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Tragödie: Tödliche Flucht übers Mittelmeer

Tragödie

Tödliche Flucht übers Mittelmeer

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    In kleinen Schlauchbooten wagen immer wieder Flüchtlinge die gefährliche Passage über das Mittelmeer.
    In kleinen Schlauchbooten wagen immer wieder Flüchtlinge die gefährliche Passage über das Mittelmeer. Foto: dpa, Ong Sos Mediterranee

    Sind die Angeklagten kleine oder große Fische im kriminellen internationalen Schleusermilieu? Mit dieser Frage muss sich seit Dienstag das Landgericht Traunstein befassen. Vor dem Schwurgericht stehen drei junge Männer aus Syrien, denen mehrere Schleuserfahrten vom türkischen Izmir über das Mittelmeer nach Griechenland vorgeworfen werden. Bei einer der Passagen stieß ein überladenes Schlauchboot kurz vor der Insel Lesbos mit einem Frachter zusammen. 13 Flüchtlinge starben, zwei Kinder werden bis heute vermisst.

    Die Anklage wirft zwei Männern im Alter von 27 und 34 Jahren gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge vor. Der 24 Jahre alte dritte Angeklagte soll lediglich das Boot gesteuert haben. Die Anklage listet zwischen Juli und November 2015 sechs Fahrten mit zusammen rund 250 Menschen auf. Alle drei Angeklagten ließen von ihren Verteidigern Erklärungen in ihrem Namen verlesen. Darin stellen sie sich als Handlanger einer Bande dar, die pro Flüchtling bis zu umgerechnet 1000 Euro kassierte. Der 27 Jahre alte Hauptangeklagte erklärte, er habe nur als Vermittler zwischen Flüchtlingen und Schleusern agiert und dafür pro Person maximal 100 Euro erhalten. Die 13 ertrunkenen Migranten seien nicht von ihm vermittelt worden. Er sei bei keiner der Schleuserfahrten selbst dabei gewesen und habe auch nicht gewusst, wie viele Flüchtlinge jeweils im Boot saßen.

    Der Vorsitzende Richter schenkte dieser Version allerdings wenig Glauben. Er hielt dem Angeklagten vor, sehr wohl von den näheren Umständen gewusst zu haben. So seien Flüchtlinge am Strand von Izmir mit Waffengewalt der Schleuser in Schach gehalten worden.

    Der zweite Hauptangeklagte erklärte, er habe mit keiner der Schleuserfahrten etwas zu tun gehabt. Er habe lediglich dabei geholfen, dass die Flüchtlinge in der Türkei an ihr in Syrien zurückgelassenes Geld kommen. Der seit mehreren Jahren in Berlin lebende Mann wurde dort wegen Beihilfe zur Schleusung in einem anderen Fall bereits zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

    Leise wurde es im Sitzungssaal, als der mitangeklagte Bootsführer die Kollision mit dem Frachtschiff am 20. September 2015 schilderte. Der 24-Jährige sprach von schreienden Flüchtlingen. Erst nach fast fünf Stunden seien die Schiffbrüchigen von der Küstenwache geborgen worden. Die Anführer der Schleuser hätten ihn unter Waffengewalt gezwungen gehabt, das Boot mit mindestens 46 Flüchtlingen zu lenken.

    Für den Prozess sind sieben Verhandlungstage vorgesehen. Die Höchststrafe für Schleusen mit Todesfolge beträgt 15 Jahre. Das Verfahren findet in Traunstein statt, weil mindestens einer der Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Festnahme 2016 in dem Gerichtsbezirk wohnte. Paul Winterer, dpa

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