
Stressabbau in Corona-Zeiten: Diese Wanderrunde in Unterliezheim macht´s möglich

Plus Die Wälder bei Unterliezheim bieten gerade auch in Corona-Zeiten die Möglichkeit zum Stressabbau. Etwas ganz Besonderes ist dabei das Naturwaldreservat Mitteleich. Und es gibt einen spirituellen Höhepunkt.

Wer diese Wanderrunde in Unterliezheim multimedial aufbereiten würde, käme vielleicht auf den Begriff Wald 2.0. An diesem Wochenende, an dem die Meteorologen durchwachsenes Wetter angesagt haben, kann dieses zweifelsohne analoge Erlebnis Entschleunigung und innere Einkehr bieten. Los geht´s am Parkplatz an der Unterliezheimer Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Leonhard. Mit ihren Fresken von Christoph-Thomas-Scheffler gilt das Gotteshaus als die kleine Schwester der Dillinger Studienkirche. Von dort führt unsere Route hinaus in Richtung Unterliezheimer Mühle.

Die Wanderung ist sieben Kilometer lang
Egal ob morgens oder abends, die etwa sieben Kilometer lange Wanderung bietet Entschleunigung und ein spirituelles Erlebnis. Sie führt zu totem und lebendem Holz. Von St. Leonhard geht es einen Kilometer auf der Mühlstraße hinaus, die Schilder Donautal-Panoramawege weisen die Richtung. Etwa 200 Meter vor der Unterliezheimer Mühle führt unser Weg nach links hoch in den Wald. Nach gut einem Kilometer (die erste Abzweigung nach rechts liegen lassen) stehen Wanderer an einer Kreuzung mit einem Schild. „In diesem Naturwaldreservat entsteht wieder Urwald“, heißt es dort.
54 Hektar großes Reservat
Das 54 Hektar große „Naturwaldreservat Mitteleich“ wurde 1978 als eines der ersten Naturwaldreservate in Bayern ausgewiesen. „Der Wald soll sich dort ungestört von menschlichen Einflüssen entfalten können“, sagt Helmut Weixler, Leiter des Forstbetriebs Kaisheim. Für die Bayerische Forstverwaltung ist dieser Urwald eine Art Freiluftlabor. „Hier sammelt die Wissenschaft Daten über den natürlichen Wald und seine Entwicklung“, erläutert Weixler. Die Daten liefern wertvolle Erkenntnisse für Forstleute und Waldbesitzer, wie sie ihre Wälder naturnah bewirtschaften können. Gerade in Zeiten des Klimawandels seien diese Hinweise wichtig, damit auch in Zukunft gesunde Wälder in Bayern wachsen.

An der Gabelung nehmen Sie den Weg nach rechts. Linker Hand liegt das Naturwaldreservat. Wer die Wanderung verlängern will, kann am Gallenmüller Weg nach links abbiegen und eine Schleife drehen – oder auch einfach einen kurzen Abstecher in die Wildnis wagen. Im Urwald liegen überall modernde Baumstämme und Äste. Förster Joachim Schmäing, der das 1870 Hektar große Forstrevier Finningen und damit auch das Naturwaldreservat betreut, rät Wanderern dazu, auf den Wegen zu bleiben, denn in diesem Urwald könnten unvermittelt Äste herabfallen und Bäume umstürzen. „Tote Bäume, die auf die Wege fallen könnten, werden gesichert, ansonsten darf aus dem Reservat aber nichts entnommen werden“, erklärt Schmäing.

Baumpilze und Zunderschwamm
Das Wandern dort ist ein bisschen abenteuerlich. Baumpilze und Zunderschwamm sind zu sehen. Und auch Nisthöhlen, die sich Spechte in die Stämme gehämmert haben. Gerade für Kinder gibt es da viel zu entdecken. Wie auf der Webseite zu lesen ist, hat sich im Naturwaldreservat Mitteleich zwischen 1978 und 2006 die Stammzahl von 699 auf 510 Bäume je Hektar verringert. Gleichzeitig stieg der Holzvorrat von 470 auf 657 Festmeter pro Hektar, da die Einzelbäume dicker geworden sind. Die deutsche Eiche verliert im Übrigen, wenn sie nicht von Försterhand geschützt wird, an Boden. „Ihr Anteil geht hier tendenziell zurück“, informiert Schmäing.

Zurück auf dem Weg kommt es zu einer zufälligen Begegnung. Der Unterliezheimer Winfried Bschorer radelt durch den Wald, den er seit seiner Kindheit kennt. Bschorer ist auch Gewässerführer an Donau und Brenz, er schwärmt vom Wald bei Unterliezheim. „Das ist doch traumhaft hier.“ Der Gewässerführer weist auf die Mulden hin, die von Baggern oder großen Holzerntemaschinen geschaffen wurden. Dort steht das Wasser, und in diesen Biotopen sind Lebensräume für Gelbbauchunken, Molche und Libellen entstanden. Bschorer zeigt eine Libellenhülle, die das Insekt vor dem Verlassen des Wassers beim Schlüpfen zurückgelassen hat. Er mahnt dazu, sich am Ende des Wegs zweimal rechts zu halten, denn sonst endet die Runde wirklich im Wald.

Die Wanderung an diesem Morgen durchs Holz hebt die Stimmung. Und der spirituelle Höhepunkt ist nach etwa zwei Kilometern angesagt. 200 Meter zuvor liegt ein großer Holzstapel am Wegesrand, und als sich der Wald lichtet, scheint da ein noch größerer Stapel aufgehäuft worden zu sein. Es ist aber eine von sieben Kapellen der Siegfried-und-Elfriede-Denzel-Stiftung, die der Stararchitekt John Pawson entworfen hat.

Die Seitenwände bestehen aus zwölf Meter langen Douglasienstämmen, die jeweils 45 Zentimeter hoch und 30 Zentimeter breit sind. Eine Herausforderung für die Binswanger Firma Gumpp & Maier, die die Kapelle errichtet hat. Das Gotteshaus am Wald wirkt wie eine Kathedrale, es zieht Touristen aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus an. Die Kapelle wächst sozusagen aus dem Wald heraus.
Der Wertinger Unternehmer Siegfried Denzel
John Pawson sagt zu seinem Werk: „Es ist nur ein Stapel von Stämmen, die zum Trocknen übereinandergelegt sind.“ Dem Architekten und den Stiftern, dem Wertinger Unternehmer Siegfried Denzel und seiner Frau Elfriede, ist damit ein weiterer großer Wurf gelungen. Wenn auch noch das Licht durch das Bernsteinkreuz fällt, scheint die Zeit stillzustehen. Die Gedanken werden klar, die Denzel-Kapelle ist keine Ansammlung von Totholz. Abgerundet wird das Staunen beim Blick durch die einzige Öffnung in der Kapelle auf die Pfarrkirche St. Leonhard und die Unterliezheimer Mühle. An den Stationen des Naturlehrpfads vorbei geht es zurück zum Barockjuwel St. Leonhaard in der Ortsmitte – der krönende Abschluss einer Wanderrunde in einem Urlaubsparadies.
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