
Musikalischer Weltuntergang in der Basilika

Meisterorganist Giampaolo Di Rosa bietet hinreißende Programm-Musik an der Dillinger Sandtner-Orgel.
Die Internationalität des Orgelsommers betonte Paul Olbrich bei der Begrüßung der erneut über 200 Zuhörer in der Basilika. Der besondere Gruß des Fördervereinsvorsitzenden galt Oberbürgermeister Frank Kunz, der sich sehr anerkennend über die große Resonanz und die Qualität des Gebotenen aussprach. Der Gast aus Rom Giampaolo Di Rosa, aus Kopenhagen angereist, wurde in seiner Landessprache vorgestellt und als ausgezeichneter Interpret und Improvisateur gewürdigt. Die fundierte Kenntnis des Musikwissenschaftlers floss in sein Programm mit ein. Er lenkte die Aufmerksamkeit vom sechsstimmigen Ricercar Joh. Seb. Bachs über Franz Liszts monumentalem Präludium mit Fuge über die Tonfolge B-A-C-H zum Franzosen Jean Langlais, der beide Komponisten mit seinem Endzeitwerk aus dem Jahre 1973 in modernem Expressionismus überhöhte.
Wenn Heuschreckenschwäme das Land verwüsten wollen
Hier handelt es sich um die letzte von fünf Meditationen, in denen Langlais die apokalyptische Offenbarung nach Johannes in Töne setzte. In „La cinquième trompette“ posaunt der fünfte Engel, dass er einen Stern auf die Erde fallen sieht und ihm die Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds gegeben sind. Der Komponist beschreibt die einzelnen Szenen so programmatisch und realistisch, wie das nur auf einer sinfonischen Orgel umgesetzt werden kann. Giampaolo Di Rosa entwarf ein eindringliches, bedrückendes Bild, mal brutal-dämonisch, mal metallisch silbern glänzend in überbordender Präsenz. Fünfstimmige Akkorde und Intervalle galten als Synonym für den Brunnen des Abgrunds, aus dem Rauch aufsteigt, das dreimalige Erschallen der Trompete konnte als Zeichen des herabfallenden Sterns gedeutet werden.
Ungeheure Spannung, zerrissene Klangwucht
Aus dem Rauch aufsteigende Heuschreckenschwärme versinnbildlichten deren Kampf, die Erde zu verwüsten. Mit ungeheurer Spannung, zerrissener Klangwucht, virtuosen Bewegungsabläufen gelang Di Rosa in mächtiger Außenwirkung eine faszinierende Meisterleistung. Hundert Jahre vor Langlais hat Franz Liszt seine Tonfolge über B-A-C-H geschrieben. Di Rosas technisches Vermögen wurde den Ansprüchen mehr als gerecht. Die Intentionen des Komponisten stellte der Organist als temporeiches, pedalgesättigtes Opus mit romantischen Bezügen dar. In Di Rosas Bearbeitung wurde das Virtuosentum Liszts zusätzliche angereichert mit rhythmischer Akkuratesse, persönlichen Einsprengseln und finalen Steigerungen. Mit dem Auftragswerk BWV 1079, einem sechsstimmigen Ricercar, wollte J.S.Bach dem preußischen König Friedrich II. Fugenkunstfertigkeit beweisen. Di Rosa bildete es als klar strukturiertes Stimmengeflecht ab, das er kongenial durcharbeitete.
Di Rosas Komposition (2007) „Wie schön bist du Maria“ schillerte als Kaleidoskop in lieblichen Registerfarben. Verdichtete Klänge, schmückende Verzierungen, schwebende Schwellereinsätze und ein verhauchender Schluss charakterisierten die „ohne den Makel der Erbsünde“ berufenen Gottesmutter. Kompliment an das Improvisationstalent des Italieners, der mit künstlerischer Freiheit das Gottesloblied „Erde singe, dass es klinge“ aus dem Stegreif fantasievoll interpretierte. Ein überwältigtes Publikum dankte mit riesigem Applaus.
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