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Oktoberfest 2017: So arbeiten Taschendiebfahnder auf dem Oktoberfest

Oktoberfest 2017

So arbeiten Taschendiebfahnder auf dem Oktoberfest

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    Menschenmassen wirken anziehend – auch auf Kriminelle. Deswegen sind auf dem Münchner Oktoberfest zahlreiche Taschendiebfahnder unterwegs.
    Menschenmassen wirken anziehend – auch auf Kriminelle. Deswegen sind auf dem Münchner Oktoberfest zahlreiche Taschendiebfahnder unterwegs. Foto: Balk, dpa

    Unbeachtet steht eine Handtasche am Bierzeltboden, scheinbar zufällig fällt daneben eine Jacke herunter. Ein Wiesn-Gast hebt das Kleidungsstück auf und will sich aus dem Staub machen – doch er hat die Rechnung ohne die Taschendiebfahnder gemacht. Als die Polizisten die Jacke durchsuchen, finden sie darin Handy, Geldbeutel und Schlüssel, außerdem hat der vermeintliche Gast die Handtasche in der Jacke eingewickelt.

    Fälle wie diesen sehen die Fahnder auf der Wiesn jeden Tag. Dort sind Spezialisten aus sechs Ländern im Einsatz – neben Deutschland kommen sie aus der Schweiz, Spanien, Österreich, den Niederlanden und Ungarn, um ihre Kollegen bei der Großveranstaltung zu unterstützen. Auch aus drei deutschen Großstädten reist Verstärkung an: Polizisten aus Berlin, Frankfurt und Köln helfen dabei, Taschendiebe aus aller Welt auf frischer Tat zu ertappen. An ihrer Spitze steht Andreas Mittermeier, Leiter der Taschendiebfahndung in München.

    Es verschwinden mehr Kleidungsstücke, aber weniger Taschen

    Seit 14 Jahren streift er über das Oktoberfestgelände, mischt sich unter die Gäste und beobachtet vor allem diejenigen genau, die sich anders verhalten als der durchschnittliche Wiesn-Besucher. Die Haltung der Taschendiebe sei „wie beim Schwammerlsuchen“, sagt er – denn während das Partyvolk an den Tischen sitzt, auf den Bänken steht oder den Bedienungen zuwinkt, seien die Diebe auffällig auf den Zeltboden fixiert. Das Vorgehen sei immer ziemlich ähnlich, erklärt Mittermeier. Doch die Art der Beute habe sich seit dem vergangenen Jahr geändert: Weil auf der Wiesn nur noch kleine Taschen erlaubt sind, verstauen auch Frauen ihre Wertsachen häufiger in ihren Jacken. Das haben die Diebe bemerkt, weshalb nun mehr Kleidungsstücke, aber weniger Taschen verschwinden.

    Insgesamt wird auf dem Oktoberfest aber weniger gestohlen als vor einigen Jahren. Mittermeier führt das auf die zahlreichen Sicherheitskräfte zurück, die auf dem Gelände im Einsatz sind. In der Statistik macht sich das gut, doch für den Fahnder leidet die Freiheit auf dem Oktoberfest darunter: „Das Erscheinungsbild der Wiesn hat sich in den letzten Jahren sehr zum Negativen verändert“, findet er.

    Von A wie Anstich bis Z wie Zapfenstreich: Das Wiesn-ABC

    A wie Anstich: Um Punkt zwölf Uhr sticht der Münchner Oberbürgermeister am ersten Wiesn-Samstag in der Anzapfboxe im Schottenhamel-Zelt das erste Fass an und ruft: "O'zapft is!"

    B wie Bier und Brezn: Bilden eine Art Corporate Identity des Festes. Kein Wiesn-Plakat kommt ohne Bilder von Brezn und Bierkrügen aus.

    C wie Camping: Ein Hotspot ist während des Festes der Campingplatz in Thalkirchen. Vorzugsweise Australier leben dort in Zelten. In Campern kommen die Italiener, sie parken gern nah am Festgelände. Mancher stand nach dem Bierzeltbesuch schon ohne Schlafplatz da - abgeschleppt.

    D wie Dirndl: Gibt es billig rund ums Festgelände. Mit Landhausmode hatte der Trachtenhype begonnen und über untraditionelle Minidirndl zuletzt zu einem etwas gehobeneren Stil geführt. Insider meinen allerdings: Die Pracht der Tracht verblasst langsam wieder.

