Derblecken am Nockherberg: Am Ende hilft nur noch ein Cannabis-Zäpfchen
Fastenprediger Maxi Schafroth versucht, die Politik auf den Pfad der Tugend zu lotsen – und langt dabei selber ganz schön hin. Der Höhepunkt bleibt das Singspiel.
Ob es gelingt, "die Spirale der verbalen Hochrüstung" in der Politik zu unterbrechen und zurückzufinden zu Anstand und Achtung vor den Mitmenschen? Maximilian Schafroth, Fastenprediger beim Starkbieranstich am Nockherberg, hat es zumindest versucht, die Damen und Herren an den Spitzen von Staat und Parteien auf den Pfad der Tugend zu lotsen. Dass er Erfolg hat, darf bezweifelt werden. Direkt nach der Fastenpredigt nämlich wurde die nach Strich und Faden derbleckte Politprominenz in ein traumatisches Geschehen entführt, an dessen Ende nur noch Cannabis-Zapferl helfen, um der gruseligen Wirklichkeit zu entkommen.
Eines steht schon mal fest an diesem Abend bei Paulaner am Nockherberg: So ein Fastenredner ist auch nur ein Mensch. Die strengen moralischen Maßstäbe, die Schafroth anlegt, reißt er in seiner leidenschaftlichen Rede selbst das eine oder andere Mal. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, eine "wirbellose Existenz"? Das kann dem Schafroth nur sein Bruder, diese "linksgrüne Socke" ins Predigtmanuskript geschrieben haben, oder? Dass Katharina Schulze, die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, dreinschaut wie ein "geköpftes Maiglöckchen", das an "Biene-Maja-Burn-Out" leidet, ist zumindest noch halb nett formuliert. Aber Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) als "karrieregeiles Erdmännchen" zu bezeichnen – ja, geht´s noch?
Nockherberg 2024: Gäste aus Berlin lernen über bayerische Befindlichkeiten
Immerhin, die wenigen Gäste aus dem fernen Berlin – unter ihnen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert – bekommen von Schafroth einen Crash-Kurs über Bayern. Sie lernen, dass eher Alfons Schuhbeck ein Praktikum im Finanzamt macht, als dass in Bayern gegendert wird. Sie lernen, dass es in Bayern gesitteter zugeht als gedacht: "Erst saufen, dann schlägern und am Schluss auf Latein darüber sinnieren."
Und sie lernen sogar ein klein wenig über innerbayerische Befindlichkeiten. Dass der Franke Söder bei den Grünen kein Bayern-Gen erkennt, kommentiert der Fastenredner aus dem Allgäu mit den Worten: "Sich von einem Franken das Bayern-Gen absprechen lassen, das ist, als würde mir der Koch einer brandenburgischen Autobahnraststätte erklären, wie man Allgäuer Kässpatzen macht."
Am Ende der Fastenrede am Nockherberg wird es dann noch einmal ernst
Am Ende der Fastenrede wird Schafroth noch einmal ernst, lobt Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), dass sie stets den richtigen Ton findet, und fordert alle anderen auf, sich anzustrengen, zuzuhören und dem politischen Gegner nicht den Verstand abzusprechen.
Im Singspiel zeigt sich danach, dass Albträume viele Formen annehmen können: Für Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kommt der Traum diesmal in Form einer Bocksbeutelflasche daher: "Für einen mediterranen Typen wie mich ist Frankenwein Gift", erklärt sein Kopfweh-geplagtes Double Gerhard Wittmann im Bienen-Kostüm auf der Singspielbühne: "Und ein saurer Zipfel war auch noch drin."
Im Nockherberg-Schauspiel müssen sich die Politiker ihren Alpträumen stellen
Zwar steht die Bühne wie immer im Nockherberg-Wirtshaus in der Münchner Au. Doch das Schauspiel findet diesmal irgendwo in einer Horror-Klinik "in Fucking Franken" statt, wie ein als veganer Vampir verkleideter Robert Habeck (Thomas Limpinsel) erklärt.
Denn die Autoren Richard Oehmann und Michael Betz lassen die Münchner und Berliner Polit-Prominenz diesmal nach einem schweren Unfall bei der Rückfahrt von der Fastnacht in Franken in einem schrägen Krankenhaus aufwachen. Alle haben noch ihre Veitshöchheim-Kostüme an – Markus Söder (Thomas Unger) als Bismarck, die Grüne Katharina Schulze (Sina Reiß) als Barbie. CDU-Chef Friedrich Merz (David Zimmerschied) war inkognito als Pippi Langstrumpf beim "Ringelpiez in Franken". Und Kanzler Olaf Scholz (Nikola Norgauer) reicht ein kleines Papphütchen als Verkleidung.
In der Klinik müssen sich die Politiker ihren schlimmsten Alpträumen stellen: Merz etwa wird endlich Kanzler – aber nur mit "Chrissie" Lindner (Christian Pfeil) und "Robbie" Habeck als Koalitionspartner. Zuvor hat das Ampeltrio Lindner, Habeck, Scholz ("Good Cop, Bad Cop, Fischkopp") versucht, Markus Söder bayerisches Geld abzuluchsen. Und Hubert Aiwanger verliert bei der Sprachtherapie seinen Dialekt: "Kreuz, Birnenbaum und Holunder-Staude", schimpft er deshalb auf Hochdeutsch.
Zum Erwachen hilft nur noch das Cannabis-Zäpfchen
Doch das Salz in der Nockherberg-Suppe sind auch diesmal die Lieder: Agrarministerin Michaela Kaniber (Judith Toth) erklärt den grünen Wurst-Skeptikern musikalisch das bayerische Tierwohl-Prinzip: "Da hüpft jedes Schweinderl ganz selber ins Reinderl." Markus Söder träumt zur Melodie von "La Boum" mit platzenden Seifenblasen: "Der Weg zur Kanzlerschaft klappt traum- und zauberhaft." Und Hubert Aiwanger (Stefan Murr) als selbsternanntes "Maggi in der politischen Suppe Bayerns" erklärt seine "Hubertät": "Was in der Jugend gewesen, das weiß kein Mensch heut’ mehr."
Am Ende des "Albtraum-Workshops" helfen der Polit-Prominenz beim Erwachen in der harten Realität nur noch Cannabis-Zäpfchen. Aber wie meist am Nockherberg macht auch diesmal ein gemeinsames Abschieds-Lied Hoffnung: "Irgendwann, irgendwo, werden alle wieder froh!"
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Ich komme aus Franken und weiß gar nicht, ob ich das beurteilen kann und darf:
Aber ich finde, Schafroth hat das fantastisch gemacht. Ich hoffe, die Angesprochenen haben gut zugehört.
Das hier manche im Forum sauer auf Maxi Schafroth sind ist nachvollziehbar. Er hat das mit der AfD klar zusammengefasst: Solange die AfD sich nicht von den Faschisten und Nationalisten in der AfD distanziert, ist diese Partei eine Gefahr für die Freiheit in Deutschland. Die Anhänger der AfD sehen nur, dass in der AfD auch Dinge angesprochen werden die richtig sind. Sicherlich gibt’s auch Vertreter der AfD die ganz in Ordnung sind. Aber die mächtigen Strippenzieher sind Nationalisten, Rassisten und Faschisten.
Was cwaren das noch für Zeiten mit einem Bruno Jonas. Und jetzt dieser Schafroth dagegen einfach nur unterirdisch. Werde mir das nie wieder antun.
Aiwanger wurde am meisten derbleckt und MP Söder geschont, obwohl dieser den Aiwanger an Derbheit oft übertrifft. Von vielen hier
im Forum wird jedoch der Fastenprediger Schafroth kritisiert, weil er sich getraut hat, die beiden politischen Zündler beim Namen
zu nehmen, was in Bayern einer Majestätsbeleidigung gleichkommt. Bernd Mögele hier im Forum hat sogar ausgemacht, dass der
Fastenprediger ein Grüner ist und diese für Herrn Mögele wohl ein rotes Tuch und an allem schuld sind, was schief läuft in Deutsch-
land. Dagegen wohltuend die Meinung hier von Gerald D.
Wolfgang B.: Wie der Name schon sagt: Es ist eine Predigt. Den Oberen werden die Leviten gelesen, aber auch die Unteren - also wir - sollen zum Nachdenken angeregt werden. Wobei da halt leider für manch einen das Nachdenkenswerte zum einen Ohr rein und zum anderen wieder rausgeht. Umso mehr freut es mich, wie Herr Wildegger meinen Kommentar sieht. Ein - wie ich ihn oft lese - durchaus Konservativer. Aber er hat aus meiner Sicht gut verstanden, wie Schafroth es gemeint hat. Mag sein, dass der ein Grüner ist. Aber was er den Grünen ins Stammbuch geschrieben hat, war sehr deutlich: Mal aus ihrer Blase raus zu den Leuten gehen und nicht immer im eigenen Saft schmoren. Und: Zuhören ist das Gegenteil von reden. Klasse! Aber man muss es halt HÖREN mögen. Und da fehlt's mir manchmal ein wenig bei den Zuhörenden (ui, das war jetzt gegendert...). Oben wie unten!
