
Die Kirchenaustritte in Friedberg erreichen ein Rekordhoch

Plus So viele Kirchenaustritte gