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Corona-Krise: Spende in der Corona-Krise: Darf der Landtag Steuergeld verschenken?

Corona-Krise

Spende in der Corona-Krise: Darf der Landtag Steuergeld verschenken?

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    Ende Mai übergab Landtagspräsidentin Ilse Aigner den symbolischen Scheck an Sternstunden e.V. – hinter den Kulissen des Landtags begann es da bereits zu brodeln.
    Ende Mai übergab Landtagspräsidentin Ilse Aigner den symbolischen Scheck an Sternstunden e.V. – hinter den Kulissen des Landtags begann es da bereits zu brodeln. Foto: Stefan Obermeier/Bildarchiv Bayerischer Landtag

    An den besten Absichten, so beteuern sogar die Kritiker, sei nicht zu zweifeln. Und doch hat sich das Landtagspräsidium um Präsidentin Ilse Aigner (CSU) mit einer Millionenspende für soziale Projekte möglicherweise in eine heikle Situation gebracht. Der Landtag, so viel steht fest, darf Geld verteilen. Das ist sogar seine ureigene hoheitliche Aufgabe. Aber darf das Präsidium Steuergeld einfach freihändig verschenken? So ganz ohne Rücksprache? Die erste Abgeordnete, die sich diese Fragen offen zu stellen traut, ist die grüne Haushaltspolitikerin Claudia Köhler. "Private Spenden sind eine wunderbare Sache, Steuergelder aber sollten nicht gespendet werden", sagt Köhler.

    Eine Million Euro blieb im Krisenjahr 2020 im Etat des Landtags übrig

    Am Anfang stand der Wunsch, in der Corona-Krise zu helfen. Und der Landtag half. Dazu zählten die dicken Brocken: In Windeseile und ohne nennenswerten Widerspruch genehmigte der Landtag die milliardenschweren Hilfspakete der Staatsregierung. Dazu zählten auch die kleinen Gesten: Viele Abgeordnete spendeten ihre Diätenerhöhung. Und dann war da noch diese eine Million im Etat des Landtags, für die es im Krisenjahr 2020 keine Verwendung gab, weil wegen Corona der Sommerempfang der Landtagspräsidentin in Schloss Schleißheim, der Tag der offenen Tür und viele andere repräsentative Veranstaltungen hatten abgesagt werden müssen.

    Dieses Geld, so wollte es die Präsidentin, sollte nicht einfach – wie sonst üblich – als Haushaltsrest wieder in den allgemeinen Staatshaushalt eingezogen werden. Es sollte Kindern und Familien sowie Kindern in Heimen und Wohngruppen zugutekommen, die durch die Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren. Im Präsidium schlug Aigner Ende Mai vor, das Geld Sternstunden e.V., der Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks , für Kinderprojekte zur Verfügung zu stellen. Der Verein biete Gewähr dafür, so Aigner im Gespräch mit unserer Redaktion, dass jeder gespendete Euro bei den Bedürftigen ankomme. Ihr erklärtes Ziel: "Wir wollen denen helfen, die sonst durchs Raster fallen."

    Widerspruch erhob sich in der Sitzung nicht. Die fünf Vizepräsidenten Karl Freller (CSU), Thomas Gehring (Grüne), Wolfgang Heubisch (FDP), Alexander Hold (Freie Wähler) und Markus Rinderspacher (SPD) stimmten zu, ebenso alle weiteren Mitglieder des Präsidiums. In einigen Fraktionen aber kam das gar nicht gut an – nicht, weil es Zweifel am guten Zweck gegeben hätte, aber wegen der Art und Weise.

    Abgeordnete witterten bei der Spende parteipolitische Propaganda des CSU

    Der Landtag könne – und sei der Zweck auch noch so gut – nicht einfach Steuergeld spenden, hieß es intern bei den Grünen. Bei den Freien Wählern und der FDP störten sich einige Abgeordnete außerdem daran, dass es nicht bei der einen symbolischen Scheckübergabe an den Sternstunden e.V. blieb, sondern dass damit begonnen wurde, symbolische Scheckübergaben bei den einzelnen unterstützten Projekten in ganz Bayern zu organisieren und gleich bei der ersten Übergabe "nur CSU-Politiker auf dem Foto waren". Sie witterten parteipolitische Propaganda. Das habe, so heißt es von mehreren Seiten, "einen faden Beigeschmack".