Ich habe vermutlich bisher ein Dutzend Fastenpredigten gesehen - von Sedlmayr bis Lerchenberg, von Django Asül bis zur Mama Bavaria. Die aktuelle Rede war eine der besten. Maxi Schafroth hat sich enorm gesteigert, zumal er nicht mehr selbst am meisten über seine Pointen lachte. Er hat Tacheles gesprochen und niemanden verschont. Eine Fastenpredigt ist kein Kabarett und auch kein Comedy. Ob sie allerdings etwas bewirkt in den Köpfen derjenigen, die gemeint sind, bezweifle ich. Das merkt man bereits hier an den Kommentaren einiger Foristen.
Sie schreiben kein Kabarett, kein Comedy. Dann sagen Sie uns doch mal was die Fastenpredigt ist oder sein soll.
Gerald D. Sie haben das gut zusammengefasst, und gerade Ihr letzter Satz, es würde schon genügen, wenn es in den Köpfen der angesprochenen Politiker etwas bewirken würde, und ich nehme keine der anwesenden Parteien aus. Wie es die Foristen sehen ist eine andere Sache.
Ihren Aussagen kann ich voll und ganz zustimmen @Gerald D.
hatte ich mich letztes Jahr (und auch zuvor) über "sein Gekicher" noch schwer geärgert, muss ich ihm gestern attestieren, dass er aus seinen früheren Fehlern wohl gelernt hat (vielleicht hat er auch die Kritken dazu gehört/gelesen)
Diese heurige Fastenrede würde ich sagen war sehr gut, besondern seine Schlusssätze, sollten "so Manchen" im Saal und vor Allem die dabei angesprochenen Politiker, (aller Parteine) bitte zum Nachdenken bringen, Ja!
Das Singspiel werde ich mir am Sonntag nochmals anschauen, da ich leider wegen meiner "ständigen schweren Arbeiten untertags" etwas müde wurde und einen Teil verschlafen habe und erst am Ende wieder aufgewacht bin.
Aber wie ich dann hinterher an diesem gemeinsamen Stammtisch gesehen habe, wurde es allgemein gelobt.
Ich finde die Doppelgänger waren optisch (besonders der Olaf Scholz von einer Frau dargestellt) und im Auftreten, von den anwesenden Politikern doch zumeist gelobt wurden, es gab eigentlich wenig Negatives von Ihnen zu hören, Nein.
Wer es nicht gesehen hat, kann sich hier auch etwas informieren:
https://www.br.de/nachrichten/bayern/nockherberg-2024-starkbierfest-singspiel-fastenrede-live-im-stream-und-im-ticker,U5TgflF?utm_name=Newsletter&utm_source=BR24-Newsletter&utm_medium=Link-Mail&utm_term=oz&utm_motiv=oz&utm_time=2024-02-28T15:00:00
> Ticker-Nachlese: Die besten Sprüche am Nockherberg
Ticker-Nachlese: Die besten Sprüche am Nockherberg
>>Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg in München: Bei Singspiel und Fastenrede wurde wieder ordentlich ausgeteilt. Die Höhepunkte zum Nachlesen im Ticker.<<
@Wolfgang B.
Was die Fastenpredigt sein soll? Eine PREDIGT, und zwar eine, die sich gewaschen hat. Und genau das war sie. Und sie hat die Richtigen getroffen. Fehlende Ausgewogenheit? Die beiden Parteispitzen waren zurecht am meisten vertreten, der Rest ist nur Fußvolk und betet nach, was ihre großen Vorsitzenden verkünden. So sieht es mittlerweile aus.
Ihrem Meinungsdiktat ordne ich mich zu 100% nicht unter, @Frau Reichenauer.
Man merkt einfach, dass Maxi Sch. ein Grüner ist. Diese Lobhudelei auf die Grünen ist nicht mehr zu ertragen. Ich wünsche mir Django Asül zurück. Der hat noch richtig derbleckt!
