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Interview: Viele Schüler lesen zu schlecht: Was tun?

Interview

Viele Schüler lesen zu schlecht: Was tun?

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    In Bayern können sich Lehrer in Leseförderung schulen lassen.
    In Bayern können sich Lehrer in Leseförderung schulen lassen. Foto: Maja Hitij, dpa

    Am Donnerstag diskutieren rund 350 Lehrer an der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen darüber, wie sie Schüler zum Lesen bringen können. Herr Kotter, erste Frage an Sie als Akademie-Leiter: Ist das eine Reaktion darauf, dass jeder zehnte Viertklässler in Bayern und sogar jeder fünfte in Deutschland nicht richtig lesen kann?

    Alfred Kotter: Viele Lehrer nehmen wahr, dass das Leseverhalten und die Lesekompetenzen sich verändert haben und dass es dringend notwendig ist gegenzusteuern. Bayern ist im Verhältnis zu anderen Bundesländern zwar gut aufgestellt. Aber auch wir müssen die Lesekompetenzen verbessern. Die Veranstaltung ist der Auftakt für eine mehrjährige Initiative, in deren Zentrum die Förderung der Lesekompetenz steht.

    Sie sind seit Dezember Leiter der Akademie für Lehrerfortbildung. Weshalb ist Ihnen die Leseförderung so wichtig?

    Kotter: Lehrer haben permanent damit zu kämpfen, dass Schüler in ihren Klassen und Lerngruppen sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen – zum Beispiel, wenn Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf dort lernen oder Schüler, die kaum Deutsch können. Man muss sich als Lehrer damit beschäftigen: Wie kann ich Kinder mit schlechteren Startbedingungen auch auf ein gutes Level bringen?

    Wenn Eltern nicht lesen, tun es auch die Kinder nicht

    Lesen die Eltern nicht, tun sich auch die Kinder schwer. Kann Schule da entgegenwirken?

    Kotter: Kinder übernehmen Verhaltensweisen der Erwachsenen. Wenn in einem Haushalt nicht gelesen wird, wie sollen Kinder dann ans Lesen herangeführt werden? Manche bekommen ein Buch erst in der Schule in die Hand, bei anderen ist das Kinderzimmer voll damit. Es ist schwer, gegen diese Vorprägung anzukommen. Vergleichstests deuten darauf hin, dass Schule in diesem Bereich noch besser werden sollte. Wie man das erreicht, darum wird es bei der Leseförderinitiative auch gehen. Lesen ist ja die entscheidende Grundlage, um fachliche Inhalte zu verstehen.

    Schreiben Schüler, die schlecht lesen können, auch schlechtere Noten?

    Kotter: Untersuchungen zeigen, dass zum Beispiel viele Kinder, die eigentlich gut rechnen können, in Mathematik schlechte Noten haben. Sie können einfach die Aufgabenstellung nicht richtig lesen. Lehrer müssen versuchen, komplexe Sachverhalte so zu vermitteln, dass Schüler nicht an der Sprache scheitern. Das ist sicher noch nicht in allen Schulen und bei jedem Lehrer angekommen.

    Haben Sie ein Beispiel?

    Kotter: Es ist ein Unterschied, ob man einen Arbeitsauftrag auf fünf Zeilen mit drei Nebensätzen formuliert oder ihn unterteilt und Schülern sagt: „Als erstes machst du das, als zweites das und als drittes das.“

    Soziale Medien wirken sich auf Fähigkeit zu lesen aus

    Jugendliche kommunizieren untereinander oft kurz und knapp über Whatsapp und soziale Medien. Eine Gefahr für Ihre Fähigkeit, Zusammenhänge zu erfassen?

    Kotter: Ich glaube schon. Ihr Leseverhalten funktioniert im Umfeld sozialer Netzwerke, aber nicht bei komplexen Texten. Soziale Medien verführen dazu, kurze Botschaften zu verfassen. Satzstrukturen sind auf einzelne Wörter, Abkürzungen und Symbole geschrumpft. In gewisser Weise wird die Sprache dadurch aber auch komplexer.

    Wie meinen Sie das?

    Kotter: In sozialen Medien werden oft Textelemente mit Symbolen kombiniert. Außerdem bin ich mir sicher, dass ich viele Texte, die Schüler untereinander austauschen, nicht vollständig verstehen würde. Für Erwachsene sind ihre Abkürzungen nur eine Reihe von Buchstaben, die sie nicht dekodieren können. Denn Sprache entwickelt sich analog zu Lebensverhältnissen. Neue Begriffe tauchen auf und alte verschwinden. Viele Erwachsene tun sich mit Texten aus der Goethezeit schwer, weil Begriffe vorkommen, die heute keine Rolle mehr spielen. Oder wissen Sie, was ein Pfund Monstidl ist? Das war früher die Maßeinheit für knapp 1000 Kubikmeter Holz.

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