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Interview: Sollte man als Laie lieber die Finger von Bitcoins lassen, Herr Experte?

Interview

Sollte man als Laie lieber die Finger von Bitcoins lassen, Herr Experte?

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    Bitcoin ist so etwas wie die alte Dame, die am längsten am Markt und etabliert ist, sagt Gilbert Fridgen.
    Bitcoin ist so etwas wie die alte Dame, die am längsten am Markt und etabliert ist, sagt Gilbert Fridgen. Foto: Justin Tallis, AFP (Symbolbild)

    Herr Prof. Dr. Fridgen, täglich steigen oder fallen die Kurse für Bitcoins, es herrscht Goldgräberstimmung. Wie kaufe ich überhaupt Bitcoins?

    Gilbert Fridgen: Es gibt Handelsplattformen, auf denen man Bitcoins gegen Euro einkaufen kann. Dort muss man sich zuerst registrieren und auch persönlich identifizieren – wie bei einer Bank. Bitcoins kauft man dann aber nicht vom Händler, sondern von anderen Marktteilnehmern, die zeitgleich verkaufen. Was wichtig ist: Diese Handelsplattformen sind nicht unbedingt der perfekte Aufbewahrungsort für Bitcoins, es hat in der Vergangenheit schon Hackerangriffe gegeben. Sicher aufbewahren kann man Bitcoins, wenn man sie zu sich selbst überträgt, beispielsweise in einen elektronischen Geldbeutel, ein Wallet. Dazu muss man aber etwas technisch versiert sein.

    Wie funktioniert das?

    Fridgen: Im Grunde genommen hat man sein eigenes Konto, das sich durch einen sehr komplizierten Schlüssel auszeichnet. An diesen Schlüssel können Sie etwas überweisen und nur Sie als Inhaber dieses Schlüssels können dann darauf zugreifen. Auf dem Computer oder dem Smartphone kann man entsprechende Apps installieren, die eine Wallet-Funktionalität bieten. Diese Anwendungen generieren einen neuen Schlüssel, also ein Konto, und übertragen Ihr Guthaben von dem Handelsplatz dorthin.

    Inwiefern lassen sich die Bitcoins nutzen?

    Fridgen: Die Wallets unterstützen Überweisungen. Man kann an den öffentlichen Schlüssel eines anderen eine bestimmte Summe übertragen. Ein Restaurant würde üblicherweise einen QR-Code mit dem öffentlichen Schlüssel bereithalten, den Sie mit der App scannen und so den Bitcoin-Betrag überweisen. Aktuell würde aber niemand einen Kaffee mit Bitcoins bezahlen, weil der Kurs so rasant gestiegen ist. Außerdem lohnen sich Transaktionen mit Bitcoins im Vergleich zur EC-Karte nicht, sie sind langsam und teuer. Die Bitcoin hat keinen Nutzwert, außer dass sie eine Reservewährung in der Welt der Blockchains ist. Sie ist der US-Dollar der Kryptowährungen.

    Sollte man als Laie besser die Finger von Bitcoins lassen?

    Fridgen: Jeder, für den ein Totalverlust bedrohlich wäre, sollte keinesfalls auf Bitcoins setzen, davor warnt auch die Bankenaufsicht. Die Bitcoin als Investitionsobjekt ist höchst spekulativ. Nichtsdestotrotz kann man verstehen, dass die Leute es attraktiv finden, wenn sie sehen, wie die Kurse nach oben klettern. Auf der anderen Seite kann es auch komplett schiefgehen. Technisch sollte jeder selbst einschätzen, ob er das Thema durchblickt. Wenn ich schon Schwierigkeiten habe, meinen Computer vollständig zu bedienen, dann ist die Bitcoin definitiv nicht das Richtige, da sie nicht benutzerfreundlich ist. Schon mit einem kleinen Fehler kann man sein komplettes Guthaben verlieren, beispielsweise wenn man seinen Schlüssel aus irgendeinem Grund gelöscht hat. Da reicht es schon, das Handy zurückzusetzen, ohne den Schlüssel vorher zu speichern.

    Was muss man beachten, wenn man es trotzdem probieren möchte?

    Fridgen: Man muss sich einlesen und das System verstanden haben. Zur Blockchain-Technologie, die dem Ganzen zugrunde liegt, ist vieles im Internet zu finden. Aber man muss sich intensiv damit auseinandersetzen – vor allem weil die Bitcoin schon relativ alt und daher nicht besonders auf Nutzerfreundlichkeit ausgelegt ist.

    Für wen lohnt es sich noch, Bitcoins zu kaufen?

    Fridgen: Das ist immer ein bisschen ein Blick in eine Glaskugel, denn das ganze Thema zeigt Aspekte einer Blase. Blasen sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass es, auch wenn das niemand mehr glaubt, noch lange weitergeht. Aber es kann auch schnell vorbei sein - Blasen platzen immer plötzlich. Man kann niemandem verbieten, jetzt noch einzusteigen, es kann auch gut sein, dass sich der Wert noch verdoppelt und verdreifacht. Genauso gut ist es aber möglich, dass morgen 30 Prozent verloren gehen und übermorgen weitere 30 Prozent. Darüber muss man sich einfach im Klaren sein.