Ist er ein Grüner? Ist das so? Oder glauben Sie das nur? Und von welcher Lobhudelei reden Sie? Schafroth hat sich genau die richtigen zur Brust genommen – die, die die politische Diskussion vergiften und vor infamen Beleidigungen nicht Halt machen. Die keinen Respekt haben vor politischen Mitbewerbern, die sich am politischen Gegner abarbeiten, statt ihren Job zu machen? Haben Sie von den Grünen mal solche Beschimpfungen gehört wie von Söder oder von Aiwanger?
Ich hab' mir die Sendung mal wieder komplett angesehen (bis zum Stammtisch). Das Singspiel war in Ordnung und ziemlich gut. Charaktere wurden gut getroffen und singen konnten sie auch. Die Fastenpredigt, oder wie immer man den Vortrag bezeichnen will, von M.S. war wie die letzten Male auch, weit unterdurchschnittlich. Das lag nicht nur an mangelnder Ausgeglichenheit ("Markus" und "Huber" waren zu geschätzt 50% vertreten) sondern auch an mangelndem Wortwitz, Zentrum des "Derbleckens". Ich würde ihm empfehlen mal seine Vorgänger, so ab 1975, anzusehen. Da waren wirkliche Highlights dabei.
Stimmt, maximale Derbheit trat da häufig an die Stelle von fehlendem Wortwitz. Andererseits sollte vom Fastenprediger kein höheres Niveau erwarten als vom Ministerpräsidenten „höchstselbst“.
Söder hat nämlich bei seinen Bierzeltreden gebrüllt: „Die halbe Welt frisst und säuft gern bayerisch.“
Ähnlich derb gestern der Fastenprediger. Er sagte gestern Richtung „liebe Blaue“, „wir können einen sauberen Tonfall finden“ um dann gleich anschließend in den Saal zu rufen: „Ich werde nicht zulassen, dass die Ebner-Steiner hier vorne medienwirksam einen Schweinsbraten z’ammfrisst“. Hierfür erntete er großen Beifall.
Bei diesem mir peinlichen Ausruf ist nicht nur meine anfängliche Enttäuschung über das Fernbleiben der Berliner Politprominenz verflogen, nein, ich war an dieser Stelle sogar erleichtert darüber.
Verständlicherweise wünscht sich ein Mitforist Django Asül zurück. Ich habe hier aber auch Bruno Jonas in bester Erinnerung.
Helmut Eimiller
Ähnlich derb gestern der Fastenprediger. Er sagte gestern Richtung „liebe Blaue“, „wir können einen sauberen Tonfall finden“ um dann gleich anschließend in den Saal zu rufen: „Ich werde nicht zulassen, dass die Ebner-Steiner hier vorne medienwirksam einen Schweinsbraten z’ammfrisst, dann ging die Kamera auf Frau Knobloch, Holocaustüberlebende und dann hat das Publikum geklatscht Herr Eimiller
dann wer halt für Sie weit unterdurchschnittlich, und auf die Zeiten auf die Sie anspielen, da war die Welt noch eine andere,
jetzt kam eben manches Nachdenkliche
@Gisela B.: „dann ging die Kamera auf Frau Knobloch, Holocaustüberlebende, und dann hat das Publikum geklatscht, Herr Eimiller“
Dabei dachte ich bislang, auch beim Nockherberg verfolgen die Gäste das Geschehen direkt (live).
Wenn mir bewusst gewesen wäre, dass es die Bilder der Kamera waren, die das Klatschen im Saal auslösten, hätte ich natürlich meine Bemerkung hinsichtlich des Beifalls unterlassen.
Ich bitte um Nachsicht; ganz ehrlich, es war reine Unkenntnis meinerseits.
Helmut Eimiller
Fazit Nockherberg: Das Niveau singt, äh sinkt.
Für manche ist ein Bierzeltabend ohne frauenfeundliche Witze und Grünenbashing halt nicht lustig.
Anmerkung: Zwei Präsentationen verdienen Erwähnung: Die Darstellung der Bayrische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber war künstlerisch hervorragend; aber das absolute Highlight war die Darstellung von Münchner OB Dieter Reiter als Biene Maja; nicht nur weil es komisch, lustig und sympathisch war sondern den Menschen und die Meinung der Bürger vollstes reflektierte. Das ist Humor, der als Kunst am schwersten darzustellen ist.