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Ernährung: Fleisch-Manager: Die Zeit der Mega-Schlachthöfe ist vorbei

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Fleisch-Manager: Die Zeit der Mega-Schlachthöfe ist vorbei

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    Der geplante Umbau der Tierhaltung wird viel Geld kosten.
    Der geplante Umbau der Tierhaltung wird viel Geld kosten. Foto: Marijan Murat, dpa

    Herr De Camp, ausgehend von den steigenden Energiepreisen frisst sich die Inflation quer durch alle Bereiche der Wirtschaft. Wie trifft das die Fleischindustrie, die derzeit von vielen Seiten unter Druck steht?

    David De Camp: Es setzt uns genauso unter Druck, wie alle anderen auch. Wegen der hohen Energiepreise waren wir gezwungen, einen Energieaufschlag von unseren Kunden zu verlangen. Wir waren damit aber nicht die Einzigen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat sich die Lage immer wieder rasant verändert. Jetzt haben wir die hohe Inflation, aber davor waren die Afrikanische Schweinepest und die Corona-Krise. Wie sich das alles weiterentwickelt, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber klar ist, die Industrie muss sich anpassen und dieser Wandel findet bereits statt.

    Gerade die Afrikanische Schweinepest hat auch viele Landwirte in Existenznot gestürzt. Sehen Sie eine Chance auf Besserung in absehbarer Zeit?

    De Camp: Solange uns ASP den Zugang zu wichtigen asiatischen Märkten verwehrt, wird es in Europa ein Überangebot an Schweinefleisch geben, obwohl Wettbewerber wie Spanien, Italien, Holland oder Frankreich weiterhin nach Asien exportieren dürfen. Nur Deutschland muss seine Mengen in der EU unterbringen. Aber wir haben nun einmal diese Krankheit bei uns – und sie ist weit davon entfernt wieder zu verschwinden. Wir haben viel Wald und eine hohe Population an Wildschweinen, das ist schwierig. wir schlachten jetzt schon weniger Schweine als vor zwei Jahren. Mit Unterstützung der Politik können wir aber Sonderregelungen für den asiatischen Export erarbeiten, bei denen Schweine aus den nicht befallenen Regionen Deutschlands ins Ausland gehen können.

    Sie schlachten weniger, aber auch die Deutschen essen immer weniger Fleisch. Ist die Zeit der Mega-Schlachthöfe vorbei?

    De Camp: Ja, definitiv. Das hat seit den 90er Jahren als Geschäftsmodell brillant funktioniert. Bevor ich zu Vion kam, habe ich selbst am Aufbau dieser riesigen Strukturen mitgearbeitet. Aber das ist heute wie aus der Zeit gefallen. Die Gesellschaft will das nicht mehr. Die Politik will das nicht mehr und letzten Endes geben es auch die Rohstoffe nicht mehr her. Bei

    Genau dafür steht aber die Fleischindustrie eher nicht …

    De Camp: Auf dem deutschen Fleischmarkt gibt es vier große Player: Tönnies, Westfleisch, Danish Crown und Vion. Von diesen vier ist Vion der Einzige, der mit Betrieben in fast jeder Region wirklich breit in der Fläche verankert ist. Hinzu kommt: Unsere Betriebe sind mittelständisch, das sind nicht diese Megaschlachthöfe, in die hunderttausende Tiere in der Woche hineingehen. Deswegen haben wir traditionell ein besonders enges Verhältnis zu unseren Landwirten. Sie sind die Wurzel unseres Geschäfts, wenn wir keine Landwirte haben, können wir schließen. Am Standort Buchloe kommen 93 Prozent der gesamten Anlieferung aus einem Radius von 150 Kilometer. Bei allen unseren Standorten müssen Minimum 90 Prozent der Tiere aus höchstens 200 Kilometer Entfernung kommen. Darauf bauen wir, denn Fleisch aus der Region ist gefragt. Das ist der Weg in die Zukunft und das ist unausweichlich. Doch Regionalität wird mehr Geld kosten, denn sie verlangt immer kleinere Einheiten.