    Dass dieser Ärger zunächst nicht öffentlich wurde, hatte einen einfachen Grund: Die Fraktionschefs Ludwig Hartmann (Grüne), Florian Streibl (Freie Wähler) und Martin Hagen (FDP), die alle drei erst hinterher über die Entscheidung des Präsidiums informiert worden waren, wollten ihren Vizepräsidenten, die die Millionenspende abgenickt hatten, nicht in den Rücken fallen. Sie nahmen den Vorgang zähneknirschend zur Kenntnis.

    Nachforschungen unserer Redaktion aber ergaben, dass es in den beteiligten Fraktionen doch jemanden gibt, der die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen will. Die Grünen-Abgeordnete Claudia Köhler, stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses, hat nachgehakt. Und seit klar ist, dass nicht einmal der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Josef Zellmeier (CSU), über die Umwidmung der Finanzmittel informiert worden war, nimmt sie auch kein Blatt mehr vor den Mund.

    Prüfung der Spende durch Landtagsamt: Aigner verteidigt die Entscheidung des Präsidiums

    "Gerade wenn wir Steuergeld einsetzen, müssen wir die parlamentarischen Abläufe einhalten. Und wenn es um wichtige Projekte geht, erst recht", sagt Köhler. Der Staat müsse als Staat und nicht als Spender dafür Sorge tragen, dass soziale Einrichtungen ihre Aufgaben erfüllen können und nicht in Existenznot geraten oder durchs Raster fallen. Und da sei es "wichtig, dass darüber der Landtag diskutiert und entscheidet". Ihr Kollege Zellmeier geht nicht so weit, verschweigt aber auch seine Zweifel nicht. Die Umwidmung der Gelder, so sagt er, sei "haushaltsrechtlich wahrscheinlich vertretbar. Man hätte es aber wohl besser rückkoppeln müssen."

    Ilse Aigner verteidigt die Entscheidung des Präsidiums. Es sei Zufall gewesen, dass bei der ersten Scheckübergabe nur CSU-Politiker auf dem Foto waren. Künftig sollen alle mit von der Partie sein, die den Beschluss mitgetragen haben – also alle außer der AfD, die bisher noch keinen ihrer Kandidaten als Vizepräsidenten hat durchsetzen können. Aigners Sprecherin versichert zudem, dass das Landtagsamt die Umwidmung der Finanzmittel aus dem Haushaltstitel "Repräsentative Verpflichtungen des Bayerischen Landtags" geprüft und keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Millionenspende habe.

    Genehmigung durch das Finanzministerium sei nicht nötig

    Von einer "Genehmigung durch das Finanzministerium", wie angeblich in der Präsidiumssitzung vorgetragen, kann allerdings wohl nicht die Rede sein. Als Exekutive könne das Finanzministerium dem Landtag keine Vorgaben machen, erklärt ein Sprecher von Finanzminister Albert Füracker auf Anfrage unserer Redaktion. "Der Landtag kontrolliert die Staatsregierung und nicht umgekehrt." Der Sprecher betont aber auch, von Seiten des Finanzministeriums würden "keine Gründe gesehen, die dem Vorgehen des Landtags entgegenstehen". Die Mittel könnten zu dem im Haushaltsplan vorgesehenen Zweck verwendet werden. Der Landtag entscheide darüber in eigener Zuständigkeit.

    Die Information des Haushaltsausschusses soll diese Woche nachgeholt werden, sagt Aigners Sprecherin – und zwar unabhängig von der Frage, ob der Ausschuss hätte informiert werden müssen oder nicht.

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Die Spende des Landtagspräsidiums ist ein Fall für den Rechnungshof

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