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Unschuldig hinter Gittern: Wenn Verdächtige "weichgeklopft" werden sollen

Unschuldig hinter Gittern

Wenn Verdächtige "weichgeklopft" werden sollen

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    Wenn Verdächtige "weichgeklopft" werden sollen
    Wenn Verdächtige "weichgeklopft" werden sollen Foto: sv

    Von Johannes Graf Lichtenfels. Sie beobachten einen Unfall, machen vor Gericht eine Aussage als Zeuge und werden anschließend vier Wochen in Untersuchungshaft genommen. Eigentlich unglaublich. Stephan Schober ist dies passiert.

    Inzwischen ist der Lkw-Fahrer aus Lichtenfels in Oberfranken wieder auf freiem Fuß (wir berichteten). Doch der Fall wirft Fragen auf. Warum sah sich der 43-jährige Familienvater im Gericht plötzlich mit einer Falschaussage konfrontiert? Warum musste er unschuldig ins Gefängnis?

    Frank Johnigk, Geschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer, kennt Fälle, in denen Richter schnell zu Untersuchungshaft neigten, um jemanden "weichzuklopfen". "Das hat sogar ein wenig den Charakter einer verbotenen Vernehmungsmethode", sagt Johnigk. Der Rechtsanwalt betont jedoch auch, dass dies nicht allzu häufig vorkomme. Auch Schober habe laut seines Betriebsratschefs kurz davor gestanden, seine Aussage zu widerrufen und die Unwahrheit zu sagen, damit er freikommt.

    Wolfgang Stretz, der Anwalt Schobers, erklärt, dass einige Fehler seitens der Justiz gemacht wurden. "Einen wichtigen Zeugen wollte das Gericht gar nicht hören, obwohl ich darauf hingewiesen habe", sagt Stretz. Drei Faktoren veranlassten die Staatsanwältin damals zur schnellen Festnahme: ein Gutachten, das den Lkw-Fahrer als Unfallverursacher ausmacht, die Aussage einer Zeugin, dass Schober nicht im Lkw saß, und die Angabe Schobers, dass er nichts von einem Umfall mitbekommen habe. Schober wird noch im Gerichtssaal wegen uneidlicher Falschaussage und Verdunklungsgefahr festgenommen.

    Stretz ermittelt kurzerhand selbst, will die Wahrheit wissen. "Ich kenne den Stephan schon seit unserer gemeinsamen Schulzeit. Ich habe ihm von Anfang an geglaubt", sagt Stretz. Der Ursprung der Falschaussage ist erschreckend einfach. Die Zeugin hat offenbar eine Aussage Schobers am Unfallort falsch verstanden. Gerichtlich geklärt ist dies noch nicht. Der Lkw-Fahrer ist inzwischen freigesprochen worden. Das Verfahren gegen Schober wegen Falschaussage läuft noch.

    "Langsam ist es lächerlich, wenn das Verfahren nicht eingestellt wird", sagt Stretz. Etliche Dinge seien in der Rechtsprechung fragwürdig gewesen. Stretz will prüfen, ob die Untersuchungshaft rechtmäßig oder rechtswidrig war. Rachegefühle hege sein Mandant nicht, er wolle einfach nur Gerechtigkeit und dass das, was ihm widerfahren ist, niemand sonst durchmachen muss.

    Gerichtssprecher Andreas Quentin erklärt gegenüber unserer Zeitung, dass der Haftbefehl gegen Schober auf einem Verdacht der Staatsanwältin beruhte. Es gebe immer eine Restwahrscheinlichkeit, dass der Verdacht sich nicht bestätigt. "Ich möchte aber betonen, dass wir keine Leute zu Unrecht einsperren. Wenn das bei Herrn Schober der Fall war, dann ist das ein bedauerlicher Vorgang", fügt Quentin hinzu.

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