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Pokémon Go: Pokémon Go erobert die Welt: Wie ist dieser Hype möglich?

Pokémon Go

Pokémon Go erobert die Welt: Wie ist dieser Hype möglich?

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    Mit Pokémon Go können Spieler überall auf die Suche nach den Taschenmonstern gehen.
    Mit Pokémon Go können Spieler überall auf die Suche nach den Taschenmonstern gehen. Foto: Sebastian Gollnow (dpa)

    Seit knapp einer Woche ist Deutschland ein geteiltes Land. Das mag sehr zugespitzt klingen. Es ist aber was dran. Wenn man so will, gehören Passanten auf der Straße seit dem 13. Juli zwei Gruppen an. Für die einen sind Straßen einfach Straßen, Häuserecken einfach Häuserecken und Denkmäler einfach Denkmäler. So wie immer.

    Die zweite Gruppe bewegt sich in einer anderen, neuen Welt. Einer Pokémon-Welt. Sie hat sich das Spiel Pokémon Go aufs Handy geladen, das eben seit vergangenen Mittwoch verfügbar ist. Auch für sie sind die Straßen, Häuserecken und Denkmäler real. Aber es sind eben mehr als Straßen, Häuserecken und Denkmäler. Es sind Pokéstops, Arenen oder Orte, an denen sich Pokémon gut fangen lassen. Diese zweite Gruppe erkennt man ganz wunderbar am Blick aufs Smartphone.

    Pokémon Go begeistert durch die erweiterte Realität

    Ein Abend am Augsburger Dom. An der Reiterstatue des heiligen Ulrich sitzen etwa 20 Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren. Alle starren auf ihr Handy oder Tablet. Der Kopf ist gesenkt. Gerade läuft ein älteres Ehepaar vorbei. Die beiden schauen fast ehrfürchtig auf die Kirche, sie lesen die Infotafeln an den Römermauern. Legen den Kopf in den Nacken und lassen den Blick schweifen. Dennoch entgeht ihnen etwas. Nämlich das, was man ohne Smartphone nicht sieht. Ein Ereignis in der Pokémon-Welt. An der Ulrichsstatue hat jemand ein Lockmodul installiert. Auf dem Handy-Display regnet es rosa Konfetti. Das zieht Pokémon an und Menschen, die das Spiel spielen. Dieses unglaublich erfolgreiche Spiel.

    Wie bei einem Navigationssystem sind in der App Straßenkarten hinterlegt. Über das GPS im Handy wird der Spieler geortet und auf die Karte seiner Stadt platziert. Wenn er umherläuft, bewegt sich die Figur mit. Kommt er an einem Pokémon vorbei, vibriert das Telefon und das Wesen wird auf der Karte angezeigt. Tippt er das Pokémon an, schaltet sich die Handykamera ein und das Pokémon erscheint in der realen Umgebung. Augmented Reality, also „erweiterte Realität“, nennt sich das. Da hockt dann zum Beispiel eine ockerfarbene Taube auf dem Kopf der Reiterfigur.

    Ziel des Spiels ist es, möglichst viele unterschiedliche Pokémon zu fangen, sie zu trainieren und in Teams im Wettkampf um Arenen anzutreten. Wer gewinnt, bekommt die Arena. Drei Mannschaften gibt es – gelb, blau und rot. Natürlich möchte jede die meisten Arenen einnehmen. Zig Millionen Menschen weltweit haben sich Pokémon Go schon heruntergeladen. Die App führt alle Download-Charts an.

    Aber warum?

    Warum spielen so viele Menschen Pokémon Go?

    Timo Zimmermann ist von Anfang an dabei. Seit gut einer Woche ist der 18-jährige Lokführer damit beschäftigt, Pokémon zu fangen. Fragt man ihn nach dem Grund, sagt er: „Weil es einfach Spaß macht“. Dann erzählt er: von Bekannten, die kilometerweit in eine andere Stadt fahren, weil es dort angeblich ein seltenes Pokémon gibt; von Freunden, die sich zusätzliche Akkus fürs Handy kaufen, weil die Batterie so schnell leer ist; von Leuten, die er kennengelernt hat, weil sie auch Pokémon Go spielen. Oft reiche eine Frage wie: Team Blau? Schon sei man im Gespräch. „Bei Pokémon Go hat man sofort was, worüber man sprechen kann.“

