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München: Die ersten Mieter schlagen zurück - und klagen gegen drastische Mieterhöhung

München

Die ersten Mieter schlagen zurück - und klagen gegen drastische Mieterhöhung

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    Das Hohenzollernkarree im Münchner Stadtteil Schwabing. Nach einer Modernisierungsankündigung des Eigentümers sollen die Mieten dort drastisch steigen, teils um das Doppelte.
    Das Hohenzollernkarree im Münchner Stadtteil Schwabing. Nach einer Modernisierungsankündigung des Eigentümers sollen die Mieten dort drastisch steigen, teils um das Doppelte. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Für Otto und Karin H. ist es ein Schock nach Weihnachten. In dem Brief des Vermieters, den ein Bote am 27. Dezember 2018 bringt, steht, dass sie sich darauf einstellen müssen, künftig für ihre Schwabinger Wohnung 1492 statt 763 Euro Kaltmiete zu zahlen. Das Ehepaar H. ist über 80 und wohnt seit fast 60 Jahren im sogenannten Hohenzollernkarree. Eine doppelt so hohe Miete für ihre 77-Quadratmeter-Wohnung könnten sich die Rentner nicht leisten. Sie fürchten, in ihrem hohen Alter umziehen zu müssen. Doch jetzt schöpfen sie Hoffnung.

    Der Münchner Mieterverein hat für das Ehepaar H. und Dutzende weitere Mieter der Anlage eine Musterklage beim Oberlandesgericht (OLG) gegen die horrende Mieterhöhung eingereicht. Nach Angaben des Vereins ist es die erste Klage dieser Art im Mietrecht in Deutschland. Damit wird juristisches Neuland im Kampf gegen immer weiter steigende Mieten betreten. Wenn schon Mietpreisbremse und Baukindergeld nicht wirken – können dann Gerichte den Mieten-Wahnsinn stoppen?

    Es ist die erste Musterklage im Mietrecht

    Im Schwabinger Fall geht es um Folgendes: Das Hohenzollernkarree mit 230 Wohnungen gehört der Max-Emanuel Immobilien GmbH. Sie hat die große Anlage 2016 von der Augsburger Patrizia AG gekauft. In dem 24-seitigen Schreiben von Weihnachten kündigt die Hausinhaberin eine Modernisierung an, unter anderem mit Wärmedämmung, einem Austausch der Fenster und Wohnungseingangstüren und Balkonanbauten. So begründet die Firma die deftige Mieterhöhung.

    Doch nach Angaben des Mietervereins soll die Modernisierung erst in zwei Jahren umgesetzt werden. Der Grund für das Schreiben kurz vor Jahresende ist nach Ansicht der Mieterschützer ein ganz anderer: Mit einer Änderung der Rechtslage zum Jahresbeginn darf nur noch ein geringerer Teil der Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden – nämlich jährlich acht Prozent. Und, noch wichtiger: Es gibt jetzt eine Obergrenze von höchstens drei Euro pro Quadratmeter.

    Der Mieterverein ist überzeugt, dass es um Abzocke geht

    Der Verein ist überzeugt, dass es hier um Abzocke gehen soll. „Wir gehen davon aus, dass das Unternehmen kurz vor Änderung der Rechtslage gerade noch ,altes Recht’ abgreifen wollte“, sagt Volker Rastätter, Geschäftsführer des Mietervereins. Der Abstand zwischen der Ankündigung und dem Beginn der Maßnahme sei viel zu groß. Das Immobilien-Unternehmen wehrt sich gegen die Vorwürfe.

    Im Hohenzollernkarree macht die Frage, welches Recht angewendet wird, einen gewaltigen Unterschied. Wäre die Modernisierungsankündigung nach altem Recht gültig, würde sich die Miete im Fall des Ehepaars H. um 729 Euro im Monat erhöhen. Nach neuem Recht wäre laut Mieterverein eine maximale Erhöhung von 230 Euro möglich. Jurist Rastätter ist sicher, dass für die Modernisierung des Hohenzollernkarrees neues Recht gelten muss. „Das wollen wir mit der Musterfeststellungsklage klären“, betont er.

    Otto und Karin H. in ihrer Schwabinger Wohnung. Nach der Ankündigung einer drastischen Mieterhöhung hat das Ehepaar Angst, im hohen Alter ausziehen zu müssen. 
    Otto und Karin H. in ihrer Schwabinger Wohnung. Nach der Ankündigung einer drastischen Mieterhöhung hat das Ehepaar Angst, im hohen Alter ausziehen zu müssen.  Foto: Philipp Gülland, DMB Mieterverein München, dpa

    Diese Verbraucherklagen mit dem sperrigen Namen sind neu in Deutschland. Es gibt sie erst seit November 2018. Bekannt wurde die Musterfeststellungsklage im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal. Sie soll die Rechte Einzelner gegenüber großen Konzernen stärken. Einreichen können solche Klagen Verbände wie der Mieterverein oder die Verbraucherzentrale. Innerhalb von zwei Monaten müssen sich mindestens 50 Betroffene der Klage anschließen, indem sie sich kostenlos in ein Klageregister eintragen lassen. Die Musterklage reduziert das Risiko, einen Prozess zu verlieren. Weist ein Gericht die Musterklage ab, kann sich der Betroffene eine eigene Klage sparen. Hat sie Erfolg, wird wahrscheinlich auch ein Einzelner vor Gericht Recht bekommen.

    Der Mieterverein plant schon eine Klage gegen Vonovia

    Doch ein probates juristisches Mittel gegen immer höher steigende Mieten ist die Musterklage wohl nicht. Denn die Fälle in so einer Klage müssen identisch sein. Das geht nur bei größeren Anlagen wie dem Hohenzollernkarree, ansonsten finden sich keine 50 Betroffenen. Umgekehrt: Wenn in einem Stadtviertel etliche Hausbesitzer die Miete hochschrauben, sind das alles individuelle Fälle – unbrauchbar für eine Musterklage. „Die eignet sich vor allem bei einer Modernisierungsankündigung, bei einer Kündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung oder bei zweifelhaften Nebenkostenabrechnungen“, sagt Mietervereins-Geschäftsführer Rastätter. „Ein pauschales Mittel gegen den Mietwahnsinn ist sie nicht.“

    Dennoch plant der Münchner Verein schon die nächste Musterklage. Sie wird sich gegen den größten deutschen Wohnungskonzern Vonovia richten. Grund: In ganz Deutschland gibt es Beschwerden über angebliche Ungereimtheiten bei den Nebenkostenabrechnungen. Die Mieter glauben, es stecke ein System dahinter. „Gemeinsam mit anderen deutschen Mietervereinen prüfen wir gerade, welche Wohnanlage sich am besten für eine Musterklage eignet“, berichtet Rastätter. Ein Mittel, Wohnungskonzerne einzubremsen, könnte die Musterklage also schon sein.

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