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Interview: Untersuchungsausschuss: So soll die Maskenaffäre aufgeklärt werden

Interview

Untersuchungsausschuss: So soll die Maskenaffäre aufgeklärt werden

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    Ein alter Hase und ein junger Neuling: Der frühere bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) und der Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann wollen Licht in die dubiosen Maskengeschäfte von Politikern bringen.
    Ein alter Hase und ein junger Neuling: Der frühere bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) und der Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann wollen Licht in die dubiosen Maskengeschäfte von Politikern bringen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Herr Bausback, Herr Siekmann, Sie leiten im Landtag gemeinsam den Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre, in deren Zentrum die schwäbischen Politiker Georg Nüßlein und Alfred Sauter stehen. Die Empörung über diese Geschäfte und die dicken Provisionen war groß. Aber bis jetzt hat noch niemand die Frage beantworten können, warum Unternehmer Vermittler aus dem Parlament brauchen, um dem Staat medizinisches Material verkaufen zu können. Wenn der Staat händeringend nach Masken sucht, müsste doch ein einfacher Anruf beim zuständigen Ministerium eigentlich reichen.

    Winfried Bausback: Diese Frage ist in der Tat nicht einfach zu beantworten. Ich hoffe sehr, dass wir da am Ende des Untersuchungsausschusses schlauer sind. Vermittler einzuschalten ist im internationalen Geschäft meines Wissens zwar üblich, weil es ja durchaus Hürden geben kann, zum Beispiel wenn ein Lieferant in Asien sitzt. Aber in den Fällen, die uns hier beschäftigen, saßen die Zwischenhändler in Deutschland. Also: spannende Frage.

    Florian Siekmann: Für mich ist das sogar eine der zentralen Fragen im Untersuchungsausschuss. Nach allem, was wir bisher wissen, waren es genau die ersten beiden Einkäufe von FFP2-Masken, die das bayerische Gesundheitsministerium bei den Firmen Emix und Lomotex getätigt hat, die unter Vermittlung stattgefunden haben und bei denen Provisionen gezahlt wurden. Diese Geschäfte werden wir uns selbstverständlich besonders genau anschauen. Welche Angebote lagen in den ersten Wochen der Pandemie vor? Welche Geschäfte kamen wie zustande? Gab es Alternativen? Wir haben dazu einiges in den Akten.

    Aber Sie haben noch keine Antwort?

    Siekmann: Aus den Akten können wir heute noch nicht plaudern. Da müssen wir uns an die Regeln im Untersuchungsausschuss halten.

    Bausback: Außerdem wird geklärt werden müssen, wie die Gesamtsituation sich damals dargestellt hat. Die Versorgungslage hat sich gerade zu Beginn der Krise zugespitzt. Der Bedarf an Masken wurde immer größer – in Deutschland und international. Wirklich beurteilen können wir das alles erst, wenn wir die Gesamtumstände kennen.

    Zu den Akten. Es heißt, es habe noch nie ein Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag so viele Akten angefordert wie dieser. Wie viele sind es denn?

    Siekmann: Bisher ist noch gar nicht alles da, nur die Akten zum Teil B des Fragenkatalogs, in dem es um die Maskengeschäfte geht, an denen Abgeordnete beteiligt waren. Damit fangen wir an. Das sind etwas über 3000 Akten beziehungsweise Vorgänge…

    Bausback: ... über 3100 ...

    Siekmann: ... richtig, über 3100. Das entspricht etwas mehr als fünfzig Gigabyte. Und dann muss man noch wissen, dass eine Akte manchmal nur zwei oder drei Seiten umfasst, manchmal aber auch über 10.000.

    Bausback: "Wir bekommen die Unterlagen zum Glück elektronisch übermittelt"

    Könnten Sie das, damit man sich das vorstellen kann, mal in Aktenordner umrechnen?

    Bausback: Ein kleiner Lastwagen voller Akten wäre es sicherlich. Wir bekommen die Unterlagen zum Glück elektronisch übermittelt – und auch nicht alles auf einmal, sondern geordnet und dann, wenn wir es brauchen. Die Ministerien sind da sehr kooperativ.

    Wie können Sie es bewältigen, das alles zu lesen?

    Bausback: Ich bin nicht mehr der Jüngste. Und ich würde vermuten, dass meine potenzielle Lebenszeit nicht mehr dafür ausreichen würde, alles zu lesen. Unsere Mitarbeiter aber werden gut beschäftigt sein.

    Siekmann: Wir müssen nicht alles lesen. Das wäre auch zeitlich gar nicht möglich. Es sind ja zum Glück nicht nur Schriftsätze und E-Mail-Verkehr in den Akten, sondern alle möglichen Datensätze, Angebotslisten oder Inventarlisten aus dem Pandemiezentrallager. Es geht darum, dass wir die relevanten Vorgänge erfassen und im Bedarfsfall auf die Details zurückgreifen können.

    Siekmann: Im Kern gehe es um "das wirklich krasse und unethische Verhalten bei den Maskengeschäften"

    In Teil B geht es um die Aufklärung der Maskenaffäre im engeren Sinn. Die Teile A und C betreffen die Verhaltensregeln für Abgeordnete und ihre möglichen Geschäfte. Das ist eine Besonderheit dieses Untersuchungsausschusses: Es wird eine Bestandsaufnahme über geschäftliche Aktivitäten aller bayerischen Abgeordneten in Landtag, Bundestag und Europaparlament gemacht, um für die Zukunft zu klären, was Abgeordneten alles an Nebentätigkeiten gestattet ist und was nicht…

    Bausback: Nach vorne gerichtet haben wir in einem guten Miteinander der Fraktionen im Landtag schon viel getan. Wir haben bereits massive Veränderungen im Abgeordnetenrecht vorgenommen. Aber wir wollen auch wissen, was es sonst noch gibt. Auch daraus könnten sich noch Anstöße für Verbesserungen ergeben.