    Das Spiel führt auch immer wieder zu skurrilen Situationen. Am Wochenende beispielsweise hat ein 30-jähriger Münchner Bekanntschaft mit der Polizei gemacht. Er hatte einen Joint in der Hand und war so in sein Handy vertieft, dass er nicht bemerkte, wie sich eine Streife näherte. Als die Polizisten ihn ansprachen, war er völlig baff und fragte nur: „Oh Shit, darf ich das noch schnell fertig machen?“

    Das ist Pokémon

    Pokémon sind Fantasiewesen in der gleichnamigen Serie von Videospielen. Diese Videospiele verkauften sich weltweit über 200 Millionen Mal. Damit gehört Pokémon zu den erfolgreichsten Produkten der modernen Spieleindustrie.

    Neben dem Videospiel gibt es unter anderem ein Sammelkartenspiel, eine Anime-Fernsehserie sowie die im Juli 2016 herausgebrachte App "Pokémon Go".

    Zudem sind schon einige Kinofilme über Pokémon erschienen.

    So sieht die fiktive Welt aus: Pokémon leben in der Wildnis gemeinsam mit den Menschen. Sie sind Wesen von unterschiedlicher Gestalt und Größe.

    Pokémon werden von Menschen gefangen, die dann ihre Eigentümer, beziehungsweise ihre "Trainer" sind.

    Durch Abenteuer und Training wachsen Pokémon, gewinnen an Erfahrung und werden stärker.

    Meistens schlüpft der Spieler in die Rolle eines jungen Trainers, der von Ort zu Ort reist, um Pokémon zu fangen und zu trainieren.

    In Duellen kämpfen Trainer mit ihren Pokémon-Teams gegeneinander.

    Das Ziel für Pokémon-Spieler ist es, der beste Trainer der Welt zu werden.

    Timo Zimmermann ist an diesem Abend mit seiner Freundin Lisa Kneitel in der Augsburger Innenstadt unterwegs. Das Paar hat vor dem Abendessen eine Stunde Zeit und jagt die kleinen Fantasiemonster. „Lisa fand das Spiel erst langweilig“, sagt er. „Aber ich habe sie angesteckt.“ Gerade stehen sie am Moritzplatz. Zimmermann unterhält sich mit zwei Fremden. Sie sind im Team Rot, er im Team Blau. Das reicht für eine Stichelei und ein paar Lacher. Da ruft Kneitel: „Oh, ein Fisch auf den Gleisen.“

    Auf dem Handy-Display der 17-Jährigen zappelt ein orangeroter Fisch. In der Pokémon-Welt liegt er mitten auf den Straßenbahnschienen. „Das ist ein Karpador“, sagt Zimmermann. Im unteren Teil des Bildschirms erscheint eine rot-weiße Kugel. Mit einem Wisch über das Display wirft die Schülerin den sogenannten Poké-Ball auf den zappelnden Fisch. Er öffnet sich und saugt das Tier ein. Gefangen.

    ---Trennung_Warum Pokémon Go einen Hype entwickelt_Trennung---

    Genau darin liegt der Clou, sagt Michael Kipp. Dass plötzlich das virtuelle Leben in der Realität erscheint. Kipp ist Professor für Informatik an der Hochschule Augsburg und beschäftigt sich mit interaktiven Medien und der Interaktion von Mensch und Computer. Hinter dem Erfolg des Spiels stecke harte Arbeit, sagt er. „Eigentlich denken wir, dass wir uns schon längst an einen Platz stellen können, und eine App sagt uns: Das, was du siehst, ist das Augsburger Rathaus. Technisch war das bisher eine echte Herausforderung“, sagt der Professor.

    Bei dem neuen Spiel von Nintendo und Niantic funktioniert es. Die Software kann Fische auf Schienen legen und Tauben auf den Kopf von Statuen setzen. „Das ist eine ziemlich beachtliche Leistung. Weil die Software erst erkennen muss, wo eigentlich die Straße ist“, sagt Kipp. Eben jene Verbindung aus Realität und Virtuellem löse den Hype aus – weil es sie so noch nie gegeben habe.

