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Oberbayern: Kuhglocken-Streit: Bäuerin und Anwohner ringen um Lösung

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Kuhglocken-Streit: Bäuerin und Anwohner ringen um Lösung

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    Zwei Kälber mit Kuhglocken auf einem Bauernhof. Am 9. November wird vor dem Landgericht München II der Prozess um das Geläut von Kuhglocken fortgesetzt.
    Zwei Kälber mit Kuhglocken auf einem Bauernhof. Am 9. November wird vor dem Landgericht München II der Prozess um das Geläut von Kuhglocken fortgesetzt. Foto: Karl-josef Hildenbrand, dpa (Symbol)

    Lautes Gebimmel, schlechte Gerüche - und dann auch noch lästige Insekten: Ein Ehepaar kaufte im oberbayerischen Holzkirchen ein Häuschen in idyllischer Lage, doch mit seinen tierischen Nachbarn kommt es nicht klar. Schon lange versuchen die beiden, die Kuhglocken - oder besser noch die Kühe selbst - von der benachbarten Weide wegzuklagen. Auch den Gestank beim Düngen mit Gülle wollen sie nicht mehr dulden - und die auf ihr Grundstück fliegenden Insekten möchten sie ebenfalls nicht haben. Jetzt gibt es einen zweiten Prozess um den tierischen Streit.

    Mit der Suche nach einem Vergleich ist am Freitag der seit drei Jahren währende Holzkirchner Kuhglockenstreit vor dem Landgericht München II in eine weitere Runde gegangen. Vehement diskutierten Richterin, Bäuerin Regina Killer und der Anwalt der klagenden Anwohnerin, ob GPS-Sender als Ersatz für die störenden Glocken der grasenden Rindviecher infrage kommen. Die Bäuerin sagte, damit gebe es in der Region keine Erfahrungen. Sie bot im Gegenzug an, nur noch eine oder zwei Glocken zu verwenden - je nachdem, wo die Kühe grasen. Am Freitag endete der Verhandlungstag ohne Einigung. Das Gericht will am 24. Januar eine Entscheidung verkünden.

    Nachdem die Klage des Ehemanns in erster Instanz abgewiesen worden war und er nun auf die zweite Instanz vor dem Oberlandesgericht München wartet, klagt jetzt seine Frau. An diesem Freitag (9.00 Uhr) beginnt der neue Prozess vor dem Landgericht München II. Die Klage richtet sich nicht nur gegen die Bäuerin, die das Weideland gepachtet hat, sondern auch gegen die Gemeinde, die ihr das Gelände als Ersatz für eine frühere Fläche gab.

    "Die ganze Zeit bimmelt es - Tag und Nacht", sagt der Anwalt des Paars, Peter Hartherz. Der Ehemann hatte in seinem Prozess erklärt, er und seine Frau litten unter Schlaflosigkeit und Depressionen. Das Anwesen befinde sich in einem Wohngebiet, es gebe auch "keine Ortsüblichkeit der Weidehaltung", macht der Anwalt geltend. Im Übrigen sei es Tierquälerei und verstoße gegen den Tierschutz, Kühen eine laute Glocke umzuhängen. Im Flachland sei das auch gar nicht nötig.

    Kuhglocken-Streit: "Einen Teppich von Gülle"

    Das Paar, das seit 2004 in Holzkirchen (Landkreis Miesbach) lebt, hatte das in bester Lage idyllisch liegende Haus 2011 erworben und dann liebevoll und aufwendig hergerichtet. Gerade weil die beiden Einheimische seien und die möglichen Beeinträchtigungen durch die Landwirtschaft kannten, hätten sie sich vor dem Kauf versichert, wie es rund um das neue Heim aussehe. "Es gab vorher dort nie Weideviehhaltung, und es gab nie Ackerbau. Es war immer eine einfache Wiese, wo man Heu macht", sagt Hartherz über die Nachbarschaft.

    Zwar sei auch früher gedüngt worden, und damit habe das Paar auch kein Problem. Nun aber habe die Bäuerin "einen Teppich von Gülle" ausgebracht, sagt Hartherz, der zum Beweis ein Foto mit einer braunen Wiese zu den Akten gab. "Das entspricht nicht den Vorgaben der Düngeverordnung. Das ist eine Umweltsauerei sondersgleichen", meint der Anwalt. Es gehe nun um "die Abwehr dieses schändlichen Verhaltens". Alles in allem habe sich auch der Wert der Immobilie verringert - um 40.000 bis 50.000 Euro.

    Für den Holzkirchner Bürgermeister Olaf von Löwis (CSU) hat der Fall grundsätzliche Bedeutung. "Es geht um die Definition der sachgerechten Landwirtschaft", sagt er. Immerhin habe das Paar auf dem traumhaft gelegenen Anwesen einen unverbaubaren Blick in alle Himmelsrichtungen. "Dafür muss man halt in Kauf nehmen, dass daneben Landwirtschaft stattfindet." Für die Bäuerin wiederum gehe um ihren Broterwerb. "Insofern ist es für uns als Kommune schon wichtig, dass wir hier nicht Präzedenzfälle schaffen."

    GPS-Kuhglocken: Ein Kompromiss hat nicht funktioniert

    Der dörfliche Frieden scheint in Gefahr. "Ich habe nicht den Eindruck dass es den Menschen irgendwie darum geht, in die dörfliche Gemeinschaft integriert zu werden", sagt von Löwis. Versuche zu einem Mediationsgespräch, so der Bürgermeister, seien nicht angenommen worden. Ein Angebot des Ehepaars, auf dessen Kosten - lautlose - GPS-Kuhglocken anzuschaffen, stieß bei der Bäuerin nicht auf offene Ohren.

    "Niemand braucht im Flachland Kuhglocken", sagte der Anwalt des Paares, Peter Hartherz von der Kanzlei Sauer Wolff Martin, der zum Beweis für die Belastung im Gericht Tonaufnahmen des Gebimmels abspielte. "Haben Sie schon mal in Holland eine Kuhglocke gesehen?" Die Richterin wandte sich an die Bäuerin: "Wofür haben Sie denn Kuhglocken?" Bäuerin: "Für den Fall, dass sie (die Kühe) ausbrechen - dass man sie hört bei der Nacht."

    Der Ehemann war mit seiner Klage in erster Instanz im Dezember 2017 gescheitert. Grund war vor allem ein 2015 geschlossener Vergleich zwischen ihm und der Landwirtin. Demnach sollen Kühe mit Glocken nur im mindestens 20 Meter entfernten Teil der Weide grasen. Der Mann wartet auf die zweite Instanz vor dem Oberlandesgericht München. (dpa)

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