
Naturschutzbehörde Dillingen: Piepmätze sind bedroht

Plus Jedes Jahr sterben rund 150 Millionen Vögel dieser Art in Deutschland. Auch im Landkreis Dillingen gibt es tragische Flugbewegungen. Was wer dagegen tun kann.
Sie haben kleine Körper, die zierlich wie putzig wirken. Oft wiegen sie nicht mal so viel wie ein Stück Schokolade. Und sie sind tot. Jedes Jahr wird die Milliarden zählende Vogelschar in Deutschland um rund 150 Millionen reduziert. Der Grund: Die Piepmätze kollidieren mit Scheiben an Wohnhäusern, Geschäften, Bürokomplexen, verglasten Schallschutzwänden oder an einer Bushaltestelle. Auch in unserer Region.
Zu verlockend sind die großen durchsichtigen Flächen überall zwischen Syrgenstein und Buttenwiesen, die von den Federtieren keineswegs als Hindernis wahrgenommen werden. Der Durchflug erscheint ihnen möglich, etwa nach Aufnahme von Futter am Boden oder in Vogelhäuschen. Oder nur als Fluchtkorridor, wenn sich die bis zu 60 Kilometer pro Stunde schnellen Flügelträger wegen Gefahren vom Acker machen wollen. Raffinierte Spiegelungen täuschen das Vorhandensein von Vegetation und Natur vor. Mit oft tödlichen Aussichten: Dann knallen die Vögel mit voller Wucht gegen das Material; ein beliebter Baustoff, von dem sich der Mensch mehr Transparenz verspricht. Den optimierten Durchblick bezahlen die gefiederten Geschöpfe mit ihrem Leben.
Genickbruch, Gehirnerschütterung und Quetschungen
Dabei kann es zum Genickbruch genauso kommen wie zur schweren Verletzung der inneren Organe, Zerquetschung des Brustkorbs und folgenschwerer Gehirnerschütterung. Besonders gefährdet sind nach Erkenntnissen des Naturschutzbundes (Nabu) Kleinvogelarten, da sie häufig in der Nähe von Wohn- und Verwaltungsgebäuden kreisen. Und dann an der vermeintlichen Einflugschneise verenden.
Solche tragischen Flugbewegungen haben die Behörden im Landkreis Dillingen auf dem „Schirm“. Man sei sich der Problematik schon lange bewusst, versichert Jörg Dorschfeldt von der Unteren Naturschutzstelle beim Landratsamt. „Uns ist das Thema sehr wichtig, das in Zukunft noch bedeutender werden könnte.“ Welche Maßnahmen in rechtlicher Hinsicht dem bedrohten Leichtfuß auf die Beine helfen könnten, lässt der Mann zwar offen. Weist aber darauf hin, dass Probleme besonders bei Privathäusern festzumachen sind. Er nennt als Beispiel die moderne Bauweise mit besonders ausgedehnten Glasflächen.

Und damit – unbeabsichtigt – gefährlichen Fallen für die Tierwelt. Anne Vogel, Kreisgruppenvorsitzende beim Landesbund für Vogelschutz, fordert, das Massensterben bei der zwitschernden Zunft den Menschen ins Bewusstsein zu rücken. Als ehemalige Fachbereichsleiterin im Landratsamt kann sie sich Maßnahmen bei der Bauleitplanung vorstellen. Außerdem: „Beim Erstellen von Windkraftanlagen wird ja auch genau die Auswirkung auf die Tiere untersucht“, stellt die Vogelschützerin fest und appelliert an die Kommunen, sich diesem Thema stärker zu widmen.
Bedrohungen im regionalen Gewerbe
Im regionalen Gewerbe scheint die permanente Bedrohung der Gartensänger schon längst angekommen zu sein. „Um dieses Thema ist es in letzter Zeit leider sehr still geworden“, beklagt mit Glasermeister Franz Seitz der Chef eines Wertinger Fachbetriebs. Dabei seien die Zahlen immer noch schlimm. Wer seiner Auffassung nach mit dem Aufkleben schwarzer Vogelsilhouetten glaube, das Problem in den Griff zu bekommen, täusche sich: „Das bringt nämlich gar nichts.“ Experten wissen: Wenn da nicht Aufkleber an Aufkleber eng aneinander angebracht werden, ist die Wirkung gleich null. Der Abstand darf höchstens handflächengroß sein, sonst setzt der Vogel ganz einfach zum Flug zwischen den angebrachten dunklen Umrissen an. Glasfachmann Seitz verweist auf bereits entwickelte Spezialmaterialien, etwa dünn beschichtetes Glas oder Scheiben mit aufgedruckten Strukturen wie Linien und Punkten. Und auf einen Lieferanten, der – nach ausgiebigen Testreihen – transparente Fenster verkauft, die vom Vogel trotzdem als Hindernis wahrgenommen werden können. „Die sind allerdings teurer als die konventionellen Systeme.“
Ab zum Tierarzt
Der Kunde als König gilt auch für Hermann Göttler, der als Geschäftsführer eines Steinheimer Unternehmens in den vergangenen drei Jahrzehnten rund 1500 Wintergärten ausgestattet hat. „Da kommen Öffnungen von höchstens ein bis zwei Metern zusammen, bei den Sommergärten wollen die Leute dagegen fünf bis sechs Meter große Scheiben ohne Rahmen.“ Den Preis für so ein dem Menschen unersetzliches Tierchen vermag Katja von Schlippenbach kaum zu ermessen. Aber über gute Ratschläge zur Handhabung verletzter Exemplare verfügt die Tierärztin mit Praxis in Zusamaltheim allemal. „Warmhalten in einem Karton oder Eimer und vor allem eine Zeit lang in Ruhe lassen. Soweit ich das sehe, regeln die Menschen das recht pragmatisch.“ Notfalls könne es aber heißen: Ab zum Tierarzt.
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