    E wie Essen: Wagenladungen davon werden verzehrt. Mehr als hundert Ochsen, fast 60 Kälber, gut 360.000 Hendl und mehr als 28 Tonnen gebrannte Mandeln verspeisten hungrige Gäste 2016.

    F wie Flirten: Flirten gehört zur Wiesn wie Brezn, Bier und Blasmusik. 

    G wie Gspusi: Klappt es mit dem Flirten, hat man - für mindestens einen Abend - ein Gspusi.

    H wie Hügel: Im Winter fahren Kinder mit dem Schlitten hinunter, zur Wiesn-Zeit geht es auf dem Hügel hinter den Zelten nicht gerade jugendfrei zu. Paare kommen sich näher, Wiesngäste erleichtern ihre Blase oder ihren Magen, manche schlafen dort ihren Rausch aus. Mit den verstärkten Kontrollen ist hier allerdings mehr Ordnung eingekehrt.

    I wie Italiener-Wochenende: Das mittlere der drei Wiesn-Wochenenden gilt traditionell als besucherstärkstes - und Zehntausende italienische Gäste tragen ihren Teil dazu bei.

    J  wie Jubel: Er brandet auf, wenn der Oberbürgermeister das erste Fass angezapft hat und das Bier endlich in Strömen fließt.

    K wie Käferzelt: Hier knutschten die Effenbergs, und zum traditionellen Wiesn-Besuch des FC Bayern bringen die Spieler ihre Frauen mit. Das nach der Wirtsfamilie Käfer benannte Zelt am Ende der Bierstraße ist nobel und das Promi-Zelt Nummer eins.

    L wie Lebkuchenherz: Spatzl, Mausi oder der schlichte "Gruß vom Oktoberfest" - wer ohne Lebkuchenherz von der Wiesn nach Hause geht, ist selbst schuld.

    M wie Maß: Die Maß ist weiblich und sie wird mit kurzem a und scharfem s gesprochen. Wer "ein Maaaß Bier" bestellt, outet sich sofort als Zugroaster. 6,6 Millionen Maß tranken die Gäste 2016. Die Preise für eine Maß liegen in diesem Jahr, je nach Festzelt, zwischen 10,60 Euro und 10,95 Euro.

    N wie Noagerl: Der unappetitliche Rest in der Maß heißt Noagerl und teilt die Welt in drei Typen von Trinkern: Die, die auf den letzten Schluck verzichten, die, die ihn trinken, und die, die ihn gleich in die nächste Maß kippen.

    O wie Öffnungszeit: Kompliziert. Ab 9.00 Uhr dürfen Gäste aufs Festgelände. Der Bierausschank beginnt an Wochenenden um 9.00, unter der Woche um 10.00 Uhr. Fahrgeschäfte sperren um 10.00 Uhr auf. Schluss mit Musik und Bier ist je nach Zelt zwischen 22.30 Uhr und 0.30 Uhr, bei den Schaustellern endet der Betreib zwischen 23.30 und 24.00 Uhr.

    P wie Prosit der Gemütlichkeit: Es ist der Wiesn-Gassenhauer schlechthin. Wenn er ertönt, heißt es: Hoch die Krüge und gsuffa. 

    Q wie Quiz: Sind Sie fit für die Wiesn? Sprechen Sie Bayerisch? Vor dem Fest kursieren allerlei Fragebögen, wobei das Abschneiden bei den Tests keinerlei Konsequenz für den Wiesnbesuch hat.

    R wie Reservierung: Sie ist an sich kostenfrei, die meisten Zelte verlangen aber den Kauf von Verzehrgutscheinen, etwa für zwei Maß Bier und ein Hendl. Im Internet werden Reservierungen aber zu astronomischen Preisen gehandelt, 3000 bis 6000 Euro für einen Zehnertisch kann man loswerden.

    S wie Sicherheit: Alljährlich wird das Sicherheitskonzept angepasst. Seit 2016 sind Taschen und Rucksäcke mit mehr als drei Litern Volumen verboten. Das Festgelände ist mit einem Zaun rundum abgeschirmt. Ordner kontrollieren Besucher an den Eingängen. Zu den Neuerungen dieses Jahr zählt eine Lautsprecheranlage, um Gäste bei einem Alarm besser zu leiten.

    T wie Terrorsorgen: Sie erreichten die Wiesn 2009. Das Terrornetzwerk Al Kaida hatte in einem Drohvideo den Haupteingang des Volksfestes gezeigt. Poller und Betonsperren wurden damals als Schutz vor Angriffen mit Autos installiert. Damals allerdings dachte man an Autobomben. Heute gilt die Sorge auch Lastwagen ohne Sprengstoff.

