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Silberdistel: Sie sind seit über 35 Jahren für Kinder und Familien da

Silberdistel

Sie sind seit über 35 Jahren für Kinder und Familien da

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    Seit über drei Jahrzehnten sind Marie-Luise und ihr Ehemann Franz Bischoffberger für Kinder und Familien in Lindenberg da. Auf Basis einer Hausaufgabenbetreuung bauten sie ein umfangreiches Angebot auf.
    Seit über drei Jahrzehnten sind Marie-Luise und ihr Ehemann Franz Bischoffberger für Kinder und Familien in Lindenberg da. Auf Basis einer Hausaufgabenbetreuung bauten sie ein umfangreiches Angebot auf. Foto: Ingrid Grohe

    Geduldig beobachtet Marie-Luise Bischoffberger, wie das blonde Mädchen die Fäden ihres Webteppichs verknotet. Dann hilft sie mit sicherem Handgriffen, das Prachtstück zu vollenden, während 200 Buben und Mädchen in der „Spielestadt“ für ordentlich Lärm sorgen. Mit Kindern zu werkeln ist für die 72-Jährige Freude und Routine zugleich. Seit es das Ferienprogramm des Kinderschutzbunds Lindenberg gibt, ist sie dabei – in diesem Jahr zum letzten Mal.

    Silberdistel: Ein Engagement, das gewürdigt gehört

    35 Jahre lang haben Marie-Luise Bischoffberger und ihr gleichaltriger Ehemann Franz einen Großteil ihrer freien Zeit dem Kinderschutzbund geopfert. Als Dreh- und Angelpunkt der Initiative war es vor allem ihr Verdienst, dass aus ehrenamtlicher Hausaufgabenbetreuung für Gastarbeiterkinder ein „Haus voller Angebote“ – so beschreibt sich die Einrichtung heute – wurde. Dieses Engagement würdigt unsere Zeitung mit der Silberdistel, einer Auszeichnung für besonderes bürgerschaftliches Engagement.

    Marie-Luise Bischoffberger besitzt ein feines Gespür dafür, was Familien brauchen. Sie selbst fand kaum Unterstützung, als sie mit ihrem Mann, der eine Lehrerstelle antrat, und zwei kleinen Kindern 1981 von München nach Lindenberg zog. Von neun bis halb zwölf hatte der Kindergarten geöffnet – an Berufstätigkeit war nicht zu denken. Also reagierte die gelernte Erzieherin auf eine Annonce des Kinderschutzbundes. Für Nachhilfe und Spielen mit Gastarbeiterkindern wurden Helfer gesucht. Dorthin konnte sie Sohn und Tochter mitnehmen.

    Für Familien und Kinder dazusein, ist ihr seither eine Selbstverständlichkeit. Maria-Luise Bischoffberger hat am Notfalltelefon verzweifelten Frauen geholfen, sie hat aufgebrachte Ehemänner beruhigt oder auch mal Kinder in Krisensituationen mit heim genommen. „Wo Krisen offensichtlich werden, steckt oft Hilflosigkeit dahinter“, sagt sie. Darum komme alles, was Eltern entlastet, den Kindern zugute. Das können Elterngespräche sein oder Bastelstunden, Gruppen für Mädchen, Schuldnerberatung, Elternkurse, Finanzspritzen und die Vermittlung von Leihopas und Tagesmüttern.

    Franz Bischoffberger agierte lieber im Hintergrund

    All das und noch viel mehr findet sich heute im Portfolio des Kinderschutzbundes Lindenberg, den Marie-Luise Bischoffberger viele Jahre als Vereinsvorsitzende leitete und später als Geschäftsführerin organisierte. Immer wieder regte sie neue Angebote an, startete Fortbildungen für Ehrenamtliche und drängte auf das Einbeziehen von Profis. „Sie ist unsere Visionärin“, sagt Visnja Witsch, ihre Nachfolgerin in der Geschäftsführung.

    „Tue Gutes und rede darüber.“ Diese Losung gaben Marie-Luise und Franz Bischoffberger für den Kinderschutzbund heraus. Auf sich selbst wenden sie ihn nicht gern an. Still und wirkungsvoll packt Franz Bischoffberger im Hintergrund an: als Fahrer, (Sach-)Spendensammler und Hausmeister. Im Vorstand achtete er als Kassier auf die nachhaltige Verwendung der knappen Mittel, während seiner Frau die Vernetzung mit Behörden, Beratungsstellen und Kommunen wichtig ist. Dank ihrer ist Supervision für die Mitarbeiterinnen heute selbstverständlich. Diese schwärmen vom „motivierenden Wohlwollen“, mit denen Marie-Luise Bischoffberger genau erkenne, wo sich wer am besten einbringt.

    Die eigenen Kinder Florian und Stefanie sind mit dem Engagement der Eltern groß geworden. Sie haben die türkischen und italienischen Buben und Mädchen beim Spielenachmittag ebenso akzeptiert wie Kinder, die überraschend mit am Esstisch saßen.

    Anfangs war der Kinderschutzbund stigmatisiert

    Manchmal wurde ihnen der soziale Antrieb auch zu viel. Lächelnd erinnern sich die Eheleute an einen Vorwurf des damals 14-jährigen Florian: „Ich hab die blödsten Eltern der Welt. Mein Vater ist Lehrer und meine Mutter beim Kinderschutzbund.“ Heute unterstützt er den Verein als Sponsor.

    17 Frauen und Männer gründeten 1977 den Kinderschutzbund, heute setzen elf Angestellte, 200 ehrenamtlich engagierte Erwachsene und 70 Schüler gemeinsam die Projekte um. Die Entwicklung vollzog sich Schritt für Schritt – und immer entsprechend dem Bedarf. Beispiel: „Als wir gemerkt haben, dass viele Familien nach gebrauchten Kinderkleidern suchen, haben wir den Kleiderladen eröffnet“, erzählt Franz Bischoffberger. Wobei der „Laden“ im Jahr 1986 aus einem fünftürigen Kleiderschrank bestand. Nach mehreren Umzügen füllen die gespendeten Waren jetzt ein 300-Quadratmeter-Geschäft.

    Mit diesem Laden ist der Kinderschutzbund in der Stadtmitte angekommen – und zwar nicht nur räumlich. Denn breite Akzeptanz erfuhr der Verein nur allmählich. „Früher galt es als Stigma, zum Kinderschutzbund zu gehen“, sagt Marie-Luise Bischoffberger. Mit dem Namenszusatz „Lobby für Kinder“ und Angeboten wie Kinderkino, Töpfern und Spieletreff überzeugte der Verein immer mehr Lindenberger. „Der Durchbruch kam mit dem Ferienprogramm“, sagt Franz Bischoffberger. „Da hat man uns gesehen und gemerkt: Die sind ja ganz normal.“

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