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Kirche: Wilhelm Imkamp und sein neues Leben als Seelsorger der Fürstin

Kirche

Wilhelm Imkamp und sein neues Leben als Seelsorger der Fürstin

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    Ein opulenter Schreibtisch ist es, an dem Prälat Wilhelm Imkamp seit Jahresanfang arbeitet. Vom Globus bis zur Madonna, vom Bunsenbrenner für seine Pfeifen bis zum Kruzifix ist alles da.
    Ein opulenter Schreibtisch ist es, an dem Prälat Wilhelm Imkamp seit Jahresanfang arbeitet. Vom Globus bis zur Madonna, vom Bunsenbrenner für seine Pfeifen bis zum Kruzifix ist alles da. Foto: Ulrich Wagner

    Er hat Bücher geschrieben wie „Fit für die Ewigkeit“, hat sonntags in der viel besuchten mittelschwäbischen Wallfahrt Maria Vesperbild von der Kanzel gedonnert oder ist in Talkshows mit pointierten Einwürfen aufgefallen: Prälat Wilhelm Imkamp polemisierte und polarisierte in weltlichen wie in Glaubensfragen mit Witz wie nur wenige Geistliche. Wohl auch deshalb hat er es auf eine Medienpräsenz gebracht, die vielleicht gerade noch vom Papst übertroffen wurde. Zumindest hat dies die Süddeutsche Zeitung einmal so beschrieben.

    Im Januar dieses Jahres gab Imkamp die Wallfahrt auf, die er groß gemacht hat und zu der noch heute an hohen kirchlichen Feiertagen Tausende von Gläubigen strömen. Der Grund der Demission: eine schwere Migräne, die Hochwürden regelmäßig plagt. Imkamp ging in Ruhestand. Während andere ins Priesterseniorenheim ziehen, wählte er eine luxuriösere Variante und zog zu seiner fürstlichen Freundin, der ebenso vom Katholizismus und Imkamp begeisterten Gloria von Thurn und Taxis, aufs Schloss Sankt Emmeram nach Regensburg. Dort leitet er seitdem die riesige Bibliothek und gibt eine Schriftenreihe heraus. Und: Er ist sozusagen auch Privatseelsorger der Fürstin.

    An der eher unscheinbaren Schlosspforte kommt einem ein bekanntes Gesicht entgegen: Imkamps treue Seele, seine langjährige Haushälterin Josefine. Sie freut sich sichtlich über den Besuch aus der alten Heimat und führt durch Kreuzgänge des früheren Klosters. Es riecht beißend nach frischer Farbe, gerade wird saniert. Über die uralten Marmorböden sind schon vor hunderten Jahren Mönche getrippelt.

    Gloria von Thurn und Taxis ist nur zum Boxenstopp in Regensburg, sagt er

    Sein Wohnbereich ist voller Andenken und Erinnerungsstücke, die er aus Vesperbild mitgenommen hat.
    Sein Wohnbereich ist voller Andenken und Erinnerungsstücke, die er aus Vesperbild mitgenommen hat. Foto: Ulrich Wagner

    Es geht über einige Treppen durch weitere Gänge. Schließlich öffnet die Haushälterin eine Tür, die zu einer Wohnung führt – zu Imkamps neuer Lebensstätte. Es sind zwei Klosterzellen, die aber keineswegs so aussehen, wie sich der Laie karge Klosterzellen vorstellt. Vielmehr wurden sie zu mehreren weitläufigen Wohn- und Arbeitsräumen umgebaut. Die Wände sind zugepflastert mit Reliquien, Bildern, Heiligenbildern und anderen, teils skurrilen Erinnerungsstücken. Imkamp empfängt seine Gäste in einem dunkel gehaltenen Büro, in dem allerlei Bilder hoher Geistlichkeit hängen. Auch hier sind die Wände dicht bepflastert. Der 66-Jährige lässt sich hinter einem riesigen historischen Holzschreibtisch nieder und stopft eine gewaltige Pfeife.

    Er begrüßt die Gäste herzlich und schon ist man mitten im Thema: Wie es ihm denn als Seelsorger der Fürstin so geht? „Ja, ja, die Fürstin“, schmunzelt Imkamp, zieht an der Pfeife und schickt eine Rauchwolke in den Raum. Wenn sie da sei, komme sie regelmäßig zu ihm in die Messe, erzählt er. Das einzige Manko: Gloria ist nicht allzu oft auf dem Schloss, sondern jettet durch die Welt. „In den letzten Monaten war die Fürstin immer nur zum Boxenstopp hier“, beschreibt Imkamp den Lebenswandel der umtriebigen Aristokatin mit einem Augenzwinkern. Gerade erst weilte sie auf einer Jacht irgendwo im Mittelmeer. Zur Eröffnung der Thurn-und-Taxis-Festspiele aber Mitte Juli war sie vor Ort.

