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Stauffenberg: Großcousine des Hitler-Attentäters: „Er hat so handeln müssen“

Stauffenberg

Großcousine des Hitler-Attentäters: „Er hat so handeln müssen“

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    Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg wurde nach dem Attentat hingerichtet.
    Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg wurde nach dem Attentat hingerichtet. Foto: dpa

    Nein, am 20. Juli 1944 kommt bei dieser Geburtstagsfeier niemand vorbei. Marie-Gabriele Schenk von Stauffenberg feiert am Freitag im Rentamt in Jettingen ihren 100. Geburtstag. Und da werden Erinnerungen an ihren berühmten Großcousin Claus von Stauffenberg wach, der Nazi-Deutschland vor 70 Jahren um ein Haar von Diktator Adolf Hitler befreit hätte.

    Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde am 15. November 1907 in Jettingen geboren. Wegen des geringen Altersunterschieds von knapp sieben Jahren fühlten sich Marie-Gabriele und Claus als Cousins, berichtet die unverheiratete Gräfin (Komtess). Ihr Opa und der Vater von Claus waren Brüder.

    Dass ihr Großcousin zum Kopf der Widerstandsbewegung gegen Adolf Hitler zählte, habe sie nicht gewusst. „Wir waren in die Attentatspläne nicht eingeweiht“, sagt die Hundertjährige. Sie wusste nicht einmal, dass ihr Verlobter Joachim Kuhn Sprengstoff für einen Anschlag besorgt hatte. Am Tag nach dem missglückten Attentat erfuhr Marie-Gabriele, dass Claus erschossen worden war. Für die Komtess brachte das Attentat Sippenhaft. Sie wurde von ihrer Familie getrennt und in einem Frauengefängnis in Friedberg inhaftiert. „Danach kamen wir in Konzentrationslager in ganz Deutschland“, erinnert sich die Jettingerin.

    Ein Sohn des Widerstandskämpfers gratuliert zum Geburtstag

    Die Komtess steht zu der historischen Tat ihres berühmten Verwandten. „Claus hat aus seinem Gewissen heraus so handeln müssen“, betont die 100-Jährige. Sie habe Zeit ihres Lebens viel über diese Geschichte nachgedacht. Und der 20. Juli 1944 habe für sie eine besondere Bedeutung. „Wir müssen daraus lernen, dass solche Verbrechen wie im Nationalsozialismus nie wieder passieren können“, sagt Marie-Gabriele von Stauffenberg und fügt hinzu: „Da haben wir, da hat die Welt eine Verantwortung dafür.“

    Zur Geburtstagsfeier sind einige Jettinger und Gäste aus Rißtissen bei Ehingen gekommen. Auf dem dortigen Stauffenberg-Schloss kuriert die Komtess zurzeit eine Verletzung nach einem Sturz aus. Zum 100. Geburtstag gratuliert auch Heimeran von Stauffenberg, eines von vier Kindern des Widerstandskämpfers. Der Züricher scheut es, Interviews über seinen Vater zu geben, denn als damals Achtjähriger sei er kein Zeitzeuge. Auch Heimeran von Stauffenberg wurde nach dem Attentat seiner Mutter weggenommen und in ein Heim gesperrt. So viel sagt der Sohn des Widerstandskämpfers aber doch: „Ich bin stolz auf meinen Vater.“

    Stolz, den Namen dieser Familie zu tragen, ist auch Franz Schenk Graf von Stauffenberg. Der Neffe der Komtess hat das Geburtstagsfest mitorganisiert. Der Widerstand des 20. Juli habe gezeigt, dass es auch im Dritten Reich ein anderes Deutschland gegeben habe. „Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in den Nachkriegsjahren allerdings nicht um die Widerstandskämpfer gekümmert“, bedauert der Berliner. Dies habe sich zum Glück geändert, meint Franz von Stauffenberg.

    Zur Feier des Tages ein Schluck Rotwein

    Jettingens Bürgermeister Hans Reichhart begrüßt jeden Gast – auch die Jettinger Ehrenbürgerin Anna Gräfin von Stauffenberg. Mit Landwirtschaft, Brauerei und Forstwirtschaft waren die Stauffenbergs früher ein großer Arbeitgeber in Jettingen. Als vor sieben Jahren der 100. Geburtstag Claus von Stauffenbergs gefeiert wurde, fuhr Reichhart mit einem Buch aus dem Standesamt zu einem Festakt nach Stuttgart: „Ich wollte mit dem Geburtseintrag zeigen, dass dieser bedeutende Mann in Jettingen geboren wurde.“

    Für Marie-Gabriele von Stauffenberg ist der 100. Geburtstag sichtlich anstrengend. Sie trägt ein weinrotes Jackenkleid und dazu einen beigen Rock. Nach dem Interview genehmigt sie sich einen Schluck Rotwein und blickt auf die Jubiläumstorte zum 100. Geburtstag. Demnächst soll ein Buch über den Widerstand herauskommen, zu dem sie Aufzeichnungen aus ihrem Tagebuch beigesteuert hat. Auf die Frage, was sie in Zukunft plant, lächelt die Komtess: „Das kann ich nur dem lieben Gott überlassen.“ Eines wünsche sie sich aber für den Fortgang der Geschichte, sagt die Jubilarin – „den Zusammenhalt in Europa“.

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