Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Millionenbetrug: Prozess in München: Wenn Online-Dating zur teuren Falle wird

Millionenbetrug

Prozess in München: Wenn Online-Dating zur teuren Falle wird

    • |
    Beim „Love Scamming“ erschleichen sich Betrüger zumeist über das Internet das Vertrauen von partnersuchenden Menschen und gelangen so nach und nach an deren Erspartes.
    Beim „Love Scamming“ erschleichen sich Betrüger zumeist über das Internet das Vertrauen von partnersuchenden Menschen und gelangen so nach und nach an deren Erspartes. Foto: Gollnow, dpa

    Er muss ein interessanter Mann gewesen sein, dieser Thomas Stabler. Soldat bei der amerikanischen Armee, eloquent, schwerreich und auf der Suche nach Liebe. So präsentierte er sich jedenfalls auf einer Online-Partnerbörse für „kultivierte und gebildete Singles“, wie diese sich selbst bewirbt. Dort lernte Thomas Stabler im Februar 2016 Caroline von F.* kennen.

    Online-Dating-Betrug: Der angebliche Soldat versprach seinem Opfer Diamanten

    Die Frau mit adeligem Namen und Wohnsitz in Starnberg war offenbar hin und weg von dem neuen Mann in ihrem Leben. Er zog sie in seinen Bann, gewann per Kurznachrichten, E-Mails und Telefongesprächen innerhalb weniger Wochen ihr Vertrauen und versprach ihr Diamanten, wenn er sie besuchen komme. Weil es allerdings nicht ganz so einfach sei, die Edelsteine nach Bayern zu bekommen, benötige er ihre Hilfe. Finanzieller Art. Die offenkundig nicht unwohlhabende Caroline von F. willigte ein. Mehr als 380.000 Euro ließ sie ihrer bis dahin ausschließlich virtuellen Liebschaft auf unterschiedlichen Wegen zukommen. Nach einem halben Jahr traf sie sich in einem Münchner Luxushotel mit einem vermeintlichen Rechtsanwalt und einem Sicherheitsmann, um 128.000 Euro in bar zu übergeben.

    An diesem Donnerstag saßen die beiden Männer nebeneinander auf der Anklagebank des Landgerichts in München. Denn statt die große Liebe im Internet gefunden zu haben, war Caroline von F. auf dreiste Betrüger hereingefallen. Thomas Stabler war ein Phantom. Es gab ihn nie. Dafür eine ganze Bande von Personen, die sich auf diversen Dating-Portalen und sozialen Netzwerken gerne als US-Soldaten, reiche Geschäftsmänner oder einsame Frauen auf Partnersuche ausgaben. Sie nannten sich Thomas Stabler, Danny Barrister, Ruth Boateng oder Alice Moyer. Gemein war ihnen allen eine plötzlich auftretende Geldnot und die Hoffnung, diese von ihren Internet-Bekanntschaften lösen zu lassen.

    Die Betrüger sollen durch Love-Scamming mindestens eine Million Euro erbeutet haben

    Mit dieser Masche, auch „Love Scamming“ (zu Deutsch: Liebesbetrug) genannt, waren die Betrüger äußerst erfolgreich. Allein die beiden genannten Männer und ein weiterer Komplize sollen auf diese Weise Männer und Frauen um insgesamt mindestens eine Million Euro erschlichen haben. Caroline von F. ist das Opfer, das am meisten Geld verloren hat. Die anderen kamen aus der Schweiz, Großbritannien, den USA oder auch Neu-Ulm. Hier wurde ein Mann mit Doktortitel für den Kauf eines Sportwagens nach Dortmund gelockt, wo ihm schließlich eine Frau vorgestellt wurde. Sie lernten sich kennen und gingen eine Liebesbeziehung ein, bis auch „Mary“ plötzlich um Geld bat. 2000 Euro überwies der Neu-Ulmer, ehe ihm das Ganze komisch vorkam und er den Geldhahn zudrehte. Er war derselben Bande aufgesessen wie Caroline von F. aus Starnberg.

    Fälle wie diese sind auch in Schwaben keine Seltenheit. Bei der Kriminalpolizei in Augsburg meldeten sich in den vergangenen zwei Jahren rund 20 Opfer. „Wir schätzen, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist. Weil sie sich schämen, melden viele Leute den Betrug nicht der Polizei“, sagt Stefan Faller vom Polizeipräsidium Schwaben Nord. Ähnlich klingt es im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West. Ein Beispiel ist Jürgen Salzmann von der Kriminalpolizei besonders in Erinnerung geblieben. Erst diesen Sommer habe eine 63 Jahre alte Frau Anzeige erstattet. Über zwei Jahre hinweg habe sie einem im Internet kennengelernten Mann 250.000 Euro überwiesen. Das erste Mal sei er auf einer Reise krank geworden und habe die Operationskosten nicht bezahlen können. Dann habe er Goldbarren geerbt und für deren Überführung Geld benötigt. Und so weiter. „Der intelligente Verbrecher von heute überfällt keine Bank mehr, sondern macht seine Betrügereien über das Internet und soziale Medien“, sagt Polizist Salzmann. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem die Opfer ihr Geld zurückbekommen hätten.

    Die Spuren der Betrüger verlieren sich oft in den Weiten des Internets

    Denn die Aufklärung der Fälle gestaltet sich meist schwierig. In den Weiten des Internets verlieren sich die Spuren leicht in gefälschten Profilen, gestohlenen Identitäten und Bankkonten in aller Herren Länder. Im Fall von Caroline von F. gelang es den Ermittlern, immerhin in 17 Fällen einige Zusammenhänge aufzudecken und die Taten einzelnen Personen zuzuordnen. Seit Donnerstag müssen sich daher die drei dunkelhäutigen Männer – ein deutscher Sozialhelfer, 26 Jahre alt, ein ghanaischer Geschäftsmann und Musiker, 25, sowie ein nigerianischer Hilfsarbeiter bei einem bayerischen Autohersteller, 52 – wegen gewerbsmäßigen Betrugs vor dem Landgericht verantworten. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu viereinhalb Jahren. Zwei haben bereits ein Geständnis abgelegt.

    In den kommenden Wochen werden einige der Opfer als Zeugen aussagen und erklären müssen, wie es den fiktiven Liebhabern gelang, ihnen tausende Euro abzuluchsen. So auch Caroline von F. aus Starnberg. Sie wird im Gerichtssaal erstmals Thomas Stabler gegenübersitzen – beziehungsweise den Männern, die sich hinter dem im Internet geklauten Foto eines US-Soldaten versteckt hatten. *Name geändert

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden