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Christine Haderthauer: Brisante Zeugenaussage im Ausschuss zur „Modellbau-Affäre“

Christine Haderthauer

Brisante Zeugenaussage im Ausschuss zur „Modellbau-Affäre“

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    Im September 2014 erklärte Christine Haderthauer ihren Rücktritt wegen der «Modellbau-Affäre».
    Im September 2014 erklärte Christine Haderthauer ihren Rücktritt wegen der «Modellbau-Affäre». Foto: Peter Kneffel, dpa

    Seit Monaten schon arbeitet der Untersuchungsausschuss des Landtags, der die „Modellbau-Affäre“ der früheren CSU-Ministerin Christine Haderthauer aufarbeiten soll, weitgehend im Verborgenen. Doch allmählich bewegt sich der Ausschuss an den politischen Kern des Skandals, der Haderthauer vergangenen Sommer die politische Karriere kostete, heran – prompt stößt man auf Merkwürdigkeiten.

    Der Ministerialbeamte Karl-Heinz Arians, von 2005 bis 2014 im Sozialministerium zuständig für den Maßregelvollzug, in dem die Haderthauer-Firma Sapor Modelltechnik von einem Dreifachmörder teure Modellautos fertigen ließ, bestätigte dem Ausschuss, dass das Ministerium bereits mit dem Amtsantritt der Sozialministerin im Oktober 2008 über die ebenso problematische wie gewinnbringende Tätigkeit der Haderthauers im Bilde war.

    Das ist Christine Haderthauer

    2003 zog die 51-jährige Juristin erstmals in den Landtag ein, 2007 machte sie der damalige Parteichef Erwin Huber zur Generalsekretärin.

    2008, nach dem CSU-Absturz bei der Landtagswahl, stand sie vor dem politischen Aus. Doch Haderthauer überlebte. Ministerpräsident Horst Seehofer machte sie – für viele überraschend – zur Sozialministerin. 2013 wechselte sie in die Staatskanzlei.

    Haderthauer gilt als Allzweckwaffe der CSU. Sie ist bundesweit bekannt, auch wegen ihres losen Mundwerks, wird zu allen politischen Themen gefragt und zu Talkshows in Berlin eingeladen.

    Zuletzt war sie wegen einer gefährlichen Verengung der Halsschlagader für etwa einen Monat außer Gefecht gesetzt. (dpa)

    Horst Arnold (SPD) hielt dem Zeugen den Entwurf einer internen Gesprächsnotiz vom 31. Oktober 2008 vor, in dem von „massiven Gewinnen“ der Haderthauer-Firma die Rede ist, während in dem Bezirkskrankenhaus eine Unterdeckung entstanden sei. Auch habe die neue Ministerin selbst Zahlungen im Namen der Firma angewiesen, die geschäftliche Grundlage der Zusammenarbeit sei unklar.

    „Das Ministerium hat später immer behauptet, keine Kenntnis gehabt zu haben“, schimpfte Arnold. Jetzt stelle sich heraus, „dass schon am Tag nach der Berufung der neuen Ministerin umfangreiches Wissen über die Tätigkeit vorhanden war“. Offensichtlich hätten im Ministerium sofort „die Alarmglocken geschrillt“: „Man wollte das explosive Gemisch offenbar nicht zur Explosion bringen lassen.“

    Zeuge: Gesprächsnotiz und Akte verschwunden

    Chronologie: Der Fall Haderthauer

    Als junge Rechtsanwältin steigt die spätere Staatskanzleichefin Christine Haderthauer 1990 in das Modellauto-Geschäft ein. Ein knappes Vierteljahrhundert später steht sie unter Betrugsverdacht.

    16. Mai 1988 - Der dreifache Sexualmörder Roland S. wird vom Landgericht Nürnberg zu lebenslanger Haft und Unterbringung verurteilt. Im Maßregelvollzug lernt S. Assistenzarzt Hubert Haderthauer kennen.

    1990 - Der Dreifachmörder baut Modellautos. Haderthauers Frau Christine wird Teilhaberin der Firma Sapor Modelltechnik, die die Autos verkauft. Ein Mitgesellschafter ist der Franzose Roger Ponton. Das Geschäft läuft schlecht, Ponton soll Geld nachschießen. Laut Haderthauer antwortet er nicht auf entsprechende Kontaktversuche und ist seit 1996 nicht mehr erreichbar.

    2004 - Haderthauer überträgt nach ihrem Einzug in den Landtag ihren Firmenanteil an Ehemann Hubert.

    2008 - Christine Haderthauer wird Ministerin, Hubert Haderthauer - inzwischen Landgerichtsarzt in Ingolstadt - verkauft die Firma.

    6. April 2011 - Der nach Darstellung der Haderthauers jahrelang nicht erreichbare Ponton meldet sich und verlangt eine Abfindung für seinen Anteil. Die Parteien einigen sich auf 20 000 Euro.

    2013 - Der «Spiegel» berichtet über die Modellauto-Geschäfte. Die bayerische Landesanwaltschaft führt unter anderem wegen der früheren Modellauto-Geschäfte ein Disziplinarverfahren gegen Dr. Haderthauer.

    Mai 2014 - Ponton erstattet Betrugsanzeige. Er vermutet, dass die Haderthauers ihn bei der Abfindung um rund 30 000 Euro prellten.

    1. August 2014 - Die Staatsanwaltschaft München II leitet förmliche Ermittlungen wegen Betrugsverdachts gegen die Staatskanzleichefin ein. Gegen ihren Mann wurde bereits vorher ermittelt.

    5. August 2014 - Seehofer macht den Verbleib Haderthauers im Amt von zwei Faktoren abhängig: dem Ausgang des Ermittlungsverfahrens und eventuellen neuen Enthüllungen.

    10. August 2014 - Seehofer fordert von Haderthauer schnelle Aufklärung der Vorwürfe.

    1. September 2014: Haderthauer erklärt ihren Rücktritt wegen der «Modellbau-Affäre».

    So ist das Original der Gesprächsnotiz laut Arnold verschwunden. Ebenso wie im Jahr 2009 eine Akte, in der es um die Fortführung des Modellbaus in der Forensik nach dem offiziellen Verkauf der Firma durch Hubert Haderthauer Ende 2008 ging. Auf dem Weg aus der Fachabteilung zum Amtschef seien die Unterlagen verloren gegangen – und erst 2013 wieder aufgetaucht. „Ärgerlich“ habe er dies gefunden, sagte Arians. Und: „Man macht sich schon seine Gedanken, warum ausgerechnet diese Akte verschwindet.“

    Die Sonderregeln, die Hubert Haderthauer dem Dreifachmörder für den Modellbau Ende der 1990er Jahre zugeschanzt hatte, nannte Arians „völlig inakzeptabel“. Mehrtägige Freigänge etwa für Messebesuche seien aus seiner Sicht nahe „am Delikt der Gefangenenbefreiung“ gewesen. Unter seiner Verantwortung sei dies nicht mehr möglich gewesen.

    Insgesamt sei die Situation nach Christine Haderthauers Amtsantritt aber schnell entschärft worden, findet der Ministerialbeamte: „Die politische Brisanz war mit dem schnellen Verkauf der Firma durch Herrn Haderthauer draußen.“

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