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Märchenkönig Ludwig II.: Der Tod des Kini: Es war ihm nicht zu helfen

Märchenkönig Ludwig II.

Der Tod des Kini: Es war ihm nicht zu helfen

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    Ludwig II. starb vor 125 Jahren.
    Ludwig II. starb vor 125 Jahren. Foto: dpa

    Wo kein Zeuge, da der Dichter. In diesem Fall Klaus Mann. Denn niemand hat mit eigenen Augen gesehen, wie am frühen Pfingstabend des 13. Juni 1886 Ludwig II. und sein Irrenarzt Dr. Bernhard von Gudden im Starnberger See zu Tode gekommen sind. Gudden hatte nämlich, weil vormittags der Spaziergang mit seinem königlichen Patienten durch den Park von Schloss Berg so friedvoll verlaufen war, diesmal auf jede weitere Begleitung verzichtet und noch um 18 Uhr nach München telegrafiert: „Hier geht es bis jetzt wunderbar gut.“ Ging es aber nicht, als er dann mit der massigen 1,91-Meter-Majestät nahe dem Parkufer dahinschritt.

    „Da tat der König den überraschenden Sprung. Während er, von der Seite des Doktors weg, ins Dunkel hüpfte, stieß er einen rauhen, jauchzenden Schrei aus ... Noch im Sprung warf Ludwig sein Parapluie von sich. Das Lodencape wehte wie riesige schwarze Flügel hinter ihm her. Von dem fürchterlich flatternden schwarzen Tuch befreite er sich erst, als er schon bis zu den Knien im Wasser stand.“

    „So nehmen Majestät doch Vernunft an!“

    Weiter Klaus Mann, bei dem Gudden dem als unvernünftig entmündigten König nachruft: „So nehmen Majestät doch Vernunft an!“, bevor er ihm zum Rettungs- resp. Todeskampf ins Wasser folgt. „Der König und der Gelehrte sanken, ineinander verschlungen, ineinander verkrampft, wie ein sich liebendes Paar.“

    So mag es gewesen sein – entgegen allen hartnäckigen Mord-, Verschwörungs- und Entführungstheorien. Wenn Ludwig sich selbst seines Über- und Leibrockes entledigte, hieße das nicht: Er wollte als guter Schwimmer entkommen und nicht ertrinken? Oder lösten sich die beiden (später verschlungen aufgefundenen) Kleidungsstücke vom Körper, als Gudden den Fliehenden daran zurückziehen wollte? Wie auch immer – im Weiteren dürfte der 40-jährige König mit seinen 120 Kilo den 62 Jahre alten Gelehrten unter Wasser gedrückt und bei der Anstrengung im zwölf Grad kalten See einen Herzschlag erlitten haben. Das entspricht in etwa auch der damaligen offiziellen Verlautbarung ebenso wie späteren kriminologischen Nachforschungen.

    Ludwig hatte, als ihn die Entmündigungskommission aus Neuschwanstein fortführen wollte, mehrfach Selbstmordabsichten geäußert, sich in die Pöllatschlucht werfen oder mit Zyankali umbringen wollen. Aber ebenso trieb ihn die Angst um, vergiftet oder anderweitig beseitigt zu werden.

    Klaus Mann, in den Augen seiner Zeitgenossen selbst ein „Enfant terrible“, ist dem tragischen König in seiner Novelle „Vergittertes Fenster“ (1937) einfühlsam beigestanden. Was macht da schon, dass Ludwigs Zimmer in Schloss Berg noch gar nicht vergittert waren, da er zunächst nach Schloss Linderhof verbracht werden sollte? Aber Gucklöcher in den Türen und abgeschraubte Türklinken – das gab es bereits zur Sicherungsverwahrung in Berg.

    Alles hätte anders laufen sollen, jedenfalls noch schneller als die folgende tatsächliche Chronologie:

    • Dem nur noch neuen Bauplänen und künstlerischen Phantasien zugänglichen, in monarchischer Selbstverklärung entrückten König war durch ein medizinisches Gutachten (Federführung Gudden) am 8. Juni 1886 eine unheilbare „Paranoia“ bescheinigt worden.
    • Am 9. Juni wurde Ludwig II. für abgesetzt und sein Onkel Luitpold zum Regenten erklärt.
    • Die öffentliche Proklamation erfolgte am 10. Juni.
    • Noch am 9. Juni hatte sich eine hochrangige Staatskommission in München aufgemacht, um Ludwig in Neuschwanstein darüber zu unterrichten und zu internieren. Doch der im letzten Augenblick gewarnte König ließ die Kommissäre durch Füssener Gendarmen im Torbau seines Schlosses festsetzen. Erst am Mittag des 10. Juni kamen sie wieder frei und fuhren zurück nach München.
    • Von dort begab sich am 11. Juni eine nur aus Ärzten und Pflegern bestehende zweite Kommission nach Neuschwanstein. Sie schaffte es mit allerlei Tricks, sich des Königs in seinem Schlossgemach zu bemächtigen und mit ihm am 12. Juni gegen vier Uhr morgens nach Schloss Berg abzureisen.
    • Nach drei Pferdewechseln trafen die drei Kutschen hier am Mittag des 12. Juni ein.
    • Gudden nahm umgehend seine Behandlung auf. Sie zielte auf möglichst wenig Zwang und möglichst viel Selbstbestimmung des Patienten. Ludwig war nicht so verrückt, darin am 13. Juni beim abendlichen Ausgang seine Chance zu verkennen. Die Aufregung schlug hoch, als die Majestät und der Obermedizinalrat im Schloss ausblieben. Alle Verfügbaren gingen auf Suche.
    • Der Fischer Lidl machte sein Boot flott für Guddens Assistenzarzt Dr. Müller und den Schlossverwalter Huber. Gegen 23 Uhr entdeckten sie die Leichen Ludwigs und Guddens. Huber: „Beide das Gesicht im Wasser.“ – Müller: „Die Totenstarre war schon eingetreten.“

    Der Leib in München, das Herz in Altötting

    Frank Wedekind zählte zu den Münchnern, die am 14. Juni nach Berg fuhren, um den im Schloss aufgebahrten Ludwig zu sehen. Seinem Vater schrieb er: „Das Antlitz des Königs war ruhig und zeigte nicht die geringste Entstellung.“

    In der Nacht zum 15. Juni wurde die Leiche nach München gebracht und nach Obduktion und Einbalsamierung in der Hofkapelle der Residenz aufgebahrt. Am 19. Juni erfolgte der Trauerkondukt in die St. Michaelskirche. Seitdem ruht Ludwig II. dort in der Fürstengruft. Sein Herz bewahrt eine silberne Urne in der Gnadenkapelle zu Altötting. (AZ)

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