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Mollath-Prozess: Freispruch mit Makel

Mollath-Prozess

Freispruch mit Makel

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    Rund ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie hat das Landgericht Regensburg Gustl Mollath im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen.
    Rund ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie hat das Landgericht Regensburg Gustl Mollath im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Gustl Mollath blickt nach vorn. Zwar verlässt er das Landgericht Regensburg am Donnerstag mit einem gewissen Groll, aber auch mit einem Freispruch. "Jetzt muss ich meinen Lebensunterhalt bestreiten", sagt der 57-Jährige. Die Jobsuche steht an. Angebote gibt es seinen Angaben zufolge viele - auch im Kraftfahrzeug-Bereich. Zudem will er eine Wohnung finden. 

    Bislang hatte Mollath nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie im Vorjahr bei Freunden gewohnt. Am liebsten will er wieder in seiner Geburtsstadt Nürnberg leben - auch wenn mit der Stadt düstere Erinnerungen verknüpft sind.

    Dieses dunkle Kapitel hatte das Gericht im Wiederaufnahmeverfahren aufgeschlagen. Die Strafkammer spricht Mollath zwar frei, sieht ihn aber als einen Gewalttäter, der seine damalige Ehefrau verprügelt, gebissen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hat. Stoisch verfolgt Mollath die Begründung des Gerichts. Nur ab und zu schüttelt er den Kopf oder verzieht den Mund. Die meiste Zeit verharrt er stocksteif auf seinem Platz. 

    Und dann kommt der Satz der Vorsitzenden Richterin, der Mollath am meisten trifft: "Wir wissen nicht sicher, ob der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte oder nicht", sagt Richterin Elke Escher. Es sei möglich, dass zur Tatzeit eine "wahnhafte Störung" vorgelegen habe.

    "Das kann man so nicht hinnehmen", sagt Mollath dazu. "Diese Art von Freispruch habe ich schon siebeneinhalb Jahre genossen." Er hatte sich eine vollständige Rehabilitation erhofft. Die gab es für ihn nun nicht. 

    Mollath will Revisionsmöglichkeit prüfen lassen

    Mollath will sich deshalb beraten lassen, ob es doch noch Wege gibt, gegen dieses Urteil vorzugehen - auch wenn es normalerweise keine Revisionsmöglichkeit gibt. Mollath baut auch dabei auf seinen Verteidiger Gerhard Strate. Es sei für ihn nicht erforderlich, sich einen neuen Anwalt zu suchen. "Ich habe ja einen guten", sagt er.

    Chronologie des Falls Mollath

    Ab 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie. Hier eine Chronologie des Falles:

    November 2002: Gustl Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 ohne Grund mindestens 20-mal mit den Fäusten geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

    Mai 2003: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

    September 2003: Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Im April 2004 wird sie fortgesetzt. Ein Gutachter attestiert dabei Mollath erstmals gravierende psychische Störungen.

    Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften.

    Februar 2004: Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft abgelegt. Begründung: Es gebe nur einen pauschalen Verdacht. Die Angaben seien zu unkonkret, als dass sie ein Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würden.

    Juni 2004: Mollath wird gegen seinen Willen zur Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen gebracht, kommt aber schon kurz darauf wieder frei. Im Februar 2005 wird er in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen. Dort bringt er fünf Wochen zu.

    August 2006: Das Landgericht Nürnberg spricht Mollath von den Vorwürfen der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung frei. Aber die Strafkammer Mollaths ordnet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

    Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft die Revision als unbegründet.

    März 2012: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Rechtsausschuss des Landtags, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei «weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen». Seine Vorwürfe gegen die Bank hätten keinen begründeten Anfangsverdacht für Ermittlungen ergeben.

    November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, dessen Inhalt erst jetzt publik wird, bestätigt, dass ein Teil von Mollath Vorwürfe zutreffend war. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss im Landtag.

    30. November 2012: Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen. Grund war die mögliche Befangenheit eines Richters.

    18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft Regensburg beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie stützt sich dabei auf «neue Tatsachen», die dem Gericht bei der Verurteilung im Jahr 2006 noch nicht bekanntgewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.

