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Verkehr: In Augsburg fahren Bürger bald gratis

Verkehr

In Augsburg fahren Bürger bald gratis

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    Der Königsplatz in Augsburg ist der Knotenpunkt des Nahverkehrs: In ein bis eineinhalb Jahren können Bürger hier einsteigen und eine bis zwei Haltestellen von dort aus gratis fahren, so die Idee der Stadtwerke.
    Der Königsplatz in Augsburg ist der Knotenpunkt des Nahverkehrs: In ein bis eineinhalb Jahren können Bürger hier einsteigen und eine bis zwei Haltestellen von dort aus gratis fahren, so die Idee der Stadtwerke. Foto: Silvio Wyszengrad

    Augsburg steht bald in einer Reihe mit Städten wie Graz, Kansas City und Melbourne: Alle Städte haben gemeinsam, dass sie auf Strecken in der Innenstadt eine Gratis-Benutzung anbieten. Augsburg möchte im Lauf des Jahres 2019 ein Netz von acht Haltestellen im Kern der Innenstadt für die Gratis-Benutzung freigeben (wir berichteten). In Deutschland ist Augsburg die einzige Großstadt, die konkret ein derartiges Modell umsetzen will. Stadtwerke-Geschäftsführer Walter Casazza spricht von einem „gewagten Wurf“. Wer die neue City-Zone durchquert, kann künftig eine maximale Fahrstrecke von 1,5 Kilometern zurücklegen, wobei der Nutzen für die meisten Fahrgäste in der Praxis geringer sein wird.

    Dass sich Augsburg jetzt zu diesem Schritt entscheidet, dürfte neben den erklärten Bemühungen um die Luftreinheit (der Stickoxid-Grenzwert wird seit Jahren überschritten) auch damit zusammenhängen, dass Stadt und Stadtwerke nach einer Tarifreform zum Jahresanfang und Fahrgastprotesten unter Druck stehen. Zudem wolle man die Innenstadt als Standort stärken, indem man sie für Passanten und Touristen attraktiver mache, sagt Wirtschaftsbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Sowohl der Augsburger Einzelhandel als auch die für den Tourismus zuständige Regio Augsburg begrüßen den Vorstoß.

    Vorbild für das Augsburger Modell ist die österreichische Stadt Graz. Dort ist seit 2013 im Innenstadt-Kern die Nutzung der Tramlinien gratis. Die Grazer Verkehrsbetriebe beziffern die jährlichen Mindereinnahmen auf etwa eine halbe Million Euro, so ein Sprecher. Zahlen zu Fahrgaststeigerungen allein aufgrund der Innenstadt-Zone gibt es in Graz nicht, aus dem Innenstadt-Handel und von Touristen gebe es aber durchweg positive Rückmeldungen.

    In Deutschland gibt es aktuell einen Versuch in Tübingen. Seit Februar sind die Busse im Stadtgebiet immer samstags gratis nutzbar. Hintergrund ist, dass dort ein zentrales Parkhaus für eineinhalb Jahre saniert werden muss und dadurch Parkplätze wegfallen. Im Sommer wollen die dortigen Stadtwerke eine erste Bilanz des Versuchs ziehen. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) ist schon seit Jahren ein Befürworter für einen grundsätzlich kostenlosen Nahverkehr in der Stadt. Die Kosten für einen Nulltarif in Tübingen werden auf 14,5 Millionen Euro geschätzt. Ein komplett kostenloser Nahverkehr in Augsburg würde Einnahmeausfälle aus dem Ticketverkauf in Höhe von 48 Millionen Euro verursachen. Das City-Zonen-Projekt in Augsburg kostet 500000 Euro jährlich, die zumindest teilweise über Fördermittel bezahlt werden sollen.

    Die Debatte über einen kostenlosen Nahverkehr war im Februar bundesweit aufgeflammt, nachdem die Bundesregierung in einem Schreiben an die EU-Kommission diese Möglichkeit angeschnitten hatte, die Idee kurz darauf aber zum Versuch in fünf Modellstädten zurückstufte. Experten sehen die Idee eines stadtweit kostenlosen Nahverkehrs kritisch: In Deutschland waren es bislang Kleinstädte, die das Thema ausprobierten – und die Versuche abbrachen. Wenn man zusätzliches Geld in den Nahverkehr stecken wolle, müsse man zuerst Investitionsstaus auflösen und angesichts zuletzt gestiegener Fahrgastzahlen die Kapazitäten erhöhen, sagte der frühere Münchner Nahverkehrs-Chef und Vize-Vorsitzende des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, Herbert König, der in Schmiechen im Landkreis Aichach-Friedberg wohnt, in einem Interview mit unserer Zeitung. Erst dann seien Überlegungen für eine weitere Fahrpreis-Subventionierung angebracht.

    Auch das abgeschwächte Augsburger Modell wird nicht nur positiv gesehen. Der Fahrgastverband „Pro Bahn“ fürchtet, dass durch das Angebot mehr Autofahrer an den Rand der geplanten City-Zone gelockt würden. So erhöhe man den Autoverkehr in den Randbereichen der Stadt. Pro Bahn würde es befürworten, Park&Ride-Plätze am Stadtrand kostenpflichtig zu machen, wobei das Parkticket als Freifahrtschein ins Zentrum dienen solle.

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