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Interview: Franz Xaver Kroetz: "Baby Schimmerlos" wird in neuer Serie Amtsrichter

Interview

Franz Xaver Kroetz: "Baby Schimmerlos" wird in neuer Serie Amtsrichter

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    So kennen ihn die meisten: Franz Xaver Kroetz als Klatschreporter Baby Schimmerlos in Helmut Dietls Kultserie „Kir Royal“. Daneben Dieter Hildebrandt als Fotograf Herbie (links).
    So kennen ihn die meisten: Franz Xaver Kroetz als Klatschreporter Baby Schimmerlos in Helmut Dietls Kultserie „Kir Royal“. Daneben Dieter Hildebrandt als Fotograf Herbie (links). Foto: imago/United Archives

    Herr Kroetz, Sie und Ihre Kollegin Suzanne von Borsody in wichtigen Rollen, Franz Xaver Bogner als Regisseur, die Musik von Haindling. Die neue, bayerische Fernseh-Serie „Über Land“ riecht doch nach Erfolg, oder?

    Franz Xaver Kroetz: Kann schon sein. Ich bin mit der Serie sehr zufrieden. Ich glaube aber, dass die Sendezeiten zum Start, nachmittags an Silvester und mittags an Heilig-Drei-König, schwierig sind. Ich bin eher ein skeptischer Mensch und glaube nicht, dass man zu dieser Zeit viele Zuschauer für eine neue Serie begeistern kann.

    Als Klatschreporter Baby Schimmerlos haben Sie es mit „Kir Royal“ zur Fernsehlegende gebracht. War die Rolle eher Fluch oder eher Segen?

    Kroetz: Aus heutiger Sicht erscheint mir das als großes Glück und wunderbare Freude. Es ist ja so: Damals war ich nach der Ausstrahlung für wirklich alle nur mehr der Baby Schimmerlos. Das war aber eine Zeit, in der ich sehr viele wichtige Theaterstücke geschrieben und auch inszeniert habe. Und wenn dich dann alle nur mit einer Rolle verbinden, ist das ziemlich nervig. Ich habe zuvor auch schon andere Rollen gespielt. Baby Schimmerlos war aber für mich schon so eine Art Schicksalsrolle.

    In „Über Land“ spielen Sie jetzt einen bayerischen Amtsrichter, der ziemlich unkonventionelle Urteile spricht. Sie waren zuvor länger nicht im Fernsehen zu sehen. Wie ist es zu dieser Besetzung gekommen?

    Kroetz: Ich kenne den Franz Xaver Bogner schon seit den 1990er Jahren, als wir gemeinsam „Madame Bäurin“ drehten. Ich schätze seine Arbeit sehr, auch wenn ich nicht alle seiner Serien mag. Der Bogner ist menschlich und künstlerisch integer. Er hat bei mir angefragt und ich habe zugesagt. So einfach war das. Ich kriege nicht so viele Angebote, nur etwa alle zwei, drei Jahre. Aber gut, ich habe auch einen anständigen Beruf, bin Schriftsteller und Agent meiner Stücke. Ich schreibe viel, Drehbücher, Dialoge, aber oft nicht mehr unter meinem Namen.

    Warum schreiben Sie nicht unter Ihrem Namen?

    Kroetz: Weil ich es auch so kann. Und weil es gefragt ist.

    Aber Ihr Name ist doch eine Marke. Warum arbeiten Sie anonym?

    Kroetz: Weil es mir eben Spaß macht. Das muss auch nicht immer alles hochkarätig sein, sondern mir reichen einfache Sachen. Und da muss nicht draufstehen: „Drehbuch Franz Xaver Kroetz“. Ich habe früher auch für Inge Meysel und für Maria Schell, meine Schwiegermutter, Sketche geschrieben, die nicht unter meinem Namen liefen.

    Schreiben Sie lieber Theaterstücke oder lieber Fernsehdrehbücher?

    Kroetz: Ich schreibe wirklich gerne Drehbücher. Eines habe ich für den bayerischen Tatort verfasst.

    Warum ist daraus nichts geworden?

    Kroetz: Ich weiß nicht, ob das zu schlecht oder sonst was war. Tatsache ist: Der Tatort wurde nicht gedreht. Ich hatte aber viel Freude beim Schreiben und habe jede Menge Mühe darauf verwendet. Es war ein intelligentes Drehbuch für einen intelligenten Tatort.

    Kroetz steht für neue Serie wieder vor der Kamera

    Und nun stehen Sie wieder vor der Kamera...

    Kroetz: Ich spiele jetzt den Richter Max Althammer, einen angekratzten Chaoten, der nach einer Weltreise zurückkommt, aber nichts von der Welt mitbekommen hat. Der hat seinen inneren Kompass verloren, kommt nach München zurück, wird am Land, in Berchtesgaden, eingesetzt. Da sitzt er und passt gar nicht mehr zu seiner Robe. Das ist der Typ, den ich mit meinen schwachen schauspielerischen Mitteln darstelle.

    Ketzerische Frage: Dürfen ehemalige Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) – wie Sie es sind – in Bayern überhaupt ein Richteramt ausüben, und sei es nur in einer Fernsehrolle?

    Kroetz (lacht): Das stimmt, da gab es ein Berufsverbot.

    Den Radikalenerlass von 1972, mit dem Ziel, die Beschäftigung von Extremisten im Öffentlichen Dienst zu verhindern.

    Kroetz: Genau, da ging es sogar um Postboten. Kommunisten waren alle staatlichen Ämter verboten.