    U wie Umsatz: Wer wie viel verdient auf der Wiesn, ist ein großes Geheimnis. Allerdings müssen die Wirte dieses Jahr ihre Umsätze gegenüber der Stadt offenlegen. Denn um die erhöhten Kosten für die Sicherheit zu finanzieren, werden sie mit einer Umsatzpacht zur Kasse gebeten.

    V wie Vollrausch: Auch wenn die Verantwortlichen immer wieder den traditionellen Charakter der Wiesn betonen: Für viele ist sie in erster Linie die größte Bierfest der Welt, das entsprechend oft im Vollrausch endet.

    W wie Weinzelt: Kaum zu glauben, aber nicht überall auf der Wiesn gibt es Bier aus Maßkrügen. Im Weinzelt trinkt man - wie der Name schon sagt - Wein. Aber nicht aus dem Maßkrug. Außerdem gibt es Weißbier.

    X wie xuffa: Nicht die gebräuchlichste Schreibweise. Aber wenn es zur Wiesn wieder heißt "oans, zwoa, drei...", dann kann der bierselige Münchner "gsuffa" rufen oder eben auch "xuffa". Rein grammatikalisch ist "xuffa" (oder "gsuffa") das Partizip Perfekt von "saufen". Faktisch ist es ein Imperativ und fordert auf, die Maß Bier krachend gegen eine andere zu donnern und einen tiefen Schluck zu nehmen.

    Y wie Yokohama und Yangon: Die Wiesn ist ein Exportschlager. Sogar in Yangon in Myanmar und in Yokohama in Japan gibt es ein Oktoberfest. 

    Z wie Zapfenstreich: Um 22.30 Uhr ist in den meisten großen Zelten Schluss: Ab dann gibt es kein Bier mehr. Die letzte Stunde verbringen die Ordnungskräfte vor allem damit, betrunkene Gäste aus den Zelten zu treiben. (dpa, sli)

    Immerhin, die professionellen Diebesbanden aus Osteuropa, die ihre Beutezüge vor einigen Jahren noch auf der Theresienwiese gemacht haben, kommen kaum noch. „Gerade die jüngeren Bandenmitglieder haben sich inzwischen auf Internetkriminalität spezialisiert, das ist viel risikoärmer“, sagt Mittermeier. Statt der Profis erwischen die Fahnder nun hauptsächlich junge Männer aus dem arabischsprachigen und nordafrikanischen Raum, sagt der 48-Jährige. „Die meisten von ihnen leben als Asylbewerber in Deutschland, das muss man leider so sagen.“ Auf der anderen Seite gebe es aber auch immer mal wieder Wiesn-Mitarbeiter, die der Versuchung nicht widerstehen können und in einem unbeobachteten Moment in fremde Taschen greifen.

    Wohl nur etwa jeder zehnte Diebstahl auf dem Oktoberfest wird bemerkt

    „Bei der Masse an Menschen sind ein paar schwarze Schafe nicht verwunderlich“, resümiert Mittermeier. Allerdings kann deren Handeln drastische Folgen haben, denn in Bayern werden Diebstähle hart bestraft. Zur Wiesnzeit sei man besonders streng, sagt Mittermeier – Gefängnisstrafen seien nicht selten. Den Fahndern aus dem Ausland gefalle diese Härte: „In Spanien ist ein Taschendiebstahl eine bessere Ordnungswidrigkeit“, erklärt der Münchner Polizist. Für seine internationalen Kollegen bedeute das in ihrer Heimat oft Sisyphus-Arbeit. Immer wieder fangen sie die gleichen Diebe, die jedes Mal mit einer geringen Geldbuße davonkommen, um kurz darauf wieder erwischt zu werden.

    Trotz der hohen Sicherheitsbestimmungen auf dem Oktoberfest ist sich Mittermeier sicher, dass nur etwa jeder zehnte Diebstahl tatsächlich bemerkt wird. Umso mehr wundert er sich darüber, dass von dem sichergestellten Diebesgut nur ein Bruchteil abgeholt wird. „Letztes Mal hatten wir 54 Smartphones“, sagt er. Abgeholt wurden gerade einmal zwei.

    Taschendiebfahnder Mittermeier von der Polizei in München rät, Taschen und Jacken im Bierzelt nicht an die Bänke zu binden oder auf den Boden zu legen. Am besten aufgehoben sind Wertsachen in Hosen- und Dirndltaschen.

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