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Staatsanwalt erschossen: Der Todesschütze von Dachau: "Eine tickende Zeitbombe"

Staatsanwalt erschossen

Der Todesschütze von Dachau: "Eine tickende Zeitbombe"

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    Der Todesschütze von Dachau schweigt weiter zu seiner schrecklichen Tat. Am Mittwoch hatte der 54-jährige Mann während einer Verhandlung einen 31-jährigen Staatsanwalt erschossen. Dachau steht seit der Tat unter Schock. Über den mutmaßlichen Täter ist bislang wenig bekannt. Derzeit wird er psychatrisch begutachtet.
    Der Todesschütze von Dachau schweigt weiter zu seiner schrecklichen Tat. Am Mittwoch hatte der 54-jährige Mann während einer Verhandlung einen 31-jährigen Staatsanwalt erschossen. Dachau steht seit der Tat unter Schock. Über den mutmaßlichen Täter ist bislang wenig bekannt. Derzeit wird er psychatrisch begutachtet. Foto: dpa

    Der Todesschütze von Dachau schweigt weiter zu seiner schrecklichen Tat. Am Mittwoch hatte der 54-jährige Mann während einer Verhandlung einen 31-jährigen Staatsanwalt erschossen. Dachau steht seit der Tat unter Schock. Über den mutmaßlichen Täter ist bislang wenig bekannt. Derzeit wird Rudolf U. psychatrisch begutachtet. "Wir haben aber bisher keine Hinweise auf psychatrische Leiden", sagte Oberstaatsanwältin Andrea Titz.

    "Sehr laut, poltrig und aggressiv"

    Nach Informationen unserer Zeitung hatte der der Todesschütze vor der Tat in einem Restaurant in der Nähe des Gerichts randaliert. "Er war sehr laut, poltrig und aggressiv", sagte die Restaurant-Leiterin der AZ. Der Mann habe sich auf Krücken bewegt. Sie habe ihm so eine Tat nicht zugetraut. Auf den Fotos der Festnahme sieht man einen untersetzten Mann mit Schnauzbart und grauen Haaren. Die "Abendzeitung" schreibt von zahlreichen Prozessen, die der Todesschütze in den vergangenen Jahren geführt haben soll und zitiert Bekannte, die den mutmaßlichen Täter als "tickende Zeitbombe" bezeichnen. 

    Staatsanwalt im Gericht in Dachau erschossen - Die Reaktionen

    «Er hatte ein ausgezeichnetes Examen und war ein hervorragender Kollege.» (Die Münchner Oberstaatsanwältin Andrea Titz über den erschossenen jungen Staatsanwalt)

    «Sozusagen in Geheimjustiz zu verhandeln, das wollen wir nicht, und diese Sicherheit werden wir nicht herstellen können.» (Generalstaatsanwalt Christoph Strötz im Bayerischen Rundfunk)

    «Es wird Zeit, dass endlich auch in den Amtsgerichten Sicherheitsschleusen aufgestellt werden.» (Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, im «Kölner Stadt-Anzeiger»).

    «Auch wir Verteidiger sitzen im Schussfeld.» (Der deutschlandweit tätige Strafverteidiger Harald Baumgärtl im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa)

    «Es herrscht ein breiter Konsens, dass wir aus den Gerichten keine Trutzburgen machen, uns nicht abschotten wollen.» (Bayerns Justizministerin Beate Merk, CSU, am Donnerstag - einen Tag nach dem Dachauer Mord an einem Staatsanwalt - zu Forderungen nach strengeren Sicherheitskontrollen in Justizgebäuden)

    Doch wer ist Rudolf U.? Nach einem Schlaganfall musste der korpulente 54-Jährige offenbar im Herbst 2008 sein Speditionsunternehmen aufgegeben. Seit 2009 läuft ein Insolvenzverfahren gegen die Firma. Ein halbes Jahr wohnte Rudolf U. in einem gewöhnlichen grauen Mietshaus, wegen des Schlaganfalls kann er nur kurze Strecken gehen und ist meist auf einen Rollstuhl angewiesen. Kurze Zeit soll er auch in einem Pflegeheim zugebracht haben.