    Sie sollen 1974 im dicken Mercedes zum Parteitag der DKP gefahren sein. Was hat Sie denn dazu bewogen?

    Kroetz: Ich habe mir tatsächlich 1974 einen Mercedes 450 SE gekauft. Der steht bei mir noch immer in der Garage. Die meisten DKPler wollten mich damals aus der Partei rausschmeißen, als ich mit diesem Auto kam. Ich war ja kein angenehmer Parteigenosse. Die meiste Zeit habe ich mit denen gestritten.

    Wieso waren Sie dann sieben Jahre lang Mitglied?

    Kroetz: Ich war damals nicht der einzige Exot in der DKP. Da gab es noch andere Intellektuelle wie den Schriftsteller Günter Herburger. Und wir hatten einen Traum. Uns hat die DDR nicht interessiert. Wir wollten eher sein wie in Italien die KPI oder die Linken in Portugal. Wir wollten einen Flächenbrand innerhalb der DKP entzünden, der dann in einen liberalen Sozialismus münden sollte. Die Typen von der SED, das waren für uns doch Untote. Aber was waren wir für Kasperl. Die haben sich in Ostberlin totgelacht über uns.

    Bereuen Sie dieses Engagement?

    Kroetz: Iwo! Kein bisserl.

    Kroetz würde wieder Kolumnen für die Bild-Zeitung schreiben

    Jetzt geht es als Richter im Citroën DS durchs Berchtesgadener Land?

    Kroetz: Der ist 50 Jahre alt und sauschwer zu fahren. Er hat eine seltsame Schaltung. Es gibt keine Kupplung, nur eine Art Wandler. Ich nehme an, Bogner hat ein Auto gesucht, das ein bisserl was hermacht.

    Sind Sie froh, im letzten Film von Helmut Dietl – „Zettl“ – der sowohl bei Kritik als auch Publikum floppte, nicht mitgespielt zu haben?

    Kroetz: Ich hatte keine Lust, denn ich bin in dieser Zeit schon etwas gemütlicher geworden. Vorher war das anders: 1982/83 hatte ich gerade eine Krise und wusste nicht, was ich schreiben soll. Da fiel mir der Schimmerlos in „Kir Royal“ ganz leicht. Allerdings habe ich damals auch gemerkt, dass der Dietl als Regisseur sehr unangenehm und streng ist. Und er wurde im Laufe seines Lebens immer unzufriedener. Als er 20 Jahre später wieder kam, habe ich mir gedacht: Erstens ist das Projekt ein Schmarrn und zweitens lasse ich mich nicht mehr in dieses Rollenkorsett zwängen.

    Wenn Sie Dietl noch einen Satz nachrufen könnten: Was wäre das?

    Kroetz: Mir fällt nichts zu ihm ein. Denn außer „Kir Royal“ hat uns nichts verbunden. Diese Geschichte von der Männerfreundschaft war ein Märchen. Der Dietl war mit Patrick Süßkind und solchen Leuten befreundet. Mir war aber klar, dass ich mit einem großen Künstler zusammengearbeitet habe. Das würde ich ihm nachrufen: Er war ein großer Künstler!

    Sie haben 60 Theaterstücke geschrieben, aber auch Kolumnen für die Bild-Zeitung. Wie passt das zusammen?

    Kroetz: Gar nicht. Ich würde aber wieder Kolumnen für die Bild-Zeitung schreiben. Nur leider fragen die mich nicht mehr. Das ist eine wunderbare Herausforderung, weil man ein Riesenpublikum hat.

    Kroetz an Silvester wieder im Fernsehen

    Sagen Sie auch – wie Gerhard Schröder: Bild, BamS, Glotze, das reicht?

    Kroetz: Wissen Sie, ich habe damals einen Haufen Schmarn geschrieben. Aber so eine Zeitung ist ein Medium, wo du sofort da bist. Ansonsten kannst du heute machen, was du willst, du fällst damit nicht mehr auf. Selbst wenn ich am Marienplatz einen Christbaum anpiesle, juckt das doch keinen.

    Zu Ihnen privat. Sie haben mal gesagt: „Ich kann nur jedem Mann empfehlen, sich eine jüngere Frau zu nehmen.“ Gilt das noch?

    Kroetz: Ja, das habe ich meiner Lebensgefährtin nach einem längeren Gespräch als Kompliment ins Ohr geflüstert. Das war aber keine Anweisung ans deutsche Volk.

    Angenommen, Sie hätten noch einen Tag zu leben. Wie würden Sie ihn verbringen?

    Kroetz: Ich würde auf meinen Bauernhof ins Chiemgau fahren, mit mir reden und Wein trinken.

    Um mit sich ins Reine zu kommen?

    Kroetz: Ja, ich würde im Gespräch mit meinem besten Freund, also mit mir selbst, versuchen, Ordnung ins Gelebte zu bringen. Vielleicht würde ich auch noch ein paar Zeilen schreiben. Mehr bräuchte es nicht.

    "Über Land" heißt die neue Serie von Franz Xaver Bogner, der mit Serien wie „Irgendwie und Sowieso“, „Café Meineid“ und „München 7“ Kultstatus erreicht hat. Sie hat am Sonntag, 31. Dezember, um 16.30 Uhr im ZDF Premiere. Am Samstag, 6. Januar, um 13.15 Uhr folgt Episode zwei. Teil drei wird am Sonntag, 4. Februar, um 16 Uhr ausgestrahlt.

    Lesen Sie auch: Kir Royal wird 30! Warum es eine solche Serie heute nicht mehr gibt

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