
Warum es die Realschule Rain fast nicht gegeben hätte

Plus Nur unter heftigsten Geburtswehen kam es 1970 überhaupt zur Einrichtung der Staatlichen Realschule Rain, die heute die größte im Landkreis Donau-Ries ist. Inzwischen läuft der vierte Neubau. Neben der Herausforderung, während der Bauzeit zu unterrichten, gibt es etliche andere.
Draußen herrscht der rege Betrieb einer Großbaustelle: Hämmern, Klopfen, Bohrgeräusche, schweres Gerät und ein eingerüstetes Gebäudeteil, das erahnen lässt, was in den nächsten Jahren kommen wird. Es sind die Spuren des Realschulneubaus im Schulzentrums Rain. Drinnen ist Stille. Ferienzeit. Keine Schüler auf den Fluren, keine Stimmen, leere Klassenzimmer. Einzig Gerhard Härpfer hält die Stellung. Der Leiter der Staatlichen Realschule Rain (RSR) sitzt im Direktorat und plant die kommenden Monate. Dabei geht es um die Pflicht – die Kür muss auf der Strecke bleiben. Die Kür hat in Corona-Zeiten keine Chance. Die Kür: Das wäre eine große Jubiläums-Feier gewesen mit Festakt, Tagen der offenen Türe, Reden, Musik ... Denn die Realschule Rain ist heuer 50 Jahre alt.
Aktuell hat die Realschule Rain 754 Schüler
Fünf bewegte Jahrzehnte liegen hinter dieser mit 754 Schülern größten Realschule im Landkreis. Doch statt einen Festplan zu entwerfen, geht es für Härpfer in diesen Tagen um die Logistik für den bevorstehenden Abbruch im Oktober/November und um die etappenweisen Umzüge in die fertigen Neubau-Trakte.
Es geht auch um die Organisation des bevorstehenden Schulbeginns mit den Spielregeln, zu denen Covid 19 zwingt. Der Rektor versucht zu planen, was eigentlich noch gar nicht planbar ist. Keiner weiß, was die nächsten Wochen bringen. „Es geht mir vor allem darum, die Schüler angstfrei auf das geforderte Niveau zu bringen“, sagt Härpfer. „Und darum, Wege zu finden, dass neben den Prüfungsfächern auch Sport, musischer und sozialer Unterricht stattfindet. Schule ist so viel mehr, als Lernanstalt. Das dürfen wir nicht vergessen!“

Und es geht ihm darum, den eigenen pädagogischen Ansprüchen gerecht zu werden, die die Realschule Rain seit jeher für sich reglementiert. Eine Realschule, die stets auf Vielseitigkeit gesetzt hat und mit der Wahlpflichtfachgruppe Sozialwesen als Abschlussprüfungsfach schwabenweit als eine von zwei Schulen dasteht. Eine Realschule, die in Kooperation mit Firmen wirtschaftliche und technische Fächer anbietet – wie etwa „Robotic“. Eine Schule, die dank der Talente ihrer Lehrer Kurse gibt wie etwa die Kunstakademie, Fotografie, Judo, IT und manches mehr. „Ich bin stolz auf unsere Vielseitigkeit“, sagt Gerhard Härpfer, „und wir werden alles tun, uns das zu bewahren.“
Dabei waren die Anfänge der RSR höchst bescheiden, ja geradezu holprig, ungewiss und lediglich enormer Hartnäckigkeit zu verdanken: Am 1. August 1970 – also vor 50 Jahren – begann an der Staatlichen Realschule Rain das erste Schuljahr – damals noch in den Räumen der früheren Knabenschule. Mit drei Klassen – insgesamt 91 Schülern. Die ersten beiden Jahrgänge waren äußerst bescheiden untergebracht. Eine kleine Schule sollte es nach damaliger Vorstellung werden. Zwei oder drei Klassen pro Jahrgang – nicht mehr als acht oder zwölf insgesamt. Die Realschule war damals noch vierstufig. Keine Klasse sollte mehr als 40 Schüler haben. Am 10. September 1970 begann der Unterricht. Erster Schulleiter war Josef Wührl (1970 bis 1974). An seiner Seite damals Erich Pichl, der später von 1974 bis 1995 die Schule leiten sollte.
Träger der Realschule war die Stadt Rain selbst: sehr ungewöhnlich
Die politische Umsetzung erwies sich als langwierig. Erst 1968 erreichte Rain – damals noch im Landkreis Neuburg – die Aufnahme in den bayerischen Schulentwicklungsplan. Schulträger war die Stadt – sehr ungewöhnlich für eine Kommune dieser Größenordnung mit damals etwa 4000 Einwohnern. Bürgermeister Karl Würmseher und der Stadtrat entschieden seinerzeit sehr mutig und übernahmen eine große Verantwortung. In der Regel waren und sind Landkreise oder große kreisfreie Städte Sachkostenträger von Gymnasien und Realschulen.

