
Auf Streife mit der Sicherheitswacht: Ihre Waffe ist das Wort

Plus Die ehrenamtlichen Sicherheitswächter sind in Friedberg, Kissing und Mering unterwegs und entlasten so die Polizei. Wie ein Abend auf Streife aussieht.
Der erste Funkspruch an diesem Donnerstagnachmittag kommt unvermittelt. Gerade noch im Gespräch in der Friedberger Polizeiinspektion, setzt Martin Binder seine blauschwarze Polizeimütze auf und macht sich bereit für seinen Einsatz. Ihn begleiten eine Frau und ein Mann. Die beiden tragen ebenfalls eine Kopfbedeckung, auch diese ist blauschwarz. Von der Polizei ist sie aber nicht, sondern von der Friedberger Sicherheitswacht.
Seit knapp 25 Jahren gibt es in Bayern das Konzept Sicherheitswacht. Friedberg hat sich 2004 für die Einführung entschieden, sieben beziehungsweise zwölf Jahre später folgten Kissing und Mering. Die Sicherheitswächter sind ehrenamtliche Helfer der Polizei, sie ergänzen deren Arbeit, indem sie in Notlagen oder Gefahrensituationen schnell und gezielt professionelle Hilfe organisieren. Sie übernehmen aber weder originäre Aufgaben der Polizei noch üben sie die Befugnisse der Polizei aus.
Sicherheitswacht Friedberg: Einsatz bei Demonstrierenden
Diesmal sind Marlene Winkler und Aman Ghorab im Dienst. Gemeinsam mit Martin Binder von der Friedberger Polizei machen sie sich auf den Weg zum Friedberger Edeka. Dort tummeln sich an diesem Spätnachmittag mehr Menschen als sonst. Drei von ihnen, ein Mann und zwei Frauen, tragen grellgrüne Shirts und halten Schilder hoch, so groß wie vier Backbleche.
„Schluss mit Billigfleisch!“ steht dort in großen Lettern. Die Demonstranten sagen nichts, stehen nur stumm da und lassen ihre Schilder sprechen. Dabei sind sie der Grund, warum die Polizei überhaupt erst gerufen wurde. Der Mann und die beiden Frauen sind von Greenpeace, sie demonstrieren gegen die Produktion und den Kauf von Billigfleisch.
Die Sicherheitswächter haben mehr Zeit als eine Polizeistreife
Gerufen wird die Sicherheitswacht häufig bei Ruhestörungen. Zwar gehen die Beschwerden meist bei der Polizei ein. Wenn jedoch gerade keine Streife verfügbar ist, kommt die Sicherheitswacht. „Dann reden wir mit den Störenfrieden“, sagt Ghorab. Reden – das ist die Devise der ehrenamtlichen Mitarbeiter.
Ihr Vorteil dabei: „Wir haben mehr Zeit als eine Polizeistreife“, sagt Ghorab. So auch heute. Während Polizist Binder dem Organisator erklärt, wie weit entfernt er vom Supermarkt stehen muss, um nicht in die verbotene Zone zu geraten, sprechen die beiden Sicherheitswächter mit den Demonstrantinnen. „Eine offene Kommunikation ist immer besser als eine Konfrontation“, sagt Winkler. „Unsere Waffe ist die Sprache.“