    An den einzelnen Bestandteilen, sagt er, werde schon lange geforscht. „Augmented Reality“ soll etwa für Navigationssysteme eingesetzt werden. Künftig sollen die Wegweiser dann in der Windschutzscheibe und direkt über der Straße liegen, auf der man fährt. Noch klappt das nicht. Auch Spiele, in denen Menschen durch die Straßen ihrer Stadt ziehen, gibt es schon seit einiger Zeit, erzählt der Informatikprofessor. „Es gab in der Forschungswelt schon lange eine Blase, in der alles darauf hingedeutet hat, dass so etwas demnächst kommen wird. Nun ist diese Blase geplatzt, und alle sind begeistert.“

    Hinter Pokémon Go steht eine starke Marke

    Wenn man Zimmermann und Kneitel auf ihrem Streifzug durch Augsburg begleitet, begreift man, dass Nintendo noch etwas anderes richtig gemacht haben muss. „Mein erstes Pokémon hatte ich noch auf einem Gameboy“, sagt der 18-Jährige. „Und schon damals fand ich es wahnsinnig gut.“ Ohne Schwierigkeiten gehen dem jungen Mann Namen wie Traumato, Nebulak und Taubsi über die Lippen. Er kennt die Pokémon seit seiner Kindheit. Seit ziemlich genau 20 Jahren gibt es die Marke. Zuerst erschien ein Videospiel, inzwischen gibt es etliche Konsolenspiele, Kinofilme, eine Zeichentrickserie und Comics mit den Monstern.

    „Hinter dem Spiel steht eine unheimlich starke Marke. Nur Super Mario, was ja auch zu Nintendo gehört, ist ähnlich erfolgreich“, sagt Michael Graf, Mitglied der Chefredaktion beim Spielemagazin Game Star. Die Spieler von heute sind die Fans von damals – so wie Timo Zimmermann.

    Seit 13 Jahren beschäftigt sich Graf beruflich mit der Welt der Computer- und Konsolenspiele. „Das Spiel ist kostenlos, man kann es leicht herunterladen und ausprobieren“, sagt er. Aus seiner Sicht sind das wesentliche Gründe, warum es zu dem Hype gekommen ist. Außerdem lässt sich Pokémon Go überall spielen. Auch wenn die Pokémon-Dichte auf dem Land geringer ist als in der Stadt.

    Experten haben noch nie so einen Hype wie bei Pokémon Go erlebt

    Christoph Zeh arbeitet bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg und analysiert dort Trends im Multimedia-Bereich. Er fasst die Erfolgsfaktoren so zusammen: „Pokémon Go lässt sich einfach lernen, die technischen Voraussetzungen sind sehr niedrig und es entsteht ein gewisser Gruppendruck. Wenn alle meine Freunde das Spiel haben, möchte ich auch wissen, worum es geht.“

    Eine derartige Begeisterung wie bei Pokémon hat Game-Star-Chefredakteur Graf noch nicht erlebt. Auch die Entwickler selbst haben wohl nicht damit gerechnet, dass ihr Spiel so gut ankommt. Am Wochenende haben sie das Spiel für weitere europäische Länder freigeschaltet. Die Server waren völlig überlastet. Fast die gesamte Zeit über war das Spiel nicht verfügbar. Die Spieler waren ziemlich sauer. In der Facebook-Gruppe „Pokémon Go Augsburg und Umgebung“, in der sich Spieler austauschen und zum Jagen verabreden, gab es kein anderes Thema.

    Genau da liegt die Gefahr bei einem Hype. „Er zeichnet sich dadurch aus, dass er sehr steil ansteigt und dann auch wieder abebbt. Sonst sprächen wir von einem Erfolg“, sagt Zeh von der GfK. Sind die Nutzer unzufrieden, verlieren sie das Interesse. Wie lange die Hysterie um Pokémon Go noch anhalten wird, lässt sich also schwer vorhersagen, sagt Zeh. Aber: „Das Spiel basiert auf einer sehr großen Datenbasis, die von einem Vorgängerspiel stammt. Bis das jemand nachmachen kann, wird es sehr lange dauern“, prognostiziert Games-Star-Chefredakteur Graf. Wie bei jedem Hype werde die Begeisterung nachlassen. „Irgendwann wird es nur noch eine Kerngruppe spielen. Aber die ist vielleicht größer als bei anderen Spielen.“

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