
Verfassungsschutz hat Allgäuer Bauer im Blick: Außen grün, innen braun?

Plus Der Mutterhof in Unterthingau steht für eine ökologische und nachhaltige Zukunft. Doch es gibt Kritik: Steckt hinter der Öko-Fassade eine völkische Ideologie?
Der Mann tritt aus dem Dunkel der Scheune ins gleißende Licht der Sonne. Wallendes Haar, langer Vollbart, Strohhut, ein weites, blaues Hemd, er ist barfuß. Die Kamera folgt ihm, er setzt sich auf den Boden. Inmitten von Blumen und sattem Grün, Vögel zwitschern. Und Robert Briechle sagt: „Es geht darum, wie wir ein gutes, ein lebenswertes Leben führen können. Es geht um den Erhalt unserer Lebensgrundlage. Dafür müssen wir uns jetzt aktiv einsetzen.“
Im Werbevideo für den Mutterhof in Unterthingau (Ostallgäu) spricht der ausgebildete Agrarökonom Briechle über eine nachhaltige Landwirtschaft, ein Leben im Einklang mit der Natur; begründet auf dem Konzept der Permakultur. Dafür sucht Briechle Mitstreiter und wirbt auf seiner Homepage um Spender. Die Frage ist: Handelt es sich um ein ökologisches Pionierprojekt mit einer ganz eigenen Philosophie? Oder verbergen sich hinter der grünen Fassade braune Esoterik und eine völkische Ideologie? Im Fokus steht Briechles Verbindung zur Anastasia-Bewegung.
Briechle beim Verfassungsschutz bekannt
Beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) ist der Name Briechle bekannt. Auf Anfrage unserer Zeitung teilte die Behörde mit, „dass es in Unterthingau einen Hof/Familienlandsitz gibt, der nach dem von der Anastasia-Bewegung propagierten Prinzip der Permakultur betriebenen wird“. Die Anastasia-Bewegung beruft sich auf den russischen Autor Wladimir Megre und dessen zehnbändige Buchreihe „Die klingenden Zedern Russlands“. Laut BayLfV beinhaltet das Werk „antisemitische beziehungsweise völkische Äußerungen“.
Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, befasst sich mit dem Anastasia-Kult. Er sagt: Die Anastasia-Bewegung sei nicht so harmlos, wie sie sich auf den ersten Blick gebe. „Denn unter dem Deckmantel einer esoterischen Natur-Romantik werden verschwörungstheoretische, rechtsextremistische und antisemitische Ideologien verbreitet.“ So sprechen die Anhänger laut Pöhlmann etwa von der Überlegenheit der slawischen Rasse und bezeichnen Juden als „Strippenzieher des Weltgeschehens“. Die Bewegung bietet laut Pöhlmann mit ihren Theorien für viele Personen Anknüpfungspunkte – etwa für Reichsbürger, die Identitäre Bewegung oder auch Holocaust-Leugner.
Quasi-religiöser Überbau
Autor Sebastian Lipp von allgaeu-rechtssaussen.de kommt in einer Analyse zu dem Schluss: Mit der Anastasia-Bewegung sei „in der rechtsradikalen Szene in Deutschland ein ernstzunehmender Akteur erstarkt. Sie bietet einen quasi-religiösen Überbau für völkische Siedlungs- und Hofprojekte“. Im Mittelpunkt der Bewegung steht die fiktive Figur Anastasia. Sie ist mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattet und lebt allein in der sibirischen Taiga. „Sie wird als Erlöser-Figur gesehen“, sagt Pöhlmann. Sogenannte Familienlandsitze sind Teil der Ideologie. Heimat, Sippe, Blut, Familie, Reinheit, Ahnen sind Schlüsselbegriffe. Die Anhänger leben auf etwa einem Hektar Land und sind Selbstversorger. Wie viele Anhänger die Bewegung in Deutschland hat, lässt sich nur vermuten. „Es gibt schätzungsweise etwa 500 bis 600 Sympathisanten und 18 bis 19 Familienlandsitze. Vermutlich mehr“, sagt Pöhlmann.
Robert Briechle bewirtschaftet nach eigenen Angaben vier bis fünf Hektar Land. Auf der Videoplattform YouTube und seiner Webseite macht er Werbung für sein Konzept. Briechle hält Vorträge über Permakultur und nachhaltige Landwirtschaft. Über die Mutterhof-Akademie bietet er Tageskurse an, etwa die „Einführungskur in die Mutterhof-Idee“. Das beinhaltet für Briechle „die Gestaltung des Lebensraumes ohne störende Eingriffe in die natürlichen Abläufe“.
