Schlussphase im NSU-Prozess: Wohlleben kämpft, Zschäpe lacht
Der NSU-Prozess geht in die Schlussphase. Es könnte die letzte Chance für die Angeklagten sein, für milde Strafen zu kämpfen. Einer tut das auch. Zschäpe dagegen gibt Rätsel auf.
Wann, wenn nicht jetzt? Die Beweisaufnahme im Münchner NSU-Prozess geht dem Ende zu, und zwei der Angeklagten müssen mit hohen Haftstrafen rechnen - Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben. Sie muss sich als mutmaßliche Mittäterin für die zehn Morde des terroristischen "Nationalsozialistischen Untergrund" verantworten, er als "steuernde Zentralfigur" im Hintergrund und mutmaßlicher Waffenbeschaffer. Beiden läuft die Zeit weg.
Zweieinhalb Jahre dauert jetzt die Beweisaufnahme, und inzwischen beschäftigt sich das Gericht mehr und mehr damit, letzte Anträge und Asservate abzuarbeiten. Wollen Zschäpe und Wohlleben harte Urteile abwenden, dann müssen sie die Richter jetzt überzeugen.
Erstaunlich ist darum, dass sich beide Angeklagte und ihre Verteidiger ganz unterschiedlich verhalten. Zschäpe und ihr neuer Rechtsbeistand Mathias Grasel beteiligen sich praktisch gar nicht am Prozessgeschehen. Wohllebens Verteidigung dagegen kämpft. Seit einigen Wochen versuchen seine Anwälte immer nachdrücklicher, mit neuen Beweisanträgen und teils scharfen Auftritten die Vorwürfe gegen ihn zu zerstreuen.
Einer seiner Verteidiger, Olaf Klemke, hat sich inzwischen einen Ruf als bissiger und akribischer Jurist erworben. Die Zusammenarbeit mit seinen beiden Verteidigerkollegen klappt augenscheinlich reibungslos. Neben Klemke wird Wohlleben von Nicole Schneiders vertreten, die als Studentin der NPD angehörte, und von Wolfram Nahrath, der die Wiking-Jugend anführte und 2000 zum Vorsitzenden des parteiinternen NPD-Schiedsgerichts gewählt wurde. Ideologisch dürften Wohlleben und seine Anwälte ähnlich ticken.
Beate Zschäpe muss nicht ihre Unschuld beweisen
Hartnäckig versucht Wohllebens Verteidigung vor allem, den Vorwurf zu erschüttern, ihr Mandant habe die Mordwaffe des NSU beschafft. Aktuell versuchen Klemke und Schneiders, Angehörige der Jenaer Halb- und Unterwelt als mögliche Drahtzieher ins Spiel zu bringen - nicht ganz ohne Erfolg. In einer aktuellen Ergänzung der Prozessakte findet sich eine Zeugenaussage, laut der zur fraglichen Zeit in Jena kein einziger Waffendeal ohne Wissen einer Mischszene aus Nazis und gewöhnlichen Kriminellen stattgefunden habe, angeführt von einem polizeibekannten Brüderpaar. Wohlleben habe mit denen nichts zu tun gehabt. Wohllebens Verteidiger zwingen das Gericht immer wieder, sich auf neue Akten und neue Zeugen einzulassen.
Ganz anders dagegen das Bild der Zschäpe-Verteidigung. Zschäpes ursprüngliche drei Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm halten eisen an ihrer Schweigestrategie fest. Der Gedanke dahinter: Nicht Zschäpe muss ihre Unschuld beweisen, sondern die Bundesanwaltschaft ihre Schuld.
Gelegentlich greift meist Anwalt Stahl in die Vernehmung von Zeugen ein, wenn sich eine Chance bietet, einen Anklagevorwurf zu relativieren. Vergangene Woche sah man ihn freudig den Arm hochreißen. Da hatte das Gericht einen Beweisantrag abgelehnt, in dem es um den Kauf von Benzin ging. Ein Nebenkläger wollte beweisen, dass Zschäpe damit die Fluchtwohnung in Brand setzte. Das war am 4. November 2011, dem Tag, an dem der NSU aufflog, fast genau vor vier Jahren. Der Richter betonte, der Treibstoff habe auch beschafft werden können, um den Tank eines Autos zu füllen. Stahl bat sogleich um schriftliche Ausfertigung des Beschlusses.
Heer, Stahl und Sturm lauern auf solche Gelegenheiten, aber sie greifen nicht mit eigenen Anträgen ein. Mit Zschäpe, da sind sich die Beteiligten einig, stimmen sich die drei Anwälte nicht mehr ab. Die Angeklagte redet offensichtlich nur noch mit ihrem neuen Anwalt Grasel. Und sie zeigte sich während der letzten Prozesstage auffallend gut gelaunt. Immer wieder blätterte sie in Unterlagen, die Grasel ihr in einem roten Pappdeckel reichte. Das Gerücht, sie plane eine Aussage, hält sich hartnäckig, bestätigen lässt es sich bisher nicht. Von Christoph Lemmer, dpa
Die Diskussion ist geschlossen.