    Imkamp konnte sich nicht unters Publikum mischen. Seine Klosterzellen liegen zwar nicht weit vom Schlosshof entfernt. Doch im Moment fällt ihm das Gehen schwer. Vor einiger Zeit ist er auf einem ungesicherten Teppich in der Bibliothek ausgerutscht und hat sich am Becken verletzt. Seitdem muss er sich auf Krücken stützen. Aber Imkamp, ganz in priesterliches Schwarz gekleidet, klagt nicht. Im Gegenteil, er sieht das Positive: „Die Migräneanfälle sind leichter geworden – ein herrliches Gefühl“, sagt er.

    Die Messe hält er nun in der stillen Gruftkapelle statt in der voll besetzten Wallfahrtskirche

    Also hat Haushälterin Josefine die Führung durch den Trakt übernommen. Sie zeigt die wunderschöne Gruftkapelle, unter der bis heute Fürsten und Fürstinnen sowie unverheiratete Kinder des Hauses Thurn und Taxis ruhen. In dieser Stille liest der 66-Jährige nun die Messe – nicht wie früher in einer voll besetzten Wallfahrtskirche. An kühleren Tagen finden Gottesdienste auch in einer kleineren Kapelle statt, die zu Ehren von Kaiserin Sisis Schwester Helene gebaut wurde, die an dieser Stelle gestorben war. Sie war mit einem Thurn und Taxis verheiratet.

    Alles hier in Schloss Emmeram ist geschichtsträchtig. Kein Wunder, dass sich der historisch höchst bewanderte Imkamp wohlfühlt. Der glaubhaften Überlieferung nach wurde sogar der heilige Emmeram hier gegen 690 an der Stelle der späteren Klosterkirche beigesetzt. Sein erstes Grab befand sich vor der südlichen Apsis. Besser kann’s für Imkamp, einen Geistlichen seiner Prägung, kaum kommen.

    Nicht weit davon entfernt ist die Bibliothek, die zu den größten privaten Sammlungen in Deutschland zählt. Mehr als 1150 Meter Buch an Buch finden sich hier gereiht. Aber auch nach einem halben Jahr ist immer noch nicht alles in den Regalen. In einer etwas aus der Zeit gefallenen Sitzgruppe kann man hier verweilen und schmökern. Dahinter ist Imkamps zweites Arbeitszimmer. Zurzeit ist es verwaist.

    Dem Champagner zum Mittagessen genießt Imkamp noch immer

    Selbst wenn man sich Schloss Emmeram vor dem Besuch im Internet angeschaut hätte, ist man beeindruckt von der schieren Größe dieses Schlosses, das mitten in Regensburg liegt. Die Familie bewohnt, wenn sie denn da ist, nur einen Teil davon. Der Rest ist vermietet an Leute, die es sich leisten können – Notare, Rechtsanwälte, auch eine Seniorenresidenz gibt es.

    Imkamp rückt sich im Ledersessel zurecht. „Wollen Sie Kaffee?“, fragt er. Wenig später bringt die Haushälterin zwei Tassen und selbst gemachtes Plundergebäck. An der Seite seines Schreibtisches steht ein hölzerner Wagen mit Spirituosen aller Art. Darauf ist ein Teil der beachtlichen Sammlung an Pfeifen des Prälaten, der lange Zeit auch Gutachten für die Heiligsprechungs-Kommission des Vatikans erstellte.

    Wer jetzt meint, so viele weltliche Genussmittel würden sich für so einen katholischen Geistlichen nicht ziemen, kennt Imkamp, den manche auch als Hardliner der Kirche bezeichnen, schlecht. Dessen frohe Botschaft lautet nämlich: „Sei kein Spießer, sei katholisch!“ Und zur Lebensfreunde gehören im Selbstverständnis des früheren Wallfahrtleiters sowohl gutes Essen als auch mal ein hochgeistiges Getränk. Den Champagner „Dom Pérignon“, den er gerne mal zu Mittag trinkt, haben schließlich Mönche erfunden. Mit dem Whiskey allerdings muss er sich inzwischen zurückhalten – wegen der Migräne. Auch mit dem Essen will er aufgrund seines Übergewichts „ein wenig aufpassen“.

    In der Gruftkapelle des Schlosses hält er die Messe.
    In der Gruftkapelle des Schlosses hält er die Messe. Foto: Ulrich Wagner

    Mit im Raum ist übrigens auch Imkamps junger, schwarzer Begleiter – ein Mops namens Albizzi, den er nach einem Kardinal aus dem 17. Jahrhundert benannt hat. Das ist ganz sein Humor. Albizzi hatte es gewagt, einen regierenden Papst unter dessen bürgerlichem Namen vors Inquisitionsgericht zu laden.

