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Justiz: Warum Bayerns Gefängnisse so voll sind

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Warum Bayerns Gefängnisse so voll sind

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    In Bayern gibt es 36 Gefängnisse. Viele von ihnen sind rappelvoll.
    In Bayern gibt es 36 Gefängnisse. Viele von ihnen sind rappelvoll. Foto: Jan Woitas, dpa (Symbolbild)

    Nennen wir ihn Omar. Er ist vor einem Jahr aus Somalia nach Deutschland geflüchtet. Omar hatte keinen Pass und kein Visum – und damit kein Recht, nach Deutschland einzureisen. Jetzt sitzt Omar im Gefängnis.

    Im Gefängnis? Der 28-Jährige hat sich des „illegalen Grenzübertritts“ schuldig gemacht. Er wurde zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt. Aber er hat kein Geld. Und daher sitzt er die Geldstrafe ab. Ersatzfreiheitsstrafe nennen das die Juristen. Das Problem: Omar ist einer von vielen. Und das bringt die Gefängnisse in Bayern an ihre Grenzen.

    Immer mehr Menschen entscheiden sich für die Ersatzfreiheitsstrafe, weil sie die vom Gericht verhängte Geldstrafe nicht bezahlen können oder wollen. Das ist der Hauptgrund dafür, dass die bayerischen Gefängnisse nach Jahren der Entspannung nun wieder aus allen Nähten platzen. Neben den Menschen, die gegen das Ausländerrecht verstoßen, sind es vor allem notorische Schwarzfahrer, die ihre Geldstrafen im Gefängnis absitzen. 7678 Menschen wurden laut der aktuellsten Statistik 2016 wegen „Erschleichens von Leistungen“ zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt. Die mehr als 12.000 Haftplätze in den 36 Justizvollzugsanstalten (JVA) im Freistaat sind nach Angaben des Justizministeriums zu 96 Prozent belegt (Stichtag: 31. März 2017). Und das Personal ist knapp.

    Kurzzeitinsassen sind entweder Flüchtlinge oder Schwarzfahrer

    Beispiel: Die neue JVA Augsburg-Gablingen ist nur zweieinviertel Jahre nach Eröffnung mit gut 600 Insassen rappelvoll. Von diesen Häftlingen sitzen rund 100 mit einer Kurzzeitstrafe. Es sind fast ausschließlich Flüchtlinge, die illegal nach Deutschland eingereist sind. Das Gablinger Gefängnis hat dafür eine Sonderzuständigkeit erhalten. Der Rest sind Schwarzfahrer.

    Die hohe Zahl von Kurzzeit-Insassen ärgert den schwäbischen SPD-Landtagsabgeordneten Harald Güller. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender des Gefängnisbeirates von Gablingen. „Die Ersatzfreiheitsstrafe ergibt keinen Sinn“, sagt er. Sie verursache einen riesigen Aufwand und hohe Kosten, bringe aber kaum Nutzen.

    Ein Tag im Knast kostet den Staat 105 Euro

    Einem Straf-Tagessatz von fünf bis zehn Euro stünden Gefängniskosten von rund 105 Euro pro Tag gegenüber, rechnet Güller vor. Das koste den Steuerzahler allein im Fall der JVA Gablingen am Tag rund zehntausend Euro.

    Darüber hinaus würden die Mitarbeiter in den Gefängnissen stark belastet. Denn ein Insasse mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bleibt oft nur wenige Wochen, durchläuft aber dasselbe Aufnahmeprozedere wie jemand, der fünf Jahre bleibt. „Das ganze System wird blockiert“, sagt Güller. Die JVA-Leiterin Zoraida Maldonado de Landauer bestätigt, dass die Kurzzeitgefangenen eine Menge Arbeit machen. Dazu kommen Verständigungsschwierigkeiten. „Mein Personal ist stark belastet“, sagt die Gefängnischefin. Der Ausländeranteil in Gablingen liege bei rund 60 Prozent.

    Der Landtagsabgeordnete Güller will die Ersatzfreiheitsstrafe am liebsten abschaffen und fordert Alternativen. Er schlägt zum Beispiel vor, die Bewegungsfreiheit der straffällig gewordenen Flüchtlinge einzuschränken und sie in zentralen Aufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Dazu bedürfte es einer Gesetzesänderung. Ganz straffrei davonkommen lassen will Jurist Güller die Straffälligen nicht. „Der Staat hat schon einen Strafanspruch“, sagt er. Ihm geht es aber um die Sinnhaftigkeit der Strafe. Die Ersatzfreiheitsstrafe trage nichts zur Resozialisierung bei, die Häftlinge säßen die Zeit einfach nur ab. Problematisch findet Güller auch, dass Menschen, die sich nichts wirklich Schlimmes zuschulden kommen lassen haben, mit „echten“ Straftätern zusammenkämen.

    Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) hält nichts von Güllers Vorschlägen: „Die Ersatzfreiheitsstrafe ist ein wichtiger Baustein im Sanktionensystem des Strafgesetzbuches. An ihr halten wir fest – schon weil wirksame Alternativen fehlen“, sagt er. Gerade gegenüber Asylbewerbern müsse der Freistaat klarmachen, dass das Recht für alle gelte – ohne Rücksicht auf die Herkunft.

    „Schwitzen statt Sitzen“ als Alternative

    Begeistert von der Ersatzfreiheitsstrafe ist auch er nicht. Wo sie vermieden werden kann, tue das Bayern schon. Bausback verweist auf das Programm „Schwitzen statt Sitzen“, bei dem die Strafe durch gemeinnützige Arbeit abgeleistet werden kann. „Dadurch konnten in den vergangenen Jahren jeweils weit über 60.000 Hafttage vermieden werden“, berichtet Bausback.

    Wie viele Häftlinge aktuell eine Ersatzfreiheitsstrafe in Bayern absitzen, ist nicht exakt zu beziffern. Das Justizministerium spricht von einer durchschnittlichen Quote von sechs Prozent für das Jahr 2017. Die Belegung der Gefängnisse wird aber nur an Stichtagen untersucht. Da die Ersatzfreiheitsstrafe meist nur zwei, drei Monate dauert, werden längst nicht alle Delinquenten statistisch erfasst.

    Kritiker schätzen, dass zwischen 30 und 40 Prozent der Aufnahmen in den Gefängnissen Menschen sind, die ihre Geldstrafe absitzen. Nimmt man die offiziellen Angaben, dann ist die Zahl der vollzogenen Ersatzfreiheitsstrafen in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland um 25 Prozent gestiegen. 

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