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Karfreitag: Jesus ist die Rolle seines Lebens

Karfreitag

Jesus ist die Rolle seines Lebens

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    Jesus ist die Rolle seines Lebens
    Jesus ist die Rolle seines Lebens

    Von Till Hofmann Neu-Ulm/Ulm. An seine erste Reaktion vor über fünf Jahren kann sich Marcello Catena genau erinnern. "Oh Gott, ich als Jesus, das kann ich mir nicht vorstellen." Inzwischen können sich viele nicht vorstellen, wer außer dem 29 Jahre alten Catena sonst noch imstande wäre, den Sohn Gottes so treffend darzustellen.

    Seit 2004 schlüpft der angehende Arzt an Karfreitag in die Rolle seines Lebens. An fünf festen Stationen des "Lebendigen Kreuzwegs" ist er in Neu-Ulm und Ulm zu sehen - auch morgen wieder. Mit der Fußwaschung und dem Abendmahl beginnt die Leidensgeschichte, die von der italienischen katholischen Gemeinde erzählt wird. "Was wir hier zeigen, ist alles andere als ein Spektakel, es ist der Ausdruck unseres Glaubens", sagt Nicola Albarino, Präsident der Gemeinde.

    1978 ist er als 14-Jähriger mit seinen Eltern aus Süditalien nach Deutschland gekommen - mit der Hoffnung auf ein besseres Leben und "mit einem Traum in der Schublade": die Passion Christi den Menschen hierzulande auf dieselbe Weise nahezubringen, wie es in seiner Heimatregion Basilicata guter Brauch ist. Ein viertel Jahrhundert später hat er die Schublade geöffnet und italienische wie deutsche Würdenträger davon überzeugt, "dass wir etwas Seriöses machen wollen". "Sehr gut, sehr schön", sagt der 66-jährige Don Giuseppe über die Aktivitäten seiner Schäfchen und über das Resultat der Bemühungen. "Passionsspiele gibt es viele. So einen Kreuzweg nicht."

    Don Giuseppe ist natürlich Augenzeuge, wenn im Untergeschoss des angemieteten Missionsgebäudes unweit vom Ulmer Münster die Generalprobe stattfindet. Die war vergangenen Samstag. Es geht zu wie in einem Bienenkorb. Nur im Proberaum selbst ist es ruhiger.

    Auf einen vollgekritzelten Zettel schreibt Elvira La Blunda noch mehr Namen. "Damit ich weiß, wer welche Kleidung mitgenommen hat", erklärt die Kostümchefin, die sich mit vier weiteren Mitstreiterinnen in den ersten beiden Jahren beinahe die Finger wund genäht hat, um für die passenden Gewänder für Jesus und Jünger, Volk und Soldaten zu sorgen. Inzwischen kann sie die Sache etwas entspannter angehen. Spenden haben es ermöglicht, historische Kostüme von einer italienischen Spezialfirma aus der Nähe von Assisi zu besorgen.

    Für die letzte Probe vor dem Kreuzweg reicht Zivilkleidung allemal. Jesus-Darsteller Catena lehnt in Jeans und Turnschuhen und mit einer Dornenkrone auf dem Haupt an der Wand, als die Kreuzigungsszene nachgespielt wird - untermalt von dramatischer Musik und Donnergrollen. Routine hat der 29-Jährige mittlerweile. Das bedeute aber nicht, dass man nur ein Programm abspule. Catena will "so authentisch wie möglich" sein. "Es ist schwierig, einen sterbenden Menschen zu spielen", sagt er. Und schließlich ist es ja nicht irgendein Mensch. "Er hat eine besondere Gabe gehabt. Er konnte vermitteln. Die Leute haben ihm zugehört", meint der Laienspieler, der nie Ambitionen hatte, auf einer Bühne zu stehen.

    Kann man die Jesus-Rolle einfach so ablegen? "Schon", sagt Catena. Aber abgefärbt aufs Privatleben hat die intensive Beschäftigung mit dem Messias schon. "Ich will meinen Willen nicht mehr wie früher mit aller Gewalt durchsetzen. Ich bin diplomatischer geworden."

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