Weiter geht es zur Max-Kreitmayr-Halle. Zwei Kinder hängen an den Stangen des Spielplatzes, eine Gruppe Senioren läuft gemächlich Richtung Innenstadt. Als sie sich umdrehen und Polizist Binder und sein Gefolge bemerken, sagt einer von ihnen lachend: „Da fühlt man sich gleich besser, wenn die Polizei immer da ist.“ Gut auch, wenn die Sicherheitswacht die Polizei unterstützt, oder? „Klar, auch das!“ Offen bleibt, ob der Mann tatsächlich weiß, was Sicherheitswacht und Polizei unterscheidet.
Die meisten Friedberger sind froh, dass es die Sicherheitswacht gibt
Das geht offenbar vielen Friedbergern so. Diese Vermutung unterstreicht ein Ereignis, von dem Sicherheitswächterin Winkler erzählt. Vor etwa zwei Wochen habe sie an einer Tür geklingelt, ein Nachbar hatte wegen einer zu lauten Grillparty angerufen. „Und wer seid ihr jetzt?“, habe der angeheiterte Mann gefragt. „Das erklären wir dann schon“, sagt Winkler bestimmt. Und meistens sind die Leute dann einsichtig. „Den Respekt erarbeiten wir uns durch unser Auftreten“, sagt Ghorab. „Würden wir direkt drohen oder zurechtweisen, wäre das schwieriger.“
Ohnehin sind die meisten froh, dass es die Sicherheitswacht gibt. Denn positive Rückmeldungen bekommt sie oft. Mal eine Flasche Wein oder lobende Worte einer Seniorin, die sich dank der Wächter sicher fühlt. Und auch jugendliche Störenfriede profitieren letztendlich von den Ehrenamtlichen.
Die Sicherheitswacht Friedberg sucht den Dialog
Denn diese suchen zunächst den Dialog und nehmen nicht sofort die Personalien auf. „Die meisten hören auch auf uns“, sagt Ghorab. Sogar wenn Alkohol im Spiel sei. Dann gibt es eine Ansage, die Flaschen einzupacken und damit woanders hinzugehen.
„Grundsätzlich ist es wichtig, Präsenz zu zeigen und die Augen offen zu halten“, sagt Winkler. Eine Situation beschreibe das ganz gut: Vor einiger Zeit bemerkte sie eine ältere Frau, die ihren Geldbeutel während ihres Einkaufs im Wagen liegen ließ. „Da schrillen bei mir die Alarmglocken“, sagt Winkler, die die Seniorin direkt auf die Gefahr eines Diebstahls aufmerksam machte.
Auf frischer Tat habe sie einen Dieb in ihrer neunjährigen Tätigkeit noch nicht gefangen, was Winkler jedoch positiv sieht. „Das heißt immerhin, dass niemand dort einbricht, wo wir gerade sind“, sagt sie. Die Präsenz zeige demnach Wirkung.
Sicherheitswacht Friedberg: Präsenz zeigt Wirkung
Aktuell gibt es in Friedberg neun Sicherheitswächter. Bewerben kann sich jeder im Alter von 18 bis 63. In Friedberg flattert der Polizei einmal im Jahr eine Bewerbung ins Haus, aktuell sind noch drei von zwölf Stellen unbesetzt. Insgesamt sind in Nordschwaben 105 Sicherheitswächter beschäftigt, jedes Jahr bewerben sich etwa 20 Interessenten.
Eine kleine Aufwandsentschädigung gibt es für die etwa fünf Stunden pro Woche. Entscheidend sind Zivilcourage, Zuverlässigkeit, ein guter Ausdruck in Wort und Schrift und ein leeres Führungszeugnis.

Jede Kommune entscheidet selbst über Sicherheitswächter
Jede Kommune entscheidet selbst, ob sie Sicherheitswächter beschäftigt. Grundsätzlich findet Polizist Binder deren Einsatz überall sinnvoll. Diese Meinung teilt auch Hans Bergdolt vom Polizeipräsidium Schwaben-Nord. Auch dass manche Städte wie zum Beispiel Aichach keine Sicherheitswacht haben, registriert Bergdolt: „Wir als Polizei können nur Empfehlungen aussprechen. Auf jeden Fall ist es eine wichtige Aufgabe. Sie fördert die Sicherheit und das Ehrenamt.“
Mittlerweile sind die beiden Sicherheitswächter fast am Ende ihrer Route angekommen. Hier, hinter der Mittelschule, zieren zahlreiche Graffiti Wände und Türen. Teilweise glitzern sie in der tief stehenden Sonne, fast könnte man meinen, es handle sich um Verschönerungen. Für die beiden Sicherheitswächter sind es eher Ärgernisse.
Sicherheitswacht darf Platzverweis ausstellen und Personalen feststellen
Ein paar Wochen seien sie den Sprayern auf den Fersen gewesen, sagt Ghorab. Gestellt haben sie nie einen. Aber sie arbeiten auch eher präventiv. So haben die beiden ihr Reizgasspray noch nicht einsetzen müssen. Andererseits klären sie Bürger zum Beispiel über Dämmerungsdiebstähle oder die Entsorgung von leeren Glasflaschen auf.
Und wenn es doch mal zu viel wird, sprechen die Sicherheitswächter einen Platzverweis aus. Auch die Personalien dürfen sie feststellen. Bewerten die beiden eine Situation allerdings als zu gefährlich, können sie die Polizei hinzurufen, etwa wenn Waffen im Spiel oder zu viele Menschen beteiligt sind.
Dazu kommt es aber selten. An riskante Situationen kann sich keiner der beiden Sicherheitswächter erinnern. Und wenn doch, sind sie gewappnet. Mit ihrer blauschwarzen Schirmmütze und dem Reizgasspray am Gürtel.
Lesen Sie dazu auch Michael Postls Kommentar: Sicherheitswacht ist ein Gewinn für Kommunen
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