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Interview: Warum ein Würzburger Pfarrer den Rücktritt von Horst Seehofer fordert

Interview

Warum ein Würzburger Pfarrer den Rücktritt von Horst Seehofer fordert

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    Studentenpfarrer Burkhard Hose sieht es als seine Aufgabe als Christ an, sich entschieden und deutlich in politische Debatten einzumischen.
    Studentenpfarrer Burkhard Hose sieht es als seine Aufgabe als Christ an, sich entschieden und deutlich in politische Debatten einzumischen. Foto: Stefan Weigand

    Bundesinnenminister und CSU-Chef Seehofer scherzte kürzlich: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden.“ Wie sehr haben Sie sich darüber geärgert, Herr Pfarrer Hose?

    Burkhard Hose: Ich war entsetzt. Seehofer hat hier für mich eine rote Linie überschritten. Für mich war das der traurige Höhepunkt einer entmenschlichten Politik.

    Hat Seehofer den Anstand verloren?

    Hose: Diese Afghanen wurden in ein Land abgeschoben, in dem sich die Sicherheitslage wieder dramatisch verschlechtert hat. Das sagen alle Nichtregierungsorganisationen. Über diese Menschen so zu sprechen, ist nicht nur unanständig, sondern verantwortungslos. An dem Tag, an dem Horst Seehofer das sagte, dachte ich: Ich kann ihn mir nicht länger in so einem verantwortungsvollen Ministeramt vorstellen.

    Er sollte zurücktreten?

    Hose: Das Schicksal von Menschen darf nicht parteitaktischen Interessen im Machtpoker um die bevorstehende bayerische Landtagswahl zum Opfer fallen. Also: Ja.

    Nach Recherchen unserer Redaktion waren unter den Abgeschobenen 51 aus Bayern, darunter mehrere gut Integrierte – und nur wenige Straftäter.

    Hose: Eine Abschiebung wie diese ist für mich menschenverachtende Politik.

    Aber abgelehnte Asylbewerber müssen nun einmal zurück in ihre Heimat.

    Hose: Natürlich. Aber dass jetzt so massiv aus Bayern abgeschoben wurde, ist doch Symbolpolitik. Hier sollte potenziellen AfD-Wählern signalisiert werden: Wir greifen hart durch! Damit macht sich die CSU zum verlängerten Arm der AfD.

    Die Abschiebung war legal.

    Hose: … aber nicht legitim. Ich halte die Einschätzung des Auswärtigen Amtes zur Sicherheitslage in Afghanistan für problematisch – und damit die Grundlage, auf der die Bundesregierung entschied. Man muss die Realitäten vor Ort wahrnehmen. Als Christ sehe ich es als meine Aufgabe an, daran zu erinnern.

    Wie christlich ist denn die CSU?

    Hose: Ich will nicht pauschal urteilen. Es gibt CSU-Positionen im Bereich der Asylpolitik, die ich für nicht mehr vereinbar mit christlichen Werten halte. Dabei haben sich viele in der Partei einmal bewusst dafür entschieden, christliche Politik zu machen. Ich denke da an Ex-Kultusminister Hans Maier oder den früheren Landtagspräsidenten Alois Glück. Ich kenne auch einige CSU-Mitglieder, Priester und Ordensleute, die der aktuelle Rechtskurs fassungslos werden lässt. Und das sind nun wirklich keine Linken.

    Bis vor kurzem glaubten CSU-Strategen, dass sie mit dem Kurs Kern- sowie potenzielle AfD-Wähler überzeugen können – und sich die Verluste im bürgerlichen Lager, gerade im christlichen Milieu, in Grenzen halten.

    Hose: Diese Logik erschließt sich mir nicht, und die Umfragen zeigen momentan auch ein anderes Bild. Die CSU hat bislang Wahlkampf für die AfD gemacht. Ich habe in der vergangenen Woche viele Gespräche geführt, auch mit Priestern und Ordensleuten. Die sagten mir: Ich kann die CSU nicht wieder wählen.