    Die Herkunft ist das eine. Immer wichtiger sind den Menschen aber auch die Haltungsbedingungen. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nimmt gerade einen neuen Anlauf für ein staatliches Siegel. Steht die Industrie da hinter ihm?

    De Camp: Wir in der Industrie und im Lebensmitteleinzelhandel arbeiten schon länger an mehr Tierschutz und besseren Haltungsformen. Wir haben unsere Schlachthöfe nach den Erkenntnissen von Temple Grandin umgebaut, das heißt zum Beispiel, dass der ganze Weg vom Ausladen bis zur Betäubung wird so organisiert, dass die Tiere möglichst wenig Stress erleben. Wir haben wirklich die höchsten Standards international. Bei der Herkunftskennzeichnung nehmen wir zur Kenntnis, dass die Regierung nun endlich in Bewegung kommt. Das finden wir gut. Meine persönliche Meinung ist, die hätten schon wesentlich früher agieren müssen und auch können. Wir brauchen diese einheitlichen Standards. Aber: Die Politik muss den Landwirten auch helfen. Sie brauchen weniger Auflagen für Stallumbauten und sie brauchen dafür Subventionen. Die eine Milliarde Euro, die bisher angekündigt ist, wird definitiv nicht reichen. Das unterstützt auch die Industrie, wir sind alle in einem Boot.

    Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner hat das Siegel jahrelang angekündigt, er handelt jetzt. Ist er zu vorsichtig?

    De Camp: Die Ankündigung von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir, die Auszeichnung zuerst nur für Schweine zu machen und erst später für Rind und Geflügel zeigt mir eines: Er hat großen Respekt vor der Aufgabe. Das ist auch verständlich, denn noch einmal: Die Transformation kostet Geld und am Ende des Tages wird der Verbraucher dafür bezahlen müssen. Die Frage ist: Wird er das auch tun?

    Die hohe Inflation könnte diese Bereitschaft zumindest ausbremsen …

    De Camp: Wir hatten nun ein paar sehr gute Monate mit wachsender Nachfrage. Jetzt steigt die Inflation immer weiter und die Leute fangen an zu sparen. Ich habe keine Kristallkugel, aber ich glaube, erste Priorität für viele hat derzeit der Urlaub. Die Leute wollen wieder weg und Spaß haben. Also wird wohl an etwas anderem gespart. Statt des Steaks gibt es eben Hackfleisch, das beobachten wir aktuell. So erkläre ich mir auch, warum die Transformation aktuell eher zurückhaltend ins Rollen kommt.

    Vio-Manager David De Camp ist auch für den Standort in Buchloe verantwortlich.
    Vio-Manager David De Camp ist auch für den Standort in Buchloe verantwortlich. Foto: Paul Tolenaar, Vion

    Heißt das, die Industrie wird sich nun auch erst einmal zurückhalten?

    De Camp: Nein, das heißt, es ist umso wichtiger, dass wir in Ketten denken. Wir sind in der Mitte und müssen sehen, was will der Verbraucher, wie viel will er davon? Will er regional? Will er Bio? Will er Hackfleisch? Will er Steaks? Und dann versuchen wir das mit dem Angebot auf landwirtschaftlicher Seite auszubalancieren. Früher hat man im Prinzip die Situation gehabt, es gibt 100 Schweine, irgendjemand wird die schon abnehmen. Wir denken hier komplett um. Wir schauen, was will ein Discounter, ein Supermarkt, ein Metzger und versuchen genau diese Produkte zu liefern. Das geht, indem wir mit den Landwirten eine langfristige Beziehung aufbauen und sagen, wir nehmen dir nicht nur diese 100 Schweine ab, sondern wir nehmen dir über einen bestimmten Zeitraum zu einem fairen Preis deine Produkte ab und verhandeln mit dem Einzelhandel, der uns diese Ware dann auch abnimmt, sodass wir immer das komplette Tier möglichst ganz vermarkten können.

