Universitätsprofessoren in Bayern kritisieren, dass angehende Lehrer im Freistaat nicht ausreichend auf die Arbeit an Schulen vorbereitet sind und die Lehrerausbildung veraltet ist. Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Universität Augsburg und Sprecherin der Bayerischen Universitätenkonferenz, sieht „größte Herausforderungen“ für die Zukunft: „Man muss befürchten, dass die Lehrer bei Themen wie Digitalisierung, Heterogenität oder Klimawandel bisweilen nicht genügend vorgebildet sind, um die Inhalte den Schülern zu vermitteln“, sagte die Volkskundlerin im Interview mit unserer Redaktion.
Das Problem sei, dass „die Welt sich immer schneller dreht“, die Prüfungsordnungen für das Lehramtsstudium aber meist erst Jahre später dem sich wandelnden Alltag an Schulen angepasst werden. Dabei kämen ständig neue Aufgaben auf die Lehrer zu. Die Universitätspräsidentin nennt als Beispiel die Arbeit mit digitaler Technik im Unterricht. Lehrer müssten in der Lage sein, den Schülern digitale Kompetenzen zu vermitteln. „Das wird in der Ausbildung in Bayern noch nicht systematisch gefördert.“
Bayerische Staatsregierung will 50.000 Klassenzimmer digitalisieren
Dabei ist gerade der Unterricht mit digitalen Hilfsmitteln ein Thema, das die Bayerische Staatsregierung fördern möchte. 50.000 Klassenzimmer sollen digitalisiert werden. Zusätzlich 778 Millionen Euro kommen in den nächsten fünf Jahren vom Bund, um überall WLAN einzurichten und die Schulen digital aufzurüsten. Dass alle Lehrkräfte die Geräte auch sinnvoll nutzen können, bezweifelt die Uni-Präsidentin: „Schüler haben möglicherweise mit Lehrern zu tun, die ihnen in Sachen Digitalisierung nicht mehr gewachsen sind.“
Nur warum tun die Universitäten denn nichts dagegen? In ihren Hörsälen werden die zukünftigen Lehrer schließlich ausgebildet. Doch so einfach ist das nicht, denn der Einfluss der Professoren an den neun staatlichen Universitäten auf die Studieninhalte ist gering. Die Studien- und Prüfungsordnungen kommen im Wesentlichen aus den Ministerien für Wissenschaft und Kultus. Eine Sprecherin des Ressorts von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) betont, dass „selbstverständlich aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und sich daraus ergebende Anforderungen an angehende Lehrkräfte“ in die Inhalte der Lehrveranstaltungen mit einbezogen würden.
BLLV würde das Lehramtsstudium am liebsten ganz umkrempeln
Über solche Nachrichten freut sich Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands BLLV. Doch auch ihr geht das alles viel zu langsam. Fleischmann zufolge hapert es in der Lehrerausbildung nicht nur am Digitalen. Eine Herausforderung sei auch die Integration von geflüchteten Schülern aus anderen Ländern. „Man muss sich fragen, ob nicht jeder Lehrer lernen sollte, den Kindern Deutsch beizubringen.“ Jeder fünfte Schüler in Bayern hat einen Migrationshintergrund. Außerdem lernen an Regelschulen rund 25.000 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Der BLLV, mit mehr als 60.000 Mitgliedern größter Lehrerverband in Bayern, würde das Lehramtsstudium am liebsten ganz umkrempeln. Seine Experten schlagen ein Konzept vor, das sich von getrennten Ausbildungen für die einzelnen Schultypen verabschiedet. Angehende Lehrer sollen sich erst im 6. Semester fix für eine Schulart entscheiden. In den fünf Semestern vorher könnten alle Studenten zusammen Kernkompetenzen fürs Klassenzimmer erwerben und möglichst viele Praktika absolvieren.
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