Doch damit war die Schule noch lange nicht in Rain angesiedelt. Nahezu endlose, zähe Verhandlungen mit den verschiedenen amtlichen Stellen in München, Augsburg oder Neuburg folgten. Im Amtsblatt der Stadt Rain wurde im Januar 1970 „mit großer Wahrscheinlichkeit“ der Beginn einer Realschule in Rain zum September 1970 angekündigt. Alles schien irgendwie unverbindlich. Bei solchen Projekten geht es ja häufig um den „Finanzierungsvorbehalt“.
Einen wichtigen Ruck nach vorne gab es aber, als der damalige Staatssekretär im bayerischen Finanzministerium, Anton Jaumann, vom benachbarten Stimmkreis Donauwörth/Nördlingen dem Neuburger Landrat Hanns Wolf im Januar 1970 eine mündliche, aber verbindliche Zusage gab, dass im Herbst 1970 an der Realschule Rain begonnen wird. Mit beteiligt war auch sein damaliger persönlicher Referent, der damals 30-jährige Regierungsrat Theo Waigel.
Im März 1970 wurde die Errichtung einer Realschule in Rain zum 1.August 1970 in Aussicht gestellt. Jetzt ging es rasant an die konkrete Planung (Anmeldungen, Aufnahmeverfahren, Schulräume, Schulleitung et cetera). Aber offiziell stand die Schule noch immer nicht im Amtsblatt des Kulturministeriums.

Am 16. Juni 1970 war der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel zu einem Arbeitsbesuch in Rain. Zeitzeugen berichteten, dass auch intensiv über die neue Realschule Rain gesprochen wurde. Dann endlich – am 21. Juli 1970 – wurde im Amtsblatt des Kultusministeriums die Errichtung der Realschule veröffentlicht. Gerade mal zehn Tage später, am 1. August 1970, begann das erste Schuljahr offiziell.
Eine Schule braucht ein Haus. Die bereits im Vorfeld laufenden Planungen wurden intensiviert und vorangetrieben. Ende der 60er-, Anfang der 70er Jahre waren bildungspolitisch bewegte Zeiten. Die Frage war unter anderem: Gehört der Gesamtschule die Zukunft? Es wurde der Neubau einer kooperativen Gesamtschule (Haupt- und Realschule), eventuell mit einem Progymnasium und einem Tagesheim angedacht.
Rains Bürgermeister Würmseher setzte wichtige Impulse
Viele Impulse gingen von der Stadt Rain und Bürgermeister Karl Würmseher aus. Zur gleichen Zeit lief die Gebietsreform der Landkreise in Bayern. Es war zu Beginn der 70er Jahre zunächst nicht klar, welcher Gebietskörperschaft die Stadt Rain künftig zu geordnet wird.
Letztlich wurde aber nur der Neubau einer selbstständigen Realschule und einer selbstständigen Hauptschule von der Regierung genehmigt, die in einem Gebäude untergebracht werden sollten. Der Schulversuch Gesamtschule wurde abgelehnt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre wurde dann der Bau des Schulzentrums an der Donauwörther Straße realisiert. Zunächst zog die Realschule ein, obwohl das Gesamtprojekt noch gar nicht fertig war. Der Landkreis Nördlingen/Donauwörth (später Donau-Ries) unter Landrat Andreas Popp, dem Rain in der Gebietsreform zugeschlagen wurde, übernahm dann als Träger die Sachkosten für den Realschulneubau.

Die Schule erwarb sich schnell einen guten Ruf und wurde zu einem erfolgreichen Bestandteil des Bildungsangebots im Lechgebiet. 1995 übernahm Armin Hanl die Leitung der Schule bis 1999. Herausragend war in dieser Zeit (1997) die Aufnahme der Schule in den landesweiten Schulversuch sechsstufige Realschule. Damit wurden wichtige Weichen für die Weiterentwicklung gestellt. Die Schule hatte damals nur 275 Schüler in elf Klassen. Mit den fünften und sechsten Klassen besuchten in wenigen Jahren weitere 200 Schüler die RSR. Damit waren die räumlichen Kapazitäten ausgereizt.
Ab 1999 übernahm Andreas Mack die Schulleitung (bis 2011). Es war dringend erforderlich, die notwendigen Klassenzimmer zu schaffen. Vorübergehend gestanden Bürgermeister Gerhard Martin und Hauptschul-Rektor Hans Hönig zu, dass die Realschule einige Räume der Hauptschule einige Räume nutzen konnte.
In den Neubau I – fertig gestellt 2002 – investierten Landrat Alfons Braun und der Kreistag Donau-Ries rund 2 Millionen Euro. Damit war die größte Raumnot beseitigt. Viele Lehrer sahen vor allem in der sechsstufigen Realschule eine besondere Herausforderung und engagierten sich außergewöhnlich. Neben dem obligatorischen Pflichtunterricht wurden viele außerschulische Projekte realisiert. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Aus dem Lechgebiet ohnehin, aber auch aus den angrenzenden Kommunen, vor allem auch aus Burgheim meldeten immer mehr Eltern ihre Kinder an der Rainer Realschule an. Die Schülerzahl stieg von Jahr zu Jahr und in der Spitze waren 2015/2016 knapp 1000 Schüler an der RSR. Die Mutter einer Schülerin brachte es auf den Punkt: „An dieser Schule sind unsere Kinder und Jugendlichen gut aufgehoben. Der gute Geist des Hauses stimmt.“

Einen enormen Schub bewirkte der Neubau II (2007), mit dem Mensa und Einrichtungen für die Nachmittagsbetreuung geschaffen wurden. Immer mehr wurde erkannt, dass die Schule nicht nur Lernort, sondern auch Lebensraum ist. Landrat Stefan Rößle und der Kreistag „zapften“ rechtzeitig und umfassend das bundesweite Förderprogramm IZBB (Investitionen, Zukunft, Bildung, Betreuung) an. Damit wurden zukunftsweisende Maßnahmen mit höchster staatlicher Förderung realisiert.
Mit dem Neubau III (2009/2010) wurden moderne naturwissenschaftliche Räume (Physik und Chemie), eine Verwaltungszentrale und ein repräsentativer Eingangsbereich geschaffen. Wegen weiterer dringend erforderlicher Klassenzimmer wurde 2011 der Neubau IV als notwendig anerkannt, der seit 2011 unter Leitung von Gerhard Härpfer verwirklicht wird. Rain war in dieser Phase – und ist es bis heute – eine der größten Realschulen in Schwaben.
Der Weg in die Zukunft ist nun im Jahr 2020 durch den weiteren Neubau vorgezeichnet. 14 moderne Klassenzimmer und Zusatzräume werden neu geschaffen und auch der Bestand wird digital ausgerüstet, sodass am Ende 33 zeitgemäße Klassenräume zur Verfügung stehen werden. Zwei Lernlandschaften im Neubau bieten außerdem zusätzliche Flexibilität für die pädagogischen Konzepte.
Der größte Wunsch des Schulleiters der Realschule Rain: Unterricht wie vor Corona
Gerhard Härpfer sieht sich vor vielen Herausforderungen, aber auch letztlich vor der Chance, jungen Menschen unter denkbar guten Rahmenbedingungen vielfältige Bildung mit auf den Weg zu geben. Sein größter Wunsch in diesen Tagen? „Wieder Präsenzschule sein zu dürfen wie früher – von Angesicht zu Angesicht.“ Ihm fehlen in Corona-Zeiten das soziale Miteinander und die Interaktionen. Wenn man dazu noch die aus der Not heraus gelernten Erfahrungen der digitalen Möglichkeiten einbaue, seien die Weichen für den Weg der Realschule Rain in die Zukunft gut gestellt...
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