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte jetzt, er wolle künftig auf das Wort „Asyltourismus“ verzichten.

    Hose: Ich glaube, das ist eine strategische Überlegung und keine Kehrtwende Söders. Und das ist ja auch das Problem von Politikern, die sich so plakativ äußern: Irgendwann weiß man nicht mehr, ob man ihnen noch trauen kann.

    Sie engagieren sich als Sprecher des Würzburger Flüchtlingsrats. Wie ist die Stimmung unter den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern?

    Hose: Viele sind hoch motiviert. Aber es herrscht Frust und Enttäuschung über die politisch Verantwortlichen vor. Die Ehrenamtlichen vermissen deren Unterstützung.

    2015, als tausende Flüchtlinge etwa am Münchner Hauptbahnhof ankamen, wurden die Helfer überwiegend gewürdigt. Inzwischen werden Sie als „Bahnhofsklatscher“ beleidigt.

    Hose: Damals haben wir erlebt, wie groß die Bereitschaft ist zu helfen. Sie ist keineswegs verschwunden. Aber Politiker haben es versäumt, diese Haltung zu bestärken. Stattdessen gab es Querschüsse, Verunsicherung, Verdächtigungen.

    Dabei hat ja gerade die bayerische Staatsregierung viel getan, um Geflüchtete unterzubringen oder zu integrieren. Sie hat viel Geld in die Hand genommen. Doch anstatt das herauszustellen, läuft sie mittlerweile nur noch den Rechtspopulisten hinterher.

    Sie sind Studentenpfarrer der Katholischen Hochschulgemeinde Würzburg. Und im Moment ein Ärgernis für die CSU-Spitze …

    Hose: Das kann man wohl so sagen.

    Die warf Ihnen vor, dass „am Gebäude der Katholischen Hochschulgemeinde in Würzburg selbst kein einziges sichtbares Kreuz von außen zu erkennen ist“. Eine Replik auf Ihre öffentliche Kritik an Söders Kreuz-Erlass.

    Hose: Was wir im Augenblick erleben, zeigt doch: Man kann noch so viele Kreuze an die Wand nageln und behaupten, Bayern sei ein besonders christlich geprägtes Land. Wenn aber Äußerungen von Seehofer oder Söder kommen, über die wir eben sprachen, nimmt man ihnen einfach nicht mehr ab, dass sie für christliche Werte stehen. Mir genügt eben nicht ein Fassadenchristentum. Das Christliche erweist sich daran, wie wir mit denen, die in Not sind und Schutz brauchen, umgehen. Das Kreuz ist das Symbol der Solidarität mit den Schwächsten. Söder hat durch seinen Kreuz-Erlass das Christentum vereinnahmt und instrumentalisiert – und zwar als Abgrenzung zum Islam.

    Sie haben mit dem Jesuitenpater Jörg Alt und Beatrice von Weizsäcker, die zum Präsidium des Evangelischen Kirchentags zählt, eine Petition gestartet: Erwarten Sie wirklich, dass die CSU ihren Kurs korrigiert?

    Hose: Wir erwarten nicht, dass Söder zurückrudert. Uns geht es darum, CSU- und Kirchenmitglieder zum Nachdenken zu bringen: Was ist christlich an der aktuellen CSU-Politik? Es ist an der Zeit, dass wir uns als Christen deutlich in die politische Debatte einschalten – mit den Positionen aus dem Evangelium.

    Darf ein Priester sich so in die Tagespolitik einmischen und Politik machen?

    Hose: Es gibt kein politikbefreites Evangelium. Schon zu Jesus’ Zeiten hatte dessen Botschaft eine politische Relevanz. Mit Parteipolitik darf man das nicht verwechseln.

    Zur Person: Hose wurde 1967 im unterfränkischen Hammelburg geboren. Für sein soziales Engagement erhielt er 2014 den Würzburger Friedenspreis.

    Buch: Burkhard Hose: Seid laut! Für ein politisch engagiertes Christentum. Vier-Türme-Verlag, 144 Seiten, 18 Euro.

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