    Niemand scheint Rudolf U. so richtig zu kennen

    Mit diesem Rollstuhl fährt er häufiger um den Block, erzählen Nachbarn dem Magazin "Stern". Niemand scheint den Todesschützen aber so richtig zu kennen. Der Münchner "tz" gegenüber sagen Nachbarn: "Er sah aus wie man sich einen typischen Lkw-Fahrer vorstellt - so ein Rockertyp." Offenbar ist Rudolf U. auf große Mengen an Tabletten angewiesen. Am Donnerstag holte die Polizei eine ganze Palette mit Medikamenten aus seiner Wohnung in Bergkirchen bei Dachau

    Tödliche Anschläge bei Gericht

    Die Sicherheitsvorkehrungen in Gerichten können blutige Angriffe nicht immer verhindern. Eine Auswahl spektakulärer Fälle:

    Juli 2009: Während einer Verhandlung am Dresdner Landgericht ersticht der Angeklagte eine als Zeugin geladene Ägypterin. Der Russland-Deutsche tötet die Frau aus Fremdenhass und muss lebenslang in Haft.

    April 2009: Im Landshuter Landgericht erschießt ein Mann seine Schwägerin und nimmt sich danach das Leben. Zwei weitere Menschen werden bei der Schießerei vor einem Sitzungssaal verletzt.

    Mai 1998: Ein 69-Jähriger erschießt aus Rache und Hass auf die Justiz einen 52 Jahre alten Amtsrichter in dessen Dienstzimmer in Essen. Dann tötet er sich selbst.

    Februar 1998: Ein Angeklagter schießt im Gerichtssaal in Aurich (Niedersachsen) einen Staatsanwalt an und erschießt sich selbst.

    März 1997: Ein 39-jähriger Polizist erschießt in einem Amtsgericht in Frankfurt/Main seine Ex-Lebensgefährtin und verletzt deren Anwältin schwer.

    Januar 1995: Ein 54-Jähriger schneidet einer Richterin im Kieler Amtsgericht die Kehle durch. Er hatte irrtümlich angenommen, sie sei für seine Sorgerechtsangelegenheit zuständig.

    März 1994: Im Gericht in Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) zündet ein 39-Jähriger einen Sprengsatz, da seine Ex-Freundin ihn wegen Körperverletzung verklagt hatte. Bilanz: sieben Tote, darunter die Frau, der Richter und der Täter selbst.

    März 1981: In Lübeck tötet eine 30 Jahre alte Gastwirtin während einer Verhandlung im Landgericht den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter.

    In der Stadt wurde offenbar viel über den unbekannten U. getuschelt. Junge Mädchen sprechen davon, dass er ihnen auf der Straße nachgefahren sei und "komisch geguckt" habe. Einer Nachbarin soll er erzählt haben, dass er 150.000 Euro im Lotto gewonnen hat. Angestellte seines Unternehmens berichten von seiner angeblichen Aggressivität im Job und cholerischen Schreianfällen in der Firma. Ein Bekannter des Todesschützen erklärt dies gegenüber der "Abendzeitung" so: "Er war eigentlich immer ein Netter, hat immer als Erstes einen Witz erzählt. Aber die vielen Schicksalsschläge und sein Pech vor Gericht haben ihn dazu gebracht, das zu tun, was er getan hat."

    "Ich hab's gewusst, dass da was passieren wird"

    Auch im Gerichtssaal fiel Rudolf U. als "verbal aggressiv, unruhig und gereizt" auf. Ein Justizbeamter sagte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung": "Ich hab's gewusst, dass da was passieren wird. Der hat sich in der Verhandlung schon aufgeführt und war völlig uneinsichtig. Er hat sogar seine eigene Anwältin angeplärrt." Nicht lange danach zog Rudolf U. seine FN Baby Browning und schoss. Das vorläufige Ende einer tragischen Geschichte. (bs)

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