    Außerdem: Von der technischen Seite betrachtet ist die Bitcoin nicht mehr modern. In der Welt der Blockchains ist sie eigentlich schon veraltet. Sie hat aber eine gewisse Bedeutung, weil sie mit Abstand die größte Kryptowährung ist und weil die Bitcoin für viele auch den Einstieg in die Welt der Blockchains bietet, der insgesamt sehr viel Potenzial zugeschrieben wird. Sie ist in gewisser Weise eine Art Reservewährung. Wenn ich in dieser Welt der Blockchains unterwegs bin und dort investieren möchte, dann halte ich normalerweise mein meistes Geld in Bitcoins vor. Wer Spielgeld übrig hat, kann es an dieser Stelle investieren.

    Wie erklären Sie einem Laien, was hinter der Blockchain-Technologie steckt?

    Fridgen: Eine Blockchain kann man sich vorstellen wie ein Notizbuch, das jeder von uns immer bei sich trägt. Wenn ich Ihnen also eine Bitcoin übertrage, sieht jeder, dass jemand mit einer bestimmten Nummer an eine andere Nummer eine Bitcoin übertragen hat. Das lässt sich auch nicht mehr ausradieren. In dieses Notizbuch lässt sich noch deutlich mehr reinschreiben. Wenn man ein Paket bestellt, könnte man notieren, dass der Versender erst genau dann auf das Geld zugreifen kann, wenn das Paket zugestellt wurde. Das ist nur ein simples Beispiel – mit der Blockchain-Technologie könnte man das, was Ebay, Uber und Airbnb heute anbieten ohne einen zentralen Betreiber, der mitverdienen möchte, umsetzen. Viele sagen, die Blockchain könnte so auch Banken vollständig ersetzen. Natürlich kann man auch heute schon online Geld an jemand anderen übertragen, dazu braucht man aber immer eine Bank, der beide Seiten vertrauen. Trotzdem wird die Blockchain eine Bank nicht ersetzen, weil Banken auch ganz andere Funktionen haben, als nur Transaktionen zu übermitteln.

    Wie weit ist die Entwicklung von Alternativen?

    Fridgen: Es gibt bereits diverse Nachfolgetechnologien – das Konzeptpapier von Bitcoin ist neun Jahre alt und die Implementierung acht Jahre, in dieser Zeit hat sich technisch einiges getan. All die Nachteile der Bitcoin wie der häufig kritisierte hohe Energieverbrauch sind von den neuen Technologien gelöst. Die Bitcoin ist so etwas wie die alte Dame, die am längsten am Markt und etabliert ist. Auf der anderen Seite gibt es aber Blockchain-Technologien, die über kurz oder lang die Bitcoin ablösen werden, auch weil sie deutlich umfangreichere Funktionen haben und deutlich mehr können als einfach nur eine Währung darzustellen. Zwei Beispiele dafür sind Ethereum und IOTA.

    16 der insgesamt 21 Millionen verfügbaren Bitcoins sind bereits im Umlauf. Werden die Bitcoins deswegen irgendwann knapp?

    Fridgen: Grundsätzlich ist das kein Problem, sondern sogar eine Eigenschaft dieser Technologie. Als das System der Bitcoins geschaffen wurde, wusste man schon, dass es sinnvoll ist, den Bestand langsam zu erhöhen. Es werden immer neue Bitcoins generiert, aber die Anzahl neuer Bitcoins pro Jahr nimmt von Jahr zu Jahr ab. Die letzte Bitcoin wird erst im Jahr 2130 erzeugt sein. Bis dahin wird die Bitcoin wahrscheinlich bereits abgelöst sein. Es wird wohl ganz viele verschiedene Systeme geben – für die Währung werden wir meiner Meinung nach wieder ein System haben, das staatlich reguliert ist. Die Bitcoin ist zum Zeitpunkt der Finanzkrise geschaffen worden, um den etablierten Banken eins auszuwischen und um unabhängig zu sein. An dieser Stelle hat man aber verkannt, dass Regulierung an sich nichts Schlechtes ist, sondern eigentlich dazu dient, Marktversagen zu vermeiden. Im Grunde genommen hat man zum Höhepunkt der Finanzkrise ein rein kapitalistisches Instrument geschaffen. Das wird meiner Einschätzung nach langfristig nicht auf Akzeptanz stoßen. Es wird aber möglicherweise die restliche Welt dazu bringen, sich zu überlegen, wie man sich diese Technologie zunutze machen kann. Ich gehe davon aus, dass Zentralbanken ihre eigene Kryptowährung entwickeln und ich glaube auch, dass das gesellschaftlich in unserem Sinne ist. Die Bitcoin hat ihren Stellenwert und es ist zu begrüßen, dass an dieser Stelle Kapital in die Zukunftstechnologie fließt. Ob jetzt der starke Kursanstieg der letzten Wochen gerechtfertigt ist oder ob das nicht ein bisschen sehr schnell ging, das ist eine andere Frage.

    Zur Person: Prof. Dr. Gilbert Fridgen ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Nachhaltiges IT-Management an der Universität Bayreuth sowie stellvertretender Leiter der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik am Frauenhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik, wo er zur Blockchain-Technologie forscht. Er hat von 1999 bis 2013 in Augsburg gelebt, studiert und gelehrt.

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