
„Schuld ist nicht vererbbar“

Plus Charlotte Knobloch und Ludwig Spaenle diskutieren in Buttenwiesen gemeinsam mit der Jungen Union Wertingen-Zusamtal über „Erinnerungskultur in Bayern“ und Antisemitismus. Wie der Opfer von damals gedacht wird.
Polizisten und Personenschützer flankieren den Eingangsbereich. Der Saal in der Buttenwiesener Pizzeria ist am Sonntagabend gut gefüllt. Eine gespannte Atmosphäre herrscht in dem Raum. Plötzlich beginnen die Zuhörer zu klatschen: Die zwei prominenten Gäste aus München betreten den Saal. Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und amtierende Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, kam am Sonntag gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, nach Buttenwiesen (wir berichteten). Knapp zwei Stunden diskutierten sie mit der Jungen Union (JU) und Besuchern über die „Erinnerungskultur in Bayern“. Im Mittelpunkt stand dabei vor allem das Gedenken an den Holocaust und die Reichspogromnacht, die sich am Wochenende zum 81. Mal jährte.
Die 87-jährige spricht klare Worte
Die 87-jährige Knobloch ist ganz schwarz gekleidet und wirkt deutlich jünger. Ihre klaren Worte unterstreichen ihre Jugendlichkeit und lassen eine große Durchsetzungsfähigkeit erahnen. Gleich zu Beginn der Diskussion stellt sie eindringlich fest: „Die jungen Leute haben keine Schuld. Schuld ist nicht vererbbar.“ Dennoch solle die Jugend wissen, was Menschen Menschen antun können, ergänzt Knobloch. Dabei lobt sie auch die „hervorragende Vorbereitung“ an den Schulen. Die Schüler seien heute viel wissbegieriger und interessierter an der Geschichte als noch vor Jahren, weiß Knobloch aus ihren zahlreichen Begegnungen mit jungen Menschen.
Und auch der Buttenwiesener Jugend, allen voran der JU, ist das Gedenken an die Opfer des Nazi-Terrors ein Anliegen. „Es ist uns nicht egal, was damals war, was heute ist und was in Zukunft sein wird“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der JU Wertingen-Zusamtal, Fabian Braun, zu Beginn der Veranstaltung. Gemeinsam mit dem Buttenwiesener JU-Ortssprecher Daniel Uhl moderiert Braun die Diskussionsrunde.
"Stammtisch-Antisemitismus" in Buttenwiesen
In ihrer Anmoderation bezeichnen sie Knobloch mit dem Adjektiv „durchsetzungsstark“. Zusammen sind die beiden Nachwuchspolitiker nicht mal halb so alt wie Knobloch. Sie erlebte die Reichspogromnacht als kleines Kind selbst mit und musste sehen, wie Familie, Freunde und Bekannte dem Hass der Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Im Laufe der Gesprächsrunde gesteht Knobloch, dass sie selbst nach dem Krieg nicht in Deutschland bleiben wollte. Doch es kam anders.
Die Zuschauer hatten nach der Podiumsdiskussion die Gelegenheit, an die beiden Ehrengäste Fragen zu stellen. Ein 63-jähriger Mann aus dem Zusamtal berichtet von einem „Stammtisch-Antisemitismus“, den er aus seinem Alltag kennt. Interessiert hört Knobloch dem Mann zu und geht immer wieder auf ihn ein. Der Einsatz für Juden und das Entgegentreten gegen Antisemitismus müsse von der nicht-jüdischen Gesellschaft ausgehen, empfiehlt Knobloch. Aufkeimender Judenhass und Anfeindungen gegen Minderheiten seien heute wieder ein ernsthaftes Problem. Fast ein Viertel aller Befragten geben in einer aktuellen Umfrage an, antijüdische Vorbehalte zu hegen, betonen die Gastredner. Knobloch merkt dazu an: „Ich sehe schon Tendenzen von damals in der jetzigen Zeit.“ Und auch Spaenle wird sichtlich emotional: „Wir müssen die Fratzen des Hasses stoppen.“ Für den ehemaligen Kultusminister müsse es überall in Deutschland möglich sein, Kippa zu tragen. Und auch sogenannte No-go-Areas dürfe es hierzulande nicht geben.
Wie mit Schülern umgehen?
Eine Schulleiterin wollte wissen, wie Lehrkräfte mit antisemitischem Gedankengut an Schulen umgehen sollen. Spaenle verwies auf externe Berater. In Baden-Württemberg gebe es zudem eine Meldepflicht für derartige Vorfälle. Dieses Modell könnte Vorbild für bayerische Schulen sein.
Aber auch, ob Gedenksteine im Pflaster oder Tafeln die bessere Möglichkeit des Erinnerns darstellen, will ein Buttenwiesener Gemeinderat wissen. „Wir sind heute Abend nicht zusammengekommen, um über Stolpersteine zu reden“, sagt Knobloch kurz angebunden. Dennoch wird klar, dass sie und Spaenle Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des Holocausts skeptisch sehen. Es gebe hier kein Patentrezept, sagt Spaenle. Gegen die Steine spreche jedoch, dass Fußgänger zwangsläufig auf ihnen herumlaufen. Besser sei daher „ein Erinnern auf Augenhöhe“, was Gedenktafeln ermöglichen, erklärt der CSU-Mann.
Jetzt offiziell Louis-Lamm-Platz in Buttenwiesen
Vor der Diskussion hatten Knobloch und Spaenle das jüdische Ensemble, bestehend aus Friedhof, Synagoge und Badehaus, besichtigt. Zudem enthüllte Knobloch gemeinsam mit Bürgermeister Hans Kaltner die Gedenktafel für den Buttenwiesener Juden Louis Lamm. Er ist der Namensgeber des neuen Louis-Lamm-Platzes, ehemals Schulplatz, und zählt zu den wichtigsten Söhnen der Gemeinde Buttenwiesen. Der jüdische Verleger verfasste unter anderem eine bedeutende Ortschronik über seine Heimatgemeinde im Zusamtal.
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