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Interview: Was die extreme Hitze mit unserem Körper macht

Interview

Was die extreme Hitze mit unserem Körper macht

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    Trinken, trinken, trinken: Das ist das Wichtigste, was man bei der aktuellen Hitze für seinen Körper tun kann. Und auch auf diesen hören: Nicht überanstrengen, Schatten aufsuchen, es einfach ruhiger angehen lassen.
    Trinken, trinken, trinken: Das ist das Wichtigste, was man bei der aktuellen Hitze für seinen Körper tun kann. Und auch auf diesen hören: Nicht überanstrengen, Schatten aufsuchen, es einfach ruhiger angehen lassen. Foto: Adobe Stock

    Zur Zeit herrscht tropische Hitze mit tropischen Nächten, das heißt, die Temperatur sinkt auch nachts nicht unter 20 Grad. Doch welche Auswirkungen hat diese Wärme ganz konkret auf den menschlichen Körper? Warum ist vielen bei dieser Hitze unwohl?

    Dr. Rupert Grashey: Die Hitze ist für den Körper Schwerstarbeit. Er muss sehen, dass die Körpertemperatur nicht zu sehr steigt, denn sonst würden irgendwann seine Eiweißmoleküle zerfallen. 43 Grad ist wohl die kritische Schwelle. Wird sie überschritten, können alle Organsysteme vom Kreislauf über das Gehirn bis zur Niere geschädigt werden. Das versucht der Körper zu verhindern.

    Wie macht er das?

    Grashey: Er versucht – unter anderem – durch Schwitzen Verdunstungskälte zu erzeugen. Das klappt in der Regel gut. Aber man verbraucht dabei sehr viel Wasser. Problematisch wird es dann, wenn der Körper zuwenig Flüssigkeit hat.

    Warum?

    Dr. Rupert Grashey, 47, ist Anästhesist und Leitender Arzt der Notfallklinik am Klinikum Memmingen.
    Dr. Rupert Grashey, 47, ist Anästhesist und Leitender Arzt der Notfallklinik am Klinikum Memmingen. Foto: Klinikum Memmingen

    Grashey: Dann ist zu wenig Volumen im Kreislaufsystem. Die Folge: Der Blutdruck fällt. Und wenn er zu stark fällt, wird dem Betreffenden schwindelig. Das kann bis zur Ohnmacht gehen, schlussendlich, wenn der Druck ganz in den Keller geht, gar bis zum Tod.

    Die Auswirkungen auf den Kreislauf können also wegen fallenden Blutdrucks immens sein. Was macht die Hitze mit dem Herzen?

    Grashey: Wenn der Blutdruck fällt, versucht das Herz das auszugleichen – durch schnelleren Herzschlag. Darum neigen wir bei hohen Temperaturen auch zu höheren Pulsfrequenzen.

    Wie sieht es mit den Auswirkungen der Hitze auf die Haut aus?

    Grashey: Hier sind zwei Aspekte zu beachten. Einmal öffnet die Haut die Poren – um zu Schwitzen. Zum anderen werden die hautnahen Gefäße weit gestellt, damit das Blut die Wärme leichter abgeben kann. Das ist zwar sinnvoll, hat aber den Nebeneffekt, dass die geweiteten Gefäße für einen Abfall des Blutdrucks sorgen.

    Wer schwitzt, verliert Salze. Wie steht es damit?

    Grashey: Im Extremfall sieht es so aus: Wenn der Natriumspiegel zu stark fällt, sinkt die Hirnleistung. Das geht bis zur Bewusstlosigkeit. Gefährlich ist hoher Kaliummangel: Das kann zu Herzrhythmusstörungen und somit zum Tod führen. Wohlgemerkt – in Extremfällen. Wer sich bei dieser Hitze normal ernährt und ausreichend trinkt, hat mit Salzverlusten kein Problem.

    Welchen Einfluss hat die Hitze auf die Niere?

    Grashey: Hat der Körper zu wenig Wasser, steuern die Nieren automatisch dagegen. Es wird weniger Harn ausgeschieden. Wer bei dieser Hitze stundenlang nicht zum Wasserlassen auf die Toilette muss, sollte wissen, dass er viel zu wenig trinkt und dringend etwas dagegen tun muss.

    Was passiert mit unserer Wahrnehmung?

    Grashey: Ist der Körper sehr warm, wird die Wahrnehmung eingeschränkt. Das kennen wir, wenn wir Fieber haben. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass das Blut aufgrund Flüssigkeitsmangels eindickt.

    Warum wollen wir uns bei Hitze meist nicht bewegen?

    Grashey: Ganz einfach: Muskelarbeit erzeugt Wärme. Und die kann ich bei diesen Temperaturen nun gar nicht brauchen. Manche hören leider nicht auf ihren Körper – und joggen beispielsweise. Das kann sogar lebensgefährlich werden.

    Warum schlafen wir nachts bei dieser Wärme oft so schlecht?

    Grashey: Der Körper hat nachts eigentlich die Neigung, seine Temperatur etwas abzusenken. Das ist ihm aber in stark erhitzten Gebäuden kaum möglich. Er fängt darum an, auch nachts zu schwitzen. Das ist unangenehm – und stört den Schlaf. Vom vielen Trinken müssen wir zudem öfters zur Toilette.

    Warum macht Hitze vor allem im Alter Probleme?

    Grashey: Einmal fehlt das Durstgefühl. Mit den beschriebenen Konsequenzen. Außerdem kann der alte Mensch die Kompensationsleistungen nicht mehr so erbringen. So sind die Blutgefäße etwa nicht mehr so flexibel.

    In anderen Teilen der Welt ist es ständig so warm wie hier zur Zeit. Wieso können die Menschen damit besser umgehen?

    Grashey: Auch ein gebürtiger bayerischer Körper kann mit der Hitze umgehen, er braucht bloß etwas Zeit, um sich darauf einzustellen. Das hat auch mit Gewohnheiten zu tun. Im Süden vermeiden es die Menschen, in der Tageszeit der größten Hitze draußen zu sein. Und verlagern ihr Leben in den Morgen und späteren Abend. Deshalb sind die Kinder dort oft auch länger wach. Zur Anpassung gehört auch Bauliches: Enge Gassen bieten mehr Schatten. Menschen im Süden gehen insgesamt anders mit der Hitze um. Wir können das auch lernen. Sind es aber auch von unseren Arbeitsabläufen her nicht gewohnt. Denn diese nehmen auf Hitze keine Rücksicht.

    Zur Person: Dr. Rupert Grashey, 47, ist Anästhesist und Leitender Arzt der Notfallklinik am Klinikum Memmingen.

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