    26. April 2013: Der Mollath-Untersuchungsausschuss tritt erstmals zusammen.

    28. Mai 2013: Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Psychiatrie-Unterbringung vor der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.

    12. Juni 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet an, dass Mollath mindestens noch ein weiteres Jahr und damit bis 2014 in der Psychiatrie bleiben muss.

    06. August 2013: Mollath kommt frei. Das OLG Nürnberg ordnet die Wiederaufnahme des Falls an und verfügt, dass diese an einer anderen Kammer des Landgerichts Regensburg stattfinden muss.

    05. September 2013: Die Verfassungsbeschwerde Mollaths ist erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gab seiner Beschwerde gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg statt. Die Beschwerde sei offensichtlich begründet, hieß es.

    19. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg teilt mit, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath am 7. Juli 2014 beginnt.

    13. Januar 2014: Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Ex-Frau von Gustl Mollath eingestellt. Mollath hatte seine frühere Ehefrau im August 2013 angezeigt, weil sie in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe 2008 nicht die Wahrheit gesagt habe. Dafür ergaben sich laut Staatsanwaltschaft aber keine Anhaltspunkte.

    28. April 2014: Gustl Mollath will das Oberlandesgericht Bamberg mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde zwingen zu verkünden, ab wann er unrechtmäßig in der Psychiatrie gesessen habe. Hintergrund ist ein Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2011, nach dem Mollath weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass dadurch Mollaths Grundrecht auf Freiheit verletzt worden war.

    07. Juli 2014: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath.

    08. August 2014: Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer einen Freispruch für Gustl Mollath. Dabei ist der Anklagevertreter jedoch von der Schuld des 57-Jährigen überzeugt. Die Verteidigung verlangt einen Freispruch "ohne Wenn und Aber". Mollath selbst weist die Vorwürfe zurück.

    14. August. 2014: Das Landgericht Regensburg spricht Gustl Mollath frei. dpa

    Strate selbst will sich aber nur noch im Rahmen der Pflichtverteidigung um den Nürnberger kümmern. "Insgesamt werde ich mich aber aus der Sache zurückziehen", betont der renommierte Verteidiger aus Hamburg, der Mollath aus der Psychiatrie geholt und das Wiederaufnahmeverfahren ermöglicht hatte. Beide waren mehrfach in dem Prozess wegen Meinungsverschiedenheiten aneinandergeraten.

    Gustl Mollath hat spätestens seit seiner Entlassung aus der Psychiatrie polarisiert. Er hat eine Unmenge an Unterstützern, die wie er das System der Zwangsunterbringung anprangern. Andere halten ihn angesichts seiner Mahnbriefe an die obersten Justizbehörden, den Papst und den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, für einen Querulanten, der unter Verfolgungswahn leidet und sich überschätzt.

    Maßregelvollzug in Bayern soll reformiert werden

    Eines ist dem Nürnberger aber gelungen. Zumindest in Bayern soll der Maßregelvollzug zur Unterbringung psychisch kranker Straftäter neu geregelt werden. Nach dem Willen von Sozialministerin Emilia Müller (CSU) soll die Resozialisierung im Vordergrund stehen und ein Therapieanspruch verankert werden. Der Gesetzentwurf soll im Herbst im Landtag in München beraten werden.

    Nach dem Urteil und einem Interview-Marathon hat es Mollath am Donnerstag eilig. Er sucht eine Mitfahrgelegenheit nach Taufkirchen im Landkreis Erding zur Entlassung "einer Leidensgenossin" aus der dortigen Psychiatrie. 

    Die Parallelen zum Fall Mollath sind unübersehbar: Sieben Jahre saß die heute 58-Jährige gegen ihren Willen in der Psychiatrie, weil ihr ein Gutachter wahnhafte Störungen attestierte und von ihr angeblich eine Gefahr für die Allgemeinheit ausging. Mollath will, dass die Welt erfährt, was in den Psychiatrien Deutschlands los sei: "Das ist schlimmer als in deutschen Gefängnissen." dpa

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