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Kino: Wie eine Drehort-Detektivin die perfekten Filmlocations findet

Kino

Wie eine Drehort-Detektivin die perfekten Filmlocations findet

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    Jeanette Wohlfahrt ist immer auf der Suche nach der perfekten Kulisse für Kino- und Fernsehproduktionen.
    Jeanette Wohlfahrt ist immer auf der Suche nach der perfekten Kulisse für Kino- und Fernsehproduktionen. Foto: Wohlfahrt

    Es gibt Tage, da packt Jeanette Wohlfahrt einfach nur eine Kamera ein, steigt in ihr Auto und fährt los. Irgendwo hin. Mal aufs Land, mal in die Stadt, nach Nordbayern oder ins Allgäu. Ihr Ziel kennt sie selten. Ob sie an einer Kreuzung links oder rechts abbiegen soll, entscheidet sie meistens nach ihrem Bauchgefühl. Das Einzige, was sie antreibt, ist, dass sie die Vorgaben ihres Kunden erfüllt und den perfekten Produktionsort für Film-Dreharbeiten findet.

    Jeanette Wohlfahrt arbeitet als Locationscout. Das heißt, sie sucht und vermittelt für Dreharbeiten und Fotoshootings die passenden Orte zum Drehen oder Fotografieren. "Man braucht nur kurz den Fernseher einschalten und schon merkt man: Jede Mini-Einstellung in Filmen, Serien oder Werbespots muss irgendwo gedreht werden."

    Jede Szene braucht die passende Location, die nicht nur für die Handlung, sondern auch für die Dreharbeiten geeignet ist – sei es in der U-Bahn, in einer Wohnung, auf einem Berg oder in einer Bar. "Zu meinen Aufgaben gehört es, die Orte zu finden, sie zu buchen, mit den Eigentümern zu verhandeln, das Budget auszumachen und Drehgenehmigungen zu beantragen."

    Wohlfahrt suchte schon für Til-Schweiger-Film die Locations aus

    Schon für etliche deutsche Kinoproduktionen hat Jeanette Wohlfahrt die passenden Drehorte gefunden, darunter "Im Winter ein Jahr", "Im Namen meiner Tochter - Der Fall Kalinka", "Dem Horizont so nah" und "Gott, Du kannst ein Arsch sein" mit Til Schweiger, Jürgen Vogel und Heike Makatsch, der zurzeit in Bayern gedreht wird und nächstes Jahr in die Kinos kommt.

    Zur ihren Kunden gehören Filmproduktionsfirmen, Werbe- und Eventagenturen und Fotografen. Von ihnen bekommt sie genaue Vorgaben, wie die Location aussehen muss. "Ich muss mich an bestimmte Farbwelten, Epochen, Stil- und Architektur-Richtungen halten, die sich der Szenenbildner oder der Regisseur vorstellen." Entweder Wohlfahrt kann eine bereits gescoutete Location aus ihrer Datenbank mit über 2500 Motiven anbieten. Oder sie muss losfahren und ein neues Objekt suchen. "Da fühle ich mich wie ein Detektiv. Es ist viel Glück dabei, ob ich das Passende finde und ob dem Kunden meine Auswahl gefällt."

    Jeanette Wohlfahrt muss bei ihren Locations aber nicht nur darauf achten, dass sie optisch zu den Projekten passen. Sie muss genauso abklären, dass die technischen und lokalen Gegebenheiten vorhanden sind. "Größe ist alles. Man muss mal in Kino und Fernsehen darauf achten. Da spielen die Szenen meistens in riesigen Lofts." Große Räume brauchen die Crews nicht nur, damit die Aufnahmen besser wirken, sondern auch um das ganze Team und das technische Equipment darin unterzukriegen. "Die schönste Altbauwohnung hilft nichts, wenn sie im vierten Stock ohne Aufzug liegt." Parkplätze für die Transporter und eine gute Erreichbarkeit sind ebenso wichtig. "Und die Nachbarn müssen den ganzen Trubel aushalten."

    Jeanette Wohlfahrt arbeitet seit 2000 als Locationscout und betreibt seitdem ihre eigene Firma hewo media. Sie ist außerdem Mitglied im Bundesverband Locationscout. Vorher war sie Redakteurin beim Fernsehen, daher weiß sie, auf was es bei Produktionen ankommt. Doch als Familienplanung anstand, wollte sie sich etwas anderes suchen, weil Job und Familie nicht vereinbar waren. "Damals war Locationscouting noch eine Marktlücke. Und ich war eine der Ersten, die mit digitalen Fotos arbeitete. Viele Kollegen sind damals noch mit ihren Fotomappen von Kunde zu Kunde gezogen."

    Wildfremde öffnen für Locationscout Wohlfahrt ihre Wohnungen

    Ursprünglich stammt Wohlfahrt aus Stuttgart, lebt aber seit 1987 in München, heute zusammen mit ihrem Mann und zwei Kindern im Teenageralter. "Man muss bei dem Job unglaublich flexibel sein. Denn die Medienbranche ist zwar kreativ, aber auch sehr chaotisch und verrückt. Da heißt es heute so und morgen ganz anders." Außerdem dürfe man keine Berührungsängste haben und müsse vertrauenswürdig sein. "Ich klingel oft bei Wildfremden und die lassen mich dann einfach so in ihr Haus, damit ich Fotos machen kann." Organisationstalent und gute Kontakte zu den Filmschaffenden sind genauso wichtig. "Und man braucht einen Ehrgeiz, einen Biss, damit man die tollen Locations überhaupt findet."

    Aber der Job hat auch seine Schattenseiten. Scout Wohlfahrt vermittelt zwar die Drehorte für große Kinoproduktionen, bei den Dreharbeiten ist sie aber nie selbst dabei. "Da muss ich meistens schon wieder für das nächste Projekt scouten." Außerdem ist sie die meiste Zeit allein unterwegs. "Mit Kollegen habe ich nur selten zu tun, das ist schade."

    Dafür ist Wohlfahrt für die Produzenten ein wichtiger Kontakt zu den Eigentümern. Sie handelt mit ihnen alle Bedingungen und die Bezahlung aus, wenn diese ihre Wohnungen an Filmcrews vermieten. "Da kann es schon mal passieren, dass das ganze Haus ausgeräumt, neu eingerichtet und die Wände gestrichen werden." Aber sie hält an einer Bedingung eisern fest: "Alles muss für die Eigentümer in seinen ursprünglichen Zustand zurückgebaut werden." Und vertraglich geregelt sein.

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