    Warum muss die Politik da helfen?

    De Camp: Das schafft der Markt nicht von alleine. Aber dieses Umdenken ist extrem wichtig, weil sich der Markt und das Verhalten der Menschen so stark ändert, dass das traditionelle Denken nicht mehr funktioniert. Die Tierzahlen in Deutschland gehen zurück, die Schlachthöfe sind nicht ausgelastet. Wir müssen auf Qualität setzen und nicht mehr auf Masse, auf mehr Wert statt Volumen. Mit unserer Strategie können wir mehr Wertschöpfung schaffen, indem wir immer die Zuschnitte herstellen können, die der Kunde aktuell braucht. Und dabei das ganze Tier „vom Kopf bis Schwanz“ verarbeiten und vermarkten. Das schafft Planungssicherheit für alle in der Kette und die Landwirte können ihre Haltung umstellen.

    Welche Zukunft sehen Sie für Bio?

    De Camp: Die Nachfrage ist in der Corona-Phase weiter hochgegangen. Jetzt stagniert der Markt ein bisschen, aber ich glaube, das ist eher eine Momentaufnahme und dass Bio definitiv weiter wachsen wird. Irgendwo zwischen zehn und 15 Prozent des Gesamtvolumens wird in den nächsten vier, fünf Jahren Bio sein. Die Landwirte von heute, die junge Generation, die ist auch innovativ, die wollen ihre Betriebe erfolgreich für die Zukunft aufstellen. Und Bio ist definitiv ein starker Treiber. Wir sind der größte Lieferant von Bio-Rindfleisch in Deutschland. Das wird weiterlaufen, davon bin ich fest überzeugt.

    Verbraucherinnen und Verbraucher wollen mehr Regionalität beim Fleisch, davon ist Vion überzeugt.
    Verbraucherinnen und Verbraucher wollen mehr Regionalität beim Fleisch, davon ist Vion überzeugt. Foto: Vion

    Bisher ist Biofleisch im Lebensmitteleinzelhandel aber noch eine Nische. Gibt es überhaupt genügend Angebot, wenn die Nachfrage steigt?

    De Camp: Also wenn jetzt der gesamte Lebensmitteleinzelhandel und alle Discounter auf einmal umstellen auf Bio und richtig Werbung dafür machen, wird das nicht gut gehen. Aber ich denke ein organisches Wachstum ist schon realistisch und wir haben auch die Flächen dafür, um dieses Fleisch in Deutschland zu erzeugen. Aber die Betriebe müssen auch dann wieder umbauen, sie brauchen größere Ställe und Freilaufflächen. Auch diese Landwirte brauchen also weniger Auflagen und dafür Subventionen. Meiner Ansicht nach muss es das Ziel für Deutschland sein, sich beim Fleisch selbst zu versorgen und nachhaltige Strukturen zu schaffen. Unsere Bullen sind immer die teuersten in der ganzen EU. Das heißt, sie sind unheimlich schwer zu vermarkten im Ausland. Wir müssen uns aufs Inland konzentrieren.

    Wie können sich die deutschen Landwirte mit ihren hohen Erzeugungskosten gegen die günstigere ausländische Konkurrenz wehren?

    De Camp: Ja, das ist eine Herausforderung. Aber ich glaube, wenn die regionalen Ketten so fest geknüpft sind und das auch für die Verbraucher eine immer wichtigere Rolle spielt, wird sich das dennoch so einspielen. Es wird schon ein bisschen exportierte Ware nach Deutschland reinkommen, aber ich glaube nicht, dass das eine wesentliche Rolle spielen wird, auch nicht bei den Menschen, die nicht so viel Geld verdienen. Die Bevölkerung will in ihrer breiten Mehrheit mehr Regionalität und Nachvollziehbarkeit in den Lieferketten.

    Zur Person: David de Camp, 48, leitet den Bereich Rind im Vion-Konzern. Der gebürtige Kalifornier ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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