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Aschaffenburg: Prozess nach 30 Jahren: Vergewaltigt und lebendig begraben

Aschaffenburg

Prozess nach 30 Jahren: Vergewaltigt und lebendig begraben

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    Der Täter wird in den Gerichtssaal geführt. Er gestand die Vergewaltigung, leugnet aber die Tötungsabsicht.
    Der Täter wird in den Gerichtssaal geführt. Er gestand die Vergewaltigung, leugnet aber die Tötungsabsicht. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Geständnis nach 30 Jahren: Seit Dienstag steht Jürgen R. in Aschaffenburg vor Gericht. Im Januar des Jahres 1988 soll er einer junge Frau bedroht und in sein Auto gezwungen haben, um mit ihr in den Wald zu fahren. Dort habe er sie zwei Stunden lang vergewaltigt und mit Stichen schwer verletzt; danach unter Laub lebendig vergraben und nackt im Wald zurückgelassen. Das gibt Jürgen R. zu. Die Tötungsabsicht bestreitet er aber. Genau das wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, sie geht von versuchtem Mord aus.

    Spektakuläre Fälle: Jahrzehnte nach der Tat gefasst

    Fingerabdrücke, DNA-Analyse, schlechtes Gewissen manche Mordfälle werden erst lange nach der Tat aufgeklärt.

    August 2011: Fast elf Jahre nach dem Mord an einem Jungen in Weil im Schönbuch (Kreis Böblingen) nimmt die Polizei den mutmaßlichen Mörder fest. Der 47-Jährige soll den elfjährigen Schüler Tobias D. erstochen haben. Die Ermittler kamen ihm bei Recherchen zu Kinderpornografie im Internet auf die Spur. Eine DNA-Analyse bestätigte den Verdacht.

    April 2011: 27 Jahre nach dem Mord an einer Anhalterin aus Schleswig-Holstein fasst die Polizei einen Verdächtigen. Der damals 37-jährige Familienvater soll die 15-Jährige erdrosselt haben. Genetische Spuren hatten die Ermittler zu dem Mann geführt.

    März 2011: Mehr als 25 Jahre nach dem Raubmord an einer Münchner Verkäuferin wird ein damals 23-Jähriger wegen Mordes angeklagt. Ein Fingerabdruck hatte die Ermittlungsgruppe «Altfälle» nach einer neuerlichen Auswertung auf die Spur des Mannes geführt.

    Januar 2011: Fast 15 Jahre nach dem Raubmord an einer Rentnerin in Mittelhessen werden die Täter zu langen Haftstrafen verurteilt. Die heute 38- und 39-Jährigen erbeuteten nur 70 Mark. Ein neuer Zeugenhinweis hatte den Verdacht gegen die polizeibekannten Männer erhärtet.

    Oktober 2010: Von Gewissensbissen geplagt, stellt sich 15 Jahre nach dem gewaltsamen Tod eines Taxifahrers der 34-jährige Täter der Polizei. Er gesteht, den Mann im Streit in Wusterwitz (Brandenburg) erstochen zu haben. Seitdem lebte er unauffällig in Euskirchen (NRW).

    März 2010: Fast 30 Jahre nach der spektakulären Entführung und dem Tod der kleinen Ursula aus Oberbayern muss der Täter lebenslang in Haft. Er hatte das Kind in einer Kiste vergraben, um Lösegeld zu erpressen. Das Mädchen erstickte.

    Das Urteil in dem langwierigen Indizienprozess stützte sich vor allem auf ein Tonbandgerät, das bei den Erpresseranrufen abgespielt wurde.

    Aschaffenburg: Nach 30 Jahren beginnt der Prozess

    Überhaupt leugnet Jürgen R. sich an das zu erinnern, was nach den Misshandlungen passiert ist. Nach Aussage der Frau, habe er sie nackt mit einem Schal über den Augen und an den Händen gefesselt aus dem Auto gezwungen und auf sie eingestochen, bis sie zusammenbrach. Mit einem Tritt soll er dann überprüft haben, ob sein Opfer noch lebt, um die Frau dann lebendig zu begraben.

    Vor Gericht spricht er von einem "Filmriss", den er auf seinen Alkoholkonsum zurückführt. Doch das damalige Opfer sagt aus, dass es nicht den Eindruck gehabt habe, dass er durch den Alkohol benebelt gewesen sei. "Er hat nur danach gerochen", sagt die Frau. Die Mischung aus Zigarettenrauch, Alkohol und ungewaschenem Körper könne sie bis heute nicht vergessen.

    Nach 30 Jahren überführt: Vor Gericht schweigt der Täter

    Die damals 22-Jährige überlebte und konnte sich aus dem Wald zu einer Straße schleppen, wo ein Autofahrer sie fand und zum Krankenhaus brachte. Eine Not-OP rettete ihr das Leben.  Als er damals seine Wohnung verließ, habe er gewusst: Jetzt wird was Schlimmes passieren. Das liest sein Anwalt in einer Stellungnahme vor. Jürgen R. schweigt während des ersten Verhandlungstages meist.

    Die Richter stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Der Tatbestand der Vergewaltigung ist nach 30 Jahren verjährt. Aber kann der Täter wegen versuchtem Mordes verurteilt werden?
    Die Richter stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Der Tatbestand der Vergewaltigung ist nach 30 Jahren verjährt. Aber kann der Täter wegen versuchtem Mordes verurteilt werden? Foto: Nicolas Armer, dpa

    Es dauert fast 30 Jahre, bis Jürgen R. gefasst wird. Dann überprüft die Kriminalpolizei den "Cold Case", den ungeklärten Fall, erneut. Es ist die DNA der Spur 2.45.44, die den Täter überführt: Sie stammt von der Rückbank des Autos, in dem die Frau vergewaltigt wurde. In der DNA-Datenbank wird der mehrfach vorbestrafte Jürgen R. geführt, weil ihn seine Ehefrau wegen Vergewaltigung anzeigte. Weitere sechs Verhandlungstage sind angesetzt. Dann soll entschieden werden, ob Jürgen R. wegen versuchtem Mordes verurteilt werden kann. Denn eine Vergewaltigung ist 30 Jahre nach der Tat längst verjährt. (AZ)

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