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Asylpolitik: Die umstrittenen Ankerzentren für Flüchtlinge starten in Bayern

Asylpolitik

Die umstrittenen Ankerzentren für Flüchtlinge starten in Bayern

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    Aus der jetzigen Erstaufnahme Donauwörth entsteht ein Ankerzentrum. Viele begrüßen die Entscheidung nicht.
    Aus der jetzigen Erstaufnahme Donauwörth entsteht ein Ankerzentrum. Viele begrüßen die Entscheidung nicht. Foto: Thomas Hilgendorf

    Bayern startet am Mittwoch als erstes Bundesland mit den umstrittenen Ankerzentren. Nach dem "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sollen die Einrichtungen die Asylverfahren und damit auch eine Abschiebung oder Rückführung derjenigen Migranten beschleunigen, die kein Bleiberecht haben. 

    Während andere Bundesländer noch zögern oder schon erklärt haben, vorerst nicht mitmachen zu wollen, setzt Bayern trotz vielfacher Kritik den Plan um. In allen sieben Regierungsbezirken des Freistaats werden dazu Transitzentren oder Erstaufnahmeeinrichtungen in Ankerzentren umgewandelt.

    1000 bis 1500 Flüchtlinge sollen in den Ankerzentren untergebracht werden

    Die Standorte sind Donauwörth, Zirndorf, Regensburg, Deggendorf, Schweinfurt, Bamberg und Manching. Etwa 1000 bis maximal 1500 Flüchtlinge sollen hier jeweils zentral untergebracht werden. 

    Das Wort "Anker" steht für An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidung) und R(ückführung). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter, Justiz- und Ausländerbehörden sollen dort vertreten sein. Kurze Wege sollen die Verfahren beschleunigen. 

    Ankerzentren als Abschiebelager kritisiert

    So halten es andere EU-Staaten mit Einreisebeschränkungen

    ÖSTERREICH Zwei Tage nach Beginn der deutschen Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze am 14. September 2015 zog Österreich nach. Seitdem wird die Grenze zu Ungarn und Slowenien auch mit Hilfe von Soldaten im sogenannten Assistenzeinsatz kontrolliert.

    Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) behält es sich vor, mit Beginn der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli bis zum Jahresende Binnengrenzkontrollen anlassbezogen, temporär, punktuell und selektiv zu allen Nachbarstaaten Österreichs anzuordnen.

    DÄNEMARK hat Anfang 2016 Kontrollen an der Grenze zu Deutschland eingeführt und seitdem mehr als 5500 Ausländer abgewiesen. Die meisten kamen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak und hatten kein Visum oder gefälschte Pässe. Dänemark schickt möglichst viele Flüchtlinge zurück in andere EU-Länder, die bereits dort Asyl beantragt haben. Aus dem Quotensystem der UNHCR ist Dänemark ausgestiegen. Die Regierung hat beschlossen, vorerst keine Quotenflüchtlinge aufzunehmen. 

    FRANKREICH hat Ende 2015 die innerhalb des Schengenraums eigentlich ausgesetzten Grenzkontrollen wieder eingeführt. Im vergangenen Jahr wurde 85.000 Ausländern die Einreise nach Frankreich verweigert. Dies betrifft vor allem die Grenze zu ITALIEN - im Nachbarland kamen seit 2014 mehr als 630.000 Migranten über das Mittelmeer an.

    Die französische Polizei stoppt in der Region östlich von Nizza zahlreiche Menschen, die keine Aufenthaltsberechtigung für Frankreich haben, und schickt sie zurück ins Nachbarland. Rechtliche Grundlage ist eine 1997 geschlossene Vereinbarung mit Italien, wonach beide Staaten Drittstaatler zurücknehmen, die von ihrem Gebiet aus ins jeweils andere Land gereist sind, ohne die dafür nötigen Papiere zu haben.

    Wer in GRIECHENLAND einen Asylantrag stellt, muss lange warten, da es an Bearbeitern fehlt. 2017 erhielten gut 12.000 Menschen Asylstatus/Subsidiären Schutz. In den sogenannten Hotspots auf den Ägäis-Inseln warten zurzeit knapp 17.000 Menschen auf Asylentscheidungen. Viele stellen erst gar keinen Antrag, sie hoffen, mit Hilfe von Schleusern weiter zu kommen Richtung Norden und Westen.

    Die NIEDERLANDE versuchen, nach dem Dublin-Verfahren Asylbewerber zurückzuschicken, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben. Das gelingt aber nur in 15 Prozent der Fälle, ergab eine Untersuchung des Rechnungshofes im Juni. Belgien, Frankreich und Deutschland nahmen von 2014 bis 2016 nur 20 bis 30 Prozent wieder auf.

    Von abgewiesenen Asylbewerbern verlassen dem Bericht zufolge weniger als die Hälfte die Niederlande. Auch Migranten aus sogenannten sicheren Staaten sollen schnell in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Zunächst werden aber auch bei diesen Asylanträge geprüft. 2017 kamen 31.000 Asylsuchende in die Niederlande, die meisten aus Syrien (35 Prozent) und Eritrea (13).

    POLENS nationalkonservative Regierung gilt als Gegner der Aufnahme von Flüchtlingen. Warschau verweigert unter Verweis auf Sicherheitsgründe und Terrorgefahren die von der EU beschlossene Umverteilung von Migranten und treibt zusätzlich zu den geltenden Dublin-Regeln und EU-Vereinbarungen strengere Einreisebestimmungen voran.

    Änderungen der Migrationsgesetze sollen Abschiebungen vereinfachen, zudem ist mehr Zeit für den Grenzschutz vorgesehen, um Asylanträge zu überprüfen. Laut Einwanderungsbehörde stellten 2017 etwa 5000 Menschen in Polen Antrag auf Asyl, 520 Fälle - vor allem aus der Ukraine, Russland und Tadschikistan - wurden anerkannt.

    TSCHECHIEN hält illegal eingereiste Ausländer, die keinen Asylantrag stellen, bis zur Abschiebung oder Rückführung in eingezäunten Anlagen fest. Menschenrechtsaktivisten vergleichen die Einrichtungen mit Gefängnissen. Bei Ausländern, die bereits in einem anderen EU-Staat als Asylbewerber registriert sind, setzt Tschechien das sogenannte Dublinverfahren ein.

    Im vorigen Jahr wurden auf diese Weise 94 Menschen in andere EU-Staaten überstellt, es wurden aber auch 420 Asylbewerber zurückgenommen, darunter 235 aus Deutschland. Grundsätzlich ist Tschechien für seine harte Haltung in der Flüchtlingsfrage bekannt. Es gibt keine dauerhaften Kontrollen an den tschechischen Grenzen, weil das Land von anderen Schengen-Staaten umgeben ist.

    UNGARN ist bestrebt, mit einer strikten Abschottungspolitik Flüchtlinge und Migranten abzuschrecken. Die "Einreisebeschränkung" besteht vor allem aus einem bis zu vier Meter hohen Metall- und Stacheldrahtzaun an den Grenzen zu Serbien und Kroatien. Flüchtlinge, die die Sperranlagen mit Hilfe von Schleppern überwinden, werden mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit aufgegriffen und rasch und ohne Möglichkeit einer Anhörung nach Serbien zurück geschoben.

    Asylrechtsexperten und internationale Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR halten diese Praxis der "push-backs" für illegal. Unmittelbar an der Grenze zu Serbien hat Ungarn zwei sogenannte Transitzonen eingerichtet. Den Abschluss von Asylverfahren müssen die Menschen dort abwarten. 2017 gewährte Ungarn 1300 Flüchtlingen Asyl oder Schutzstatus. So gut wie alle reisten über die Schengen-Binnengrenze in den Westen Europas weiter.

    Die SLOWAKEI gehört zu den flüchtlingsfeindlichsten Ländern der Europäischen Union. Dafür braucht sie aber keine speziellen Gesetze, sondern legt die geltenden Dublin-Regeln und EU-Vereinbarungen so restriktiv wie möglich aus. Da die Slowakei mit Ausnahme einer gut gesicherten und nur sehr kurzen Grenze zur Ukraine nur von EU-Ländern umgeben ist, kann sie praktisch alle ins Land kommenden Flüchtlinge als illegale Immigranten behandeln und wie Kriminelle internieren.

    Anspruch auf eine bessere Behandlung hat theoretisch zwar jeder, der einen formellen Asylantrag stellt. In der Praxis tut das aber kaum jemand, um nicht durch eine fast sichere slowakische Ablehnung die Möglichkeit zu verwirken, einen späteren Asylantrag in einem flüchtlingsfreundlicheren EU-Land zu stellen.

    In BULGARIEN sollen Migranten laut Gesetz nur über die offiziellen Grenzübergänge einreisen, wo sie registriert werden. Flüchtlinge, die nicht auf legalem Weg gekommen sind, um Asyl zu beantragen, müssen sich unverzüglich bei den Behörden melden, um ihre illegale Einreise zu begründen.

    Das südosteuropäische Land verhindert die illegale Einreise von Migranten über die EU-Außengrenze zur Türkei durch einen Zaun mit Stacheldraht entlang dieser 259 Kilometer langen Grenze. "Der Migrationsdruck bei uns ist gleich Null", sagte jüngst Regierungschef Boiko Borissow. Über Einreisebeschränkungen wird in Bulgarien, das als Transitland gilt, nicht diskutiert. (Quelle: dpa)

    Kirchliche Organisationen, Flüchtlingshelfer und die Opposition haben die Ankerzentren hingegen als Abschiebelager kritisiert, sie warnen vor einer Ghettoisierung. Wenn mehrere Hundert Flüchtlinge ohne Perspektive und ohne Beschäftigung auf sehr engem Raum zusammenleben müssten, führe das unweigerlich zu Konflikten, warnte etwa die Caritas.

    Sie begrüßte aber die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der Freistaat werde alle Ermessensspielräume nutzen, um eine bessere Balance zu finden, wenn die Flüchtlinge Integrationsleistungen bringen. Das könnten etwa Arbeitserlaubnisse und Möglichkeiten zur Ausbildung sein. (dpa, lby)

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