"Mutterhof leitet sich vom Mutterboden ab"
Laut Verfassungsschutz nimmt der Landwirt mittlerweile keinen Bezug mehr auf die Formulierungen „Familienlandsitz“ oder zur Anastasia-Bewegung – zumindest auf seiner Homepage. Auf Anfrage unserer Zeitung, ob er Anastasia-Anhänger sei, antwortete Briechle: „Ich selbst identifiziere mich grundsätzlich nicht mit Anderen und deren Ideen, auch wenn es der Fall ist, dass ich Teile davon nicht schlecht finde.“ Sein Hof habe nie Familiensitz geheißen, sagt Briechle. Der Name Mutterhof leite sich unter anderem vom Mutterboden ab. Gleichwohl finden sich im Internet Verweise auf den Familienlandsitz, bezeichnet als „DIES“. So heißt es etwa auf der Seite nordseele.net: Briechle schuf „das sogenannte ,DIES‘ als ersten deutschen Forschungs-Familienlandsitz im Sinne der Anastasia-Bücher“.
Vor zwei Jahren besuchte Pöhlmann das Siedlungsprojekt in Unterhingau. Er erzählt von jungen Bewohnern und einer Veranstaltung Briechles, bei der die Anastasia-Buchreihe auslag. Dass Briechle durchaus kein Unbekannter in der Szene ist, zeigt, mit welchen Persönlichkeiten er verkehrt. Da ist zum Beispiel der braune Esoteriker Frank Willy Ludwig. „Eine schillernde Figur im Anastasia-Netzwerk“, wie Pöhlmann sagt.
„Stamm, Volk und Heil der Erde“
„Ludwig unterhält Beziehungen zu Reichsbürgern und nimmt die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck in Schutz“, sagt Pöhlmann. Frank Willy Ludwig betreibt die mit kaum kaschierten Hakenkreuzen geschmückte Internetseite „Urahnenerbe Germania“. Die setzt er in die Tradition zur Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe, einer Forschungseinrichtung von Heinrich Himmler (Reichsführer SS). Über seinen YouTube-Kanal „Sigreich“ verbreitet Ludwig sein Gedankengut. Auch ein Video vom Mutterhof in Unterthingau ist dort verlinkt: Im Juli sendete er von dort aus – mit Leinenhemd und Trachtenhut sowie Robert Briechle an seiner Seite.
„Wir kennen uns seit fast 20 Jahren“, sagt Briechle in dem Video über sich und Ludwig. Briechle spricht von seiner „Aufgabe für den Stamm, das Volk, für das Heil der Erde“. Und Ludwig betont die „Verantwortung der weißen Rasse“. Auf Nachfrage unserer Zeitung relativiert Briechle seine Beziehung zu Ludwig. Er könne von Ludwig „lediglich im Zusammenhang mit seiner Sachkompetenz betreffend Bodengestaltung sprechen“. Es habe keinen Anlass gegeben, dessen „Lebenseinstellung, Glaubenssätze und sonstige persönliche Kriterien“ zu hinterfragen, sagt Briechle.
Reden möchte niemand
Um den Briechle-Hof ist es die vergangenen Wochen still geworden. Der wöchentliche Biomarkt, der dort sonst veranstaltet wird, ist ohne Angaben von Gründen „bis auf Weiteres“ abgesagt. In Unterthingau möchte niemand so wirklich über das reden, was dort passiert – und wenn, dann nur anonym.
„Hier weiß man mittlerweile Bescheid“, sagt ein Anwohner. Am Anfang hätten Mitglieder des Mutterhofes noch Flyer verteilt. Mittlerweile hätten sich viele Unterthingauer distanziert. „Ich gehe auch nicht mehr auf den Markt. Ich will mit denen nichts zu tun haben“, meint der 43-Jährige. Doch es gebe auch andere Meinungen. Der Anwohner erzählt von Bekannten, denen es egal sei, welche Gesinnung der Hof habe – Hauptsache das Gemüse schmecke.
Der Unterthingauer Bürgermeister Bernhard Dolp sagt, das Ganze sei ein schwieriges Thema. „Das macht nachdenklich.“ Er selbst habe bislang nichts von der Kritik an Briechle gewusst. Auch von Unterthingauer Bürgern habe es nie Hinweise gegeben. Er kenne die Briechles als alteingesessene Unterthingauer Familie, die im persönlichen Kontakt stets freundlich gewesen sei, sagt der Bürgermeister. Dolp stellt sich auf den Standpunkt: So lange nichts bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung.
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Ich finde es nicht gut, dass hier gezielt ein Mensch geächtet wird mit der Schärfe der Feder. Das bin ich von der AZ nicht gewohnt.
(edit/mod/NUB 7.3/bitte argumentieren Sie sachlich und zum Thema)