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Interview: Michaela Kaniber: "Unternehmer brauchen jetzt die zugesagten Hilfsgelder"

Interview

Michaela Kaniber: "Unternehmer brauchen jetzt die zugesagten Hilfsgelder"

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    Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) spricht Klartext: "Wenn die Politik Soforthilfen beschließt, dann muss die Auszahlung in Tagen und Wochen möglich sein und nicht erst in Monaten."
    Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) spricht Klartext: "Wenn die Politik Soforthilfen beschließt, dann muss die Auszahlung in Tagen und Wochen möglich sein und nicht erst in Monaten." Foto: P. Kneffel, dpa (Archiv)

    Frau Kaniber, der Landkreis Berchtesgadener Land startete zwei Wochen früher in den Lockdown als der Rest Deutschlands. Wie steht es um die Stimmung der Bürger im Landkreis? Halten sie noch durch oder ist die Geduld ausgereizt?

    Michaela Kaniber: Natürlich ist das für alle hier im Landkreis Berchtesgadener Land eine extrem belastende Situation. Die Menschen vermissen die Kontakte zu anderen und ihre gewohnten Aktivitäten. Aber vor allem ist es für viele auch beruflich oder geschäftlich eine außerordentlich schwierige Lage. Und trotzdem zeigen die Bürgerinnen und Bürger Verantwortung und Rücksichtnahme. Ich bin da sehr dankbar dafür, weil die Gesundheit unserer Nächsten über allem stehen muss. Es gibt uns allen Hoffnung, dass jetzt die Zahlen sinken. Das zeigt, dass die Einschränkungen nicht umsonst waren.

    Was muss die Politik jetzt tun, um den Menschen die Lage zu erleichtern?

    Kaniber: Unsere Unternehmer brauchen jetzt dringend die lange zugesagten Hilfsgelder. Die sollen ihnen ja gerade über die schwierigste Zeit helfen. Ich war auch sehr froh, dass die Bayerische Staatsregierung die besonders lange Belastung der Wirtschaft in unserem Landkreis sieht und deshalb die Oktoberhilfen beschlossen hat. Die Wirtschaft braucht jetzt aber die schnelle Auszahlung der Überbrückungshilfen Das Bundeswirtschaftsministerium und Bundesministerium für Arbeit und Soziales müssen die Verfahren beschleunigen. Ich habe auch den in Bayern zuständigen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger nochmal gebeten, die Auszahlung zu beschleunigen. Wenn die Politik Soforthilfen beschließt, dann muss die Auszahlung in Tagen und Wochen möglich sein und nicht erst in Monaten.

    Viele Bürger zeigten zu Beginn im Oktober noch viel Verständnis für das beherzte Handeln der Behörden im Landkreis. Was denken Sie: Ist die Akzeptanz immer noch so hoch? Oder beginnen die Menschen langsam zu rebellieren?

    Kaniber: Die Dauer des Lockdowns zehrt schon an den Nerven. Da geht es uns allen gleich. Aber jedem ist bewusst, und das zeigt auch der Blick in unsere EU-Nachbarländer, dass es die Maßnahmen braucht, um ein Stück weit Normalität zurückgewinnen zu können. Viele hatten oder haben in ihrem Verwandten- oder Bekanntenkreis Erkrankte. Der ganz großen Mehrheit ist klar, dass wir hier nicht von einem Schnupfen sprechen, sondern von einem gefährlichen, ja in vielen Fällen leider auch tödlichen Virus.

    Können Sie heute im Nachhinein mögliche Gründe nennen, warum die Zahlen im Berchtesgadener Land viele Monate über so hoch waren? Erst jetzt macht sich ja so langsam ein erster Rückgang bemerkbar.

    Kaniber: Da sind wir sehr schnell im Bereich des Spekulierens. Keiner kann das derzeit wirklich verlässlich sagen. Allerdings fällt jenen, die wie ich seit Wochen die Deutschlandkarte des RKI beobachten, ins Auge, dass wir in den Grenzregionen zu Tschechien und Österreich besonders hohe Infektionszahlen haben. In den Nachbarregionen zu Belgien konnten wir Ähnliches sehen. Solche Effekte werden später von der Wissenschaft sicher analysiert werden müssen, weil wir daraus für die Zukunft lernen wollen. Sie eignen sich aber nicht, mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Das bringt uns alle nicht weiter. Was mir aber schon Sorge macht, ist das häufige Auf- und Zusperren im direkt angrenzenden Österreich.

    In Tirol treibt die südafrikanische Mutation die Zahlen massiv nach oben. Wie geht es Ihnen damit?

    Kaniber: Natürlich lässt uns jede Nachricht über eine Mutation hellhörig werden. Jede Veränderung des Virus kann die Lage komplett verändern. Von den Virologen wissen wir, dass jedes Virus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mutiert. Das ist ein weiterer Grund, warum wir die Infektionszahlen niedrig halten müssen: Je weniger Viren unterwegs sind, desto geringer ist mathematisch die Wahrscheinlichkeit von Mutationen. Ganz konkret für uns heißt das, dass wir nicht nachlassen dürfen, vorsichtig zu bleiben, auch wenn es uns noch so schwerfällt.

    Berchtesgaden leuchtet auf dem RKI-Dashboard nach wie vor rot auf. Besteht bei Ihnen die Sorge, dass die Zahlen dann wieder nach oben schießen, wenn es zu Lockerungen kommt?

    Kaniber: Aktuell gibt es über 50 Landkreise, die höhere Zahlen als der Landkreis Berchtesgadener Land haben. Das macht die Lage bei uns noch nicht gut. Aber wir standen mal im Fokus bundesweiter Medien und haben es mit Vorsicht und Disziplin geschafft, von diesem traurigen Spitzenplatz weg zu kommen. Unsere größte Motivation ist doch, dass wir bald auch wieder ein Stück mehr Normalität zurückgewinnen können. Aber ich halte nichts davon, wie manch andere immer wieder Hoffnungen zu schüren, die dann enttäuscht werden müssen. Dafür bekommen diese vielleicht kurzfristig Beifall, aber es zermürbt alle auf Dauer. Deshalb ist so ein Verhalten nicht verantwortungsvoll.

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