Verbandes angemeldet hatte. Wirtschaftsprüfer Wallenhorst wurde mit der Untersuchung beauftragt. Er kam aber, wie aus dem Protokoll der Präsidiumssitzung hervorgeht, bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis – im Gegenteil.
Die Liste offener Fragen, die Wallenhorst vortrug, betreffen zum Beispiel die Beschäftigung der Tochter des Präsidenten bei der BJV-Service-GmbH oder die Nutzung des Dienstwagens durch den Präsidenten. Eine „verdeckte Gewinnausschüttung“, so der Wirtschaftsprüfer, sei hier nicht auszuschließen, weil Dokumente fehlten.
Ferner geht es um ominöse Bewirtungsbelege. „Es wurden Auslagen erstattet, die keine sind, und es wurden Auslagen erstattet, die nicht nach steuerrechtlichen Vorschriften dokumentiert wurden“, sagte Wallenhorst laut Protokoll. Und es geht auch um die Frage, ob die Vergütung des Präsidenten nicht möglicherweise doch lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig war.
Verlust der Gemeinnützigkeit wäre Katastrophe für Bayerischen Jagdverband
Das Präsidium war, wie im Protokoll vermerkt, „fassungslos“. Es beschloss, die Aufwandsentschädigung des Präsidenten „nur noch gekürzt um fiktive Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge zur Auszahlung zu bringen“ und sicherte der Landesschatzmeisterin Unterstützung bei der Aufklärung zu.
Am 13. August teilte der Wirtschaftsprüfer dem Präsidium mit, dass er aktuell davon ausgehe, dass dem BJV „der Bestätigungsvermerk zu versagen ist“ und zwar insbesondere wegen „Mittelfehlverwendungen und Verstößen gegen die satzungsgemäße Mittelbindung“. Im Falle einer Prüfung durch die Finanzverwaltung sei nicht auszuschließen, „dass der BJV infolgedessen die Gemeinnützigkeit verliert.“
Für den Verband wäre das wohl eine mittlere Katastrophe. Die Sorgen um das Ansehen des BJV sind jedenfalls groß. Vizepräsident Moritz Fürst zu Oettingen-Wallerstein sagt auf Anfrage: „Ich bin traurig und sprachlos, was da alles abläuft.“ Er äußert die Vermutung, „dass da noch mehr dahinter steckt.“ Es dürfe nichts unter dem Tisch bleiben. Der Landesschatzmeisterin attestiert er „exzellente Arbeit.“
Maurer will sich erst gegenüber den Mitgliedern zu den Einzelheiten äußern. Der Aussage Vockes, dass sich alles in „Schall und Rauch“ auflösen werde, aber widerspricht sie. „Das würde ich nicht so formulieren. Wir haben sehr wohl Handlungsbedarf im Präsidium.“
Präsident Vocke gibt sich noch zugeknöpft: „Ich bitte um Verständnis. Ich kenne die Anzeige noch nicht. Ich kann dazu nichts sagen.“ Er wolle erst einmal Akteneinsicht haben.
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