    Siekmann: Im Kern geht es darum, dass wir das wirklich krasse und unethische Verhalten bei den Maskengeschäften zum Anlass nehmen, um zu schauen, ob es so etwas in der einen oder anderen Form auch in anderen Zusammenhängen gegeben hat. Wir wollen eine tiefergehende Analyse machen. Aber auch wir sind froh, dass Bayern jetzt das strengste Abgeordnetenrecht hat.

    Wann kommen die ersten Zeugen?

    Bausback: Wir werden die erste Zeugenliste möglichst noch im Februar gemeinsam erarbeiten und dann hoffentlich im März die ersten Zeugen hören.

    Bausback: "Es ist unsere Aufgabe, alle Fragen des Parlaments bestmöglich zu beantworten. Aber wir haben nicht unbegrenzt Zeit"

    Wie lange wird es dauern, bis Sie mit dem Untersuchungsausschuss durch sind?

    Siekmann: So lange wie nötig und so kurz wie möglich. Wir wollen sauber und zügig aufklären.

    Bausback: Dabei darf man aber nicht vergessen, dass unser Handlungsspielraum begrenzt ist. Wir können zum Beispiel nicht sagen, dass wir die eine oder andere Frage einfach fallen lassen. Es ist unsere Aufgabe, alle Fragen des Parlaments bestmöglich zu beantworten. Aber wir haben nicht unbegrenzt Zeit. Wir müssen vor Ende der Legislaturperiode fertig sein.

    Keine Prognose?

    Siekmann: Ich wage mich jetzt einmal vor und sage: Es wäre gut, wenn wir es schaffen, bis Ostern 2023 einen Abschlussbericht vorzulegen.

    Bausback: Ich hätte den Anspruch, unsere Arbeit zwischen Anfang 2023 und Ostern 2023 abzuschließen. Ich erwarte da auch von allen Abgeordneten im Ausschuss höchstes Engagement. Wir haben vereinbart, dass wir Donnerstag und Freitag als reguläre Sitzungstage nutzen. Ich erwarte auch, dass wir uns, wenn es nötig werden sollte, auch mal in den sitzungsfreien Wochen treffen. Das Parlament und die Bürger haben Anspruch auf gründliche Aufklärung.

    Siekmann: "Wie konnte es sein, mithilfe politischer Kontakte solche Geschäfte einzufädeln?"

    Was sind Ihre persönlichen Kernziele?

    Bausback: Ich habe zwei große Ziele. Erstens: Wir müssen ernsthaft untersuchen, ob und wo es persönliches Fehlverhalten gegeben hat. Das ist schon im Interesse der vielen Abgeordnetenkollegen wichtig, die absolut integer sind und hier ihre Arbeit tun. Zweitens: Wir reden über die schwierigste Krisensituation in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg. Deshalb müssen wir der Frage nachgehen, ob und wo es Verbesserungsbedarf in den staatlichen Strukturen und im staatlichen Handeln in Krisensituationen gibt.

    Siekmann: Die Maskendeals haben ja immer nach dem gleichen Muster funktioniert. Wir haben auf der einen Seite Abgeordnete beziehungsweise Lobbyisten, die anklopfen, auf der anderen Seite eine Ministerialverwaltung, die eine Tür aufmacht. Mein großes Ziel für den Untersuchungsausschuss ist es, genau diese Vorgänge zu durchleuchten. Konkret: Wie konnte es sein, mithilfe politischer Kontakte solche Geschäfte einzufädeln? Es geht um mögliches Fehlverhalten Einzelner und es geht um die Frage, welche Verantwortung bei der Regierung liegt, die solchen Geschäften zugestimmt hat. Natürlich müssen am Ende auch die nötigen Konsequenzen gezogen werden.

    Sie beide gehören unterschiedlichen Parteien an, aber wenn man Sie so reden hört, dann scheinen Sie sich in den Sachfragen im Kern einig zu sein. Trifft das zu?

    Bausback: Ich denke schon. Der Untersuchungsausschuss hat seinen Auftrag vom Parlament. Den haben wir zu erfüllen. Wir haben da keine eigenen Kompetenzen, zum Beispiel Fragestellungen zu verändern. Als designierter Vorsitzender des Ausschusses habe ich mich, als es im Vorfeld zwischen den Fraktionen um den Fragenkatalog ging, bewusst zurückgehalten. Die Fragen gehen bis an die Grenze dessen, was die Verfassung erlaubt. Aber ich denke, dass ein guter Fragenkatalog dabei herausgekommen ist.

    Siekmann: Ich sehe eine große Chance darin, dass sich die Fraktionen in intensiven, aber fairen Verhandlungen auf einen umfassenden Fragenkatalog verständigt haben. Damit bleibt es uns im Untersuchungsausschuss hoffentlich erspart, zu oft über Verfahrensfragen streiten zu müssen. Wir können also konzentriert die eigentliche Aufklärungsarbeit vorantreiben.

    Haben Sie beide sich schon einmal gestritten?

    Bausback: Haben wir gestritten?

    Siekmann: Ich würde sagen: Wir haben verhandelt, aber immer mit dem Ziel, ein gemeinsames Ergebnis zu finden.

    Zu den Personen:

    Winfried Bausback, 56, stammt aus Aschaffenburg und ist Jura-Professor. Der verheiratete Vater dreier Kinder sitzt seit 2008 für die CSU im Landtag. Von 2013 bis 2018 war er bayerischer Justizminister.

    Florian Siekmann, 26, stammt aus Rheinland-Pfalz und kam zum Studieren an die LMU nach München. Der Grünen-Politiker sitzt seit 2018 im Landtag.

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