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Krumbach: Wenn Bürger nachts auf Streife gehen

Krumbach

Wenn Bürger nachts auf Streife gehen

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    Martin Dippl (l) und Florian Egger gehen seit fünf Jahren in Krumbach auf Streife. Ihre Aufgaben: Die Augen offenhalten, Präsenz zeigen und im Notfall die Polizei rufen.
    Martin Dippl (l) und Florian Egger gehen seit fünf Jahren in Krumbach auf Streife. Ihre Aufgaben: Die Augen offenhalten, Präsenz zeigen und im Notfall die Polizei rufen. Foto: Alexander Kaya

    Als Martin Dippel, 44, sein Fahrrad auf dem Parkplatz der Polizeiinspektion abstellt, hat sich der Vorfrühlingstag gerade mit einem intensiven rosa Leuchten am Himmel verabschiedet. Die Glocken der Stadtpfarrkiche St. Michael läuten zur Vorabendmesse. Obwohl es der Faschingssamstag ist, sind nur wenige Menschen unterwegs. Ein friedlicher Abend in Krumbach. Dippel und sein Kollege Florian Egger, 52, der fünf Minuten später mit dem Auto kommt, wollen, dass es so bleibt. Deshalb sind sie hier. Deshalb opfern sie vier bis fünf Mal im Monat ein paar Stunden ihrer Freizeit. Sie gehen Streife für die Sicherheitswacht (Siwa) – ehrenamtlich für eine Aufwandsentschädigung von acht Euro pro Stunde.

    Wäre nicht der Schriftzug auf ihren schwarzen Jacken, sie würden nicht groß auffallen. „Sicherheitswacht“ steht da in leuchtend weißen Buchstaben. Zwei Männer, die nach dem Rechten sehen, auch im fast menschenleeren Stadtpark. Mittendrin leuchtet ein Skateboard blassviolett in der Dunkelheit. Zwei Mädchen haben es sich auf einer Bank gemütlich gemacht und essen Pizza. Die Sicherheitswächter sprechen sie an. „Alles in Ordnung?“ Die Mädchen sind überrascht. „Ja, ja.“ Dass es in der 12000-Einwohner-Stadt eine Sicherheitswacht gibt, ist ihnen neu.

    Dabei patrouilliert die Siwa hier schon das sechste Jahr. In anderen Kleinstädten der Region, zum Beispiel in Neu-Ulm, gibt es die bürgerschaftliche Unterstützung der Polizei schon bis zu 20 Jahre. Die Hauptaufgabe der Siwa: Beobachten, Präsenz zeigen und im Notfall per Sprechfunk die Polizei rufen.

    Sie dürfen Personalien feststellen und Platzverweise aussprechen

    Dass Blumenkübel umgeworfen werden, Autos zerkratzt, Müll hinterlassen wird, dass Betrunkene randalieren – all das haben Dippel und Egger schon erlebt. Und in solchen Fällen dürfen sie Personalien feststellen, Platzverweise aussprechen und Befragungen durchführen. Sie haben ein Pfefferspray dabei, benutzt haben sie es noch nie. Wichtiger sind eine Taschenlampe und das Funkgerät als Verbindung zur Polizei. Das Sicherheitswachtgesetz regelt ihre Rechte und Pflichten – und die Voraussetzungen, die sie erfüllen müssen. Wer nicht vorbestraft ist, mindestens 18 und höchstens 60 Jahre alt ist, kann sich bewerben. Es folgt eine Schulung mit 40 Unterrichtseinheiten und Prüfungsgespräch. „Wir könnten noch ein paar Leute brauchen“, meint Martin Dippel. Einige aus dem ersten Team von 2010 sind abgesprungen, nach einer zweiten Schulung sind noch acht übrig, darunter zwei mit türkischen Wurzeln und zwei Frauen – „eine wertvolle Ergänzung“, sagt Florian Egger, der den Beruf des Bankkaufmanns gelernt hat und heute Autos verkauft.

    Sheriff oder Rambo spielen ist nicht vorgesehen. Dippel und Egger treten höflich, aber bestimmt auf. Mit einer Gruppe angeheiterter jugendlicher 60er-Fans, die mit Bierflaschen aus dem Zug steigen, machen sie Scherze. Andere, die im Wartehäuschen aus Pappkartons essen, ermahnen sie, ihren Müll mitzunehmen. „Wir kommen wieder!“ sagt Egger. Gut möglich, dass sie auf ihrem dreistündigen Rundgang noch einmal am Bahnhof vorbeikommen. In der Admiral-Spielhalle schauen sie auch kurz vorbei, weil das Personal darum gebeten hat. Es ist völlig ruhig. Aber bis morgens um drei ist dort offen. Dann hat die Sicherheitswacht schon Feierabend.

    Anlass zur Hysterie wegen der Flüchtlinge bestehe nicht, sagten die Männer

    In der Altstadt sitzen in einigen Lokalen Leute beim Essen, um den Gasthof Munding, wo der einzige Faschingsball an diesem Abend stattfindet, parken sehr viele Autos. Menschen sind nicht zu sehen. Streife gehen kann langweilig sein. Aber es ist wichtig: „Zu Fuß bekommt man mehr mit als im Streifenwagen“, hatte Werner Deuring, der Koordinator der Sicherheitswacht bei der Polizei, gesagt. Ein dementer Mann, der in Unterhose durch die Stadt irrte, wäre womöglich an Unterkühlung gestorben, wenn ihn die Sicherheitswacht nicht im Park gefunden hätte. Ob sich eine „Bürgerwehr“ um so ein Problem kümmern würde?

    Martin Dippel, der bei der Direktion für ländliche Entwicklung als Vermesser arbeitet, verfolgt die Diskussion in den sozialen Netzwerken skeptisch. Er vermutet, dass sich Gruppierungen, die unter dem Eindruck der Kölner Silvesternacht zur „Selbsthilfe“ für die Innere Sicherheit aufrufen, schnell wieder auflösen würden. „Man braucht einen langen Atem.“ Und dass man Angst haben müsse, weil Asylbewerber in der Stadt sind, können die beiden Männer auch nicht bestätigen. „Sehen Sie einen einzigen Asylbewerber irgendwo?“, fragt Florian Egger. In mehreren Unterkünften in Krumbach leben jetzt schon 130 Flüchtlinge. Noch einmal so viele sollen kommen. Vor ein paar Wochen sei eine Frau belästigt worden, erzählen die Männer. Aber zu Hysterie bestehe kein Anlass.

    Nach ihrer Motivation befragt, erzählen beide von ihren Familien und betonen, dass sie ihre Stadt lieben. Dippel hat zwei Kinder, Egger drei. „Unsere Stadt soll lebenswert bleiben“, sagt er. Deshalb brauche es Menschen, die hinschauen und sich verantwortlich fühlen, auch wenn der Wert dieser Arbeit „schwer messbar“ sei. Der Abend verläuft so, wie es sich die beiden wünschen. „ObV“ tragen sie ins Berichtsheft in der Wache ein – „Ohne besondere Vorkommnisse“.

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