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Region: Wie dicke Luft in Innenstädten die Pollenplage verschärft

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Wie dicke Luft in Innenstädten die Pollenplage verschärft

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    Augsburger Forscher können nachweisen, dass Ozon und Stickoxide die Pollen aggressiver machen. Dafür sammeln sie beständig Luft- und Bodenproben.
    Augsburger Forscher können nachweisen, dass Ozon und Stickoxide die Pollen aggressiver machen. Dafür sammeln sie beständig Luft- und Bodenproben. Foto: Fotolia (Symbolbild)

    Die Birken blühen. Fein legt sich der gelbe Staub über die Stadt. Die Leidenszeit beginnt. 40 Prozent der Bevölkerung hat inzwischen eine Allergie. Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Universitären Zentrums für Gesundheitswissenschaften am Klinikum Augsburg (Unikat), Chefärztin der Augsburger Umweltambulanz und Professorin der Technischen Universität München, warnt Betroffene und Ärzte davor, die Volkskrankheit zu bagatellisieren.

    Auch Menschen, bei denen keine Antikörper im Blut nachgewiesen werden können, können trotzdem allergische Symptome haben. „Sensibilisiert sind wir beinah alle“, erklärt die Medizinerin.

    Erst auf 1500 Meter Höhe herrscht gute Luft. Erstmals haben jetzt jedoch Augsburger Wissenschaftlern des seit 2013 bestehenden Unikat nachgewiesen, wie sehr sich ein Aufenthalt in dem Kurort Davos auf Allergiker auswirkt.

    In einer Panel-Studie untersuchen die Mediziner um Traidl-Hoffmann seit etwa drei Jahren die Reaktionen von 20 Allergikern und – in einer Kontrollgruppe – 20 Personen ohne nachgewiesene Allergien auf die Luftveränderung. Sie verfolgten die Entzündungsparameter im Atem der Asthmatiker täglich vor, während und nach dem zweiwöchigen Aufenthalt in Davos.

    Rentenkassen zahlen lieber Medikamente als Höhenluft-Kuren

    Die Kurven zeigen einen steilen Abfall auf nahezu Null. Wie in Davos kann das Augsburger Zentrum auch auf der Zugspitze auf ein Pollenmessgerät zurückgreifen und damit auch hier die Auswirkung der Luftbelastung auf Probanden testen. Auch hier ließen die allergischen Reaktionen von 20 Heuschnupfen-Patienten innerhalb von zwei Wochen signifikant nach. In Augsburg hingegen zeigte sich am Tag der Rückkehr wieder ein extremer Anstieg der Symptome.

    „Wir können zeigen, dass Ozon und Stickoxide zum Beispiel die Pollen aggressiver machen. Ob ein Davos-Aufenthalt auch nachhaltig gesundheitlich wirksam ist – den Nachweis werden wir noch führen. Unverständlich ist allerdings schon jetzt, warum wirksame Höhenluft-Kuren für Allergiker von den Rentenkassen meistens abgelehnt, sehr viel teurere Spezialmedikamente mit schädlichen Nebenwirkungen von den Kassen aber bezahlt werden“, erklärt Traidl-Hoffmann.

    In einer bundesweit einmaligen Mikrostudie erforscht das Unikat-Zentrum Natur und Mensch in Augsburg. Die Wissenschaftler sammeln beständig Luft- und Baumproben zur Analyse der Luft. Im hauseigenen Labor wird gemessen, wie schwer der Pollen ist, von wo er stammt, welche sich verändernden Mikroorganismen er zusätzlich auf seiner Oberfläche transportiert.

    Auch der Uni-Lehrstuhl Health Care Operations ist Partner des Zentrums. Hier wird der Pollen mithilfe von Bilderkennung, Algorithmen und künstlicher Intelligenz identifizierbar gemacht.

    Im Juli kann auch nächtliches Lüften problematisch werden

    Lehrstuhlinhaber Jens Brunner verspricht, schon im nächsten Frühjahr eine App vorzustellen, die Allergiker nicht nur über den aktuellen Pollenstand, sondern auch über den Flug für die folgenden zwei Tage informieren kann. „Wenn man das weiß, können die Betroffenen nicht nur die Outdoor-Aufenthalte, sondern auch die Einnahme von Antihistaminika gezielter planen“, so der Professor.

    Auch die Geografin Franziska Häring gehört zum Unikat. Sie ist Leiterin der Birkenstudie 2018. Dafür hat sie inzwischen die Birken der Stadt ausfindig gemacht und kartiert. 5000 sind es.

    Seit 2016 schwärmen jeweils zur Hochsaison dieser besonders weit verbreiteten Pollenart fünf studentische Hilfskräfte aus, um an 60 Standorten zwischen Meitingen und Schwabmünchen Proben einzusammeln. Ein Fazit der letzten zwei Jahre: In der Stadt produzieren die Bäume mehr und verteilen ihren Samen früher.

    Die Fachfrau: „Der Birkenpollen kommt von überall her und fliegt deswegen auch nachts, wenn die Bäume ihre Produktion eigentlich einstellen. Selbst das nächtliche Lüften ist also für Allergiker bis Juli nicht wirklich zu empfehlen.“

    Auf der Internetseite des Zentrums wird der Pollenflug im Zweistundentakt aktualisiert: www.unika-t.de/pollenflug

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