Immer wieder gellen markerschütternde Schreie durch die Dreifachturnhalle. "Saaaaay" oder so ähnlich brüllen die vielen Männer und die wenigen Frauen heraus, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Dieses Wort hat sich offensichtlich als Synonym für "Erfolg" eingebürgert. Mit einer Urschreitherapie für Fortgeschrittene hat das, was sich an diesem Wochenende in Rain abgespielt hat, nichts zu tun.
Die lauten Rufe sind ein Ventil nach minutenlanger höchster Konzentration der Matadore, die sich um die 44 "Subbuteo"-Tische versammelt haben. 199 Teilnehmer aus 15 Nationen - darunter Spieler aus Argentinien und Finnland - sind nach Schwaben gekommen, um in dieser besonderen Variante des Tischfußballs ihre Weltmeister zu ermitteln. Und wenn nach knappem Spiel ein Tor erzielt wird, folgt der Jubel-Brüller auf dem Fuß - mit dem Nebeneffekt, sein Gegenüber gleich ein wenig einzuschüchtern.
Subbuteo - das hat zwar viel mit Konzentration und Imagination zu tun. Die Auseinandersetzung an dem etwa 80 Zentimeter breiten und 120 Zentimeter langen Fußballtisch ist aber auch körperlich nicht zu verachten. "An einem Wochenende kann man schon mal ein paar Kilogramm Gewicht verlieren", sagt Janus Gersie aus Rheinland-Pfalz. Gersie ist der Präsident des DSTFB, des Deutschen Sport-Tischfußball-Bundes - gewissermaßen das Pendant zum "großen" Fußballpräsidenten Theo Zwanziger.
6,3 Millionen Mitglieder sind im Deutschen Fußball-Bund organisiert. Dagegen nimmt sich die Subbuteo-Vereinigung kleiner aus als ein Zwerg. Ein gutes Dutzend Klubs sind in der Republik aktiv. Präsident Gersie spricht von 150 zahlenden und 100 spielenden Mitgliedern.
Dass in Deutschland bei Subbuteo noch eine Menge Entwicklungshilfe zu leisten ist, liegt auch daran, dass es dieses Spiel nur selten zu kaufen gibt. Anders Italien: Dort sind die etwa zwei Zentimeter hohen Kicker, die auf einem Sockel übers Spielfeld geschnippt werden, beinahe überall zu haben. Das tut der Begeisterung der aktiven Spieler freilich keinen Abbruch. "Wer einmal damit angefangen hat und die nötige Geduld mitbringt, den lässt dieses Spiel nicht mehr los", sagt Hans Ruf. Der muss es wissen. Schließlich ist er seit 40 Jahren in Rain dabei. So lange gibt es dort die Tischfußballspielgemeinschaft schon. Trainiert wird einmal in der Woche in durchaus feudaler Umgebung: Die Stadt hat einen Raum im Schloss zur Verfügung gestellt.
Etwa 650 Partien (in Einzel- und Mannschaftswettbewerben in verschiedenen Altersklassen) sind am Wochenende gespielt, bis die neuen Titelträger feststehen.
Sein großes Ziel hat Massimo Bolognino am Samstag nicht mehr erreicht. Der vierfache Einzelweltmeister aus Neapel hatte in der Erwachsenen-Kategorie zunächst im Achtelfinale den letzten verbliebenen Deutschen Alexander Ruf (TSG Rain) mit 5:0 keine Chance gelassen. Dann aber musste er gegen den jungen Carlos Flores aus Spanien klein beigeben.
Subbuteo, eine Mischung aus Schach, Billard und Fußball, ist eine komplexe Angelegenheit. Auf jeden Angriffszug des Ballbesitzers folgt ein Verteidigungszug. Das geht nicht selten in einem atemberaubenden Tempo. Um den Ball ohne "Foul" - und damit Ballverlust - vor das gegnerische Tor zu bekommen, müssen die zehn Spielfiguren des eigenen Teams zentimetergenau an die Kugel herangeschnippt werden. Der Torhüter ist an einer Stange fixiert. Der "Teamchef" der verteidigenden Mannschaft hält das Ende und versucht Erfolgserlebnisse des Gegners zu verhindern.
Vieles ist im Subbuteo wie im wahren Fußball: Wilde Proteste nach Schiedsrichterentscheidungen, Freude über einen gelungen Kunstschuss, Tränen nach der Niederlage. Und manch erfolgreicher Subbuteo-Spieler soll sogar von Klubs abgeworben werden. Auch das kommt bekannt vor. Till Hofmann