    Plötzlich knirscht und knarzt die hölzerne Zimmerdecke, als würde es im Schloss spuken. „Ist nur eine öffentliche Führung“, klärt der Prälat mit einer lässigen Handbewegung auf. Täglich strömen Besucherscharen durch das Schloss, Imkamps Zellen bekommt die Öffentlichkeit jedoch nicht zu sehen. Die Rede kommt auf die Bundeskanzlerin.

    „Ich vermisse die Wahrhaftigkeit als praktizierte Tugend in der Politik“, klagt Imkamp. Angela Merkel hält er für eine sehr intelligente Frau, die anderen Politikern überlegen ist und diese austrickst, wie er sagt. Einverstanden ist der erzkonservative Geistliche mit ihr allerdings nicht: „Die hat aus der CDU eine SPD light gemacht.“ Sagt’s, nimmt einen Zug aus der monströsen Pfeife und stößt den Rauch ins Zimmer. Er habe jedenfalls seine Zweifel an ihr.

    Die plagen ihn weniger beim US-Präsidenten. Imkamp stört die durchweg negative Berichterstattung über Trump, die seiner Meinung nach nicht gerechtfertigt ist. Dagegen gefällt ihm dessen Einsatz für den Schutz des ungeborenen Lebens. Zu Trumps Verhältnis zu Frauen sagt Imkamp lieber nichts: „Sein Privatleben würde mich nur interessieren, wenn er zu mir in den Beichtstuhl käme.“

    Der Mops springt auf seinen Schoß - das Gespräch ist beendet

    Ob ihm der ganze PR-Rummel oder die TV-Talkshows in der Stille der fürstlichen Klause nicht fehlen? „Der Lautsprecher-Effekt geht mir gar nicht ab“, sagt er. Und dass er nicht mehr wie früher in der Wallfahrt einen Markennamen wie Vesperbild in Umlauf bringen müsse. Trotzdem hat man das Gefühl, Imkamp hätte schon noch das eine oder andere mitzuteilen und dass er immer noch Gefallen an der gezielten Provokation findet.

    Die Kirche sieht er nämlich nach wie vor in Gefahr. Auf den Jesuitenpapst Franziskus ist er nicht allzu gut zu sprechen. Er regiere sehr autoritär und seine persönliche Beliebtheit aufgrund seiner scheinbar unbekümmerten Art strahle überhaupt nicht auf die Kirche aus. Noch weniger mag er den Münchner Kardinal Reinhard Marx, der ihm viel zu liberal erscheint: „Einige unserer Bischöfe leben in erstaunlicher Realitätsferne, manche sogar in Realitätsverweigerung.“ Das Ringen der Kirche um gesellschaftliche Anerkennung ist Imkamp ein Dorn im Auge: „Jesus ist hingerichtet worden, weil er eben keine gesellschaftliche Akzeptanz hatte.“

    Darf bei Imkamp nie fehlen: die Pfeife.
    Darf bei Imkamp nie fehlen: die Pfeife. Foto: Ulrich Wagner

    Nach Vesperbild unterhält er derzeit wenig Beziehung. „Ich möchte da meinen Nachfolger in Ruhe arbeiten lassen.“ Er will zumindest ein Jahr ins Land ziehen lassen und erst dann wieder mit den Menschen seiner früheren Wirkungsstätte Kontakt aufnehmen. Derweil kann er sich an den unzähligen Erinnerungsstücken laben, die er aus dem Pfarrhaus mitgebracht hat. Die Wände sind voller Bilder, Heiligenstatuen, Wandtafeln. Im Nebenzimmer hat er einen kleinen Altar errichtet, um auch hier den direkten Draht nach oben aufbauen zu können.

    Man könnte sich mit Imkamp stundenlang über Gott und die Welt unterhalten und auch streiten. Der Mops springt auf seinen Schoß und gibt so das Zeichen zum Aufbruch. Der Prälat lächelt. Der Hund bringt Leben in die Ruhe des Schlosstraktes. Imkamp selbst will wieder schreiben – nichts Populäres, sondern über die Theologiegeschichte der Privatoffenbarungen.

    Irgendwie fehlt ihm hier scheinbar das Lebhafte, das Volkstümliche, das Bunte seiner Wallfahrten von Maria Vesperbild. Auch wenn er das so wahrscheinlich nie zugeben würde. Man hat das Gefühl, er würde ganz gerne wieder vor Tausenden von Menschen predigen oder eine Fahrzeugweihe durchführen und sich fürs gemeinsame Erinnerungsfoto dazustellen. Denn ein PR-Mann Gottes, wie man ihn bisweilen ja ob seiner Geschäftigkeit bezeichnete, wirkt auch in einer so vornehmen Umgebung ein bisschen wie ein begnadeter Redner mit viel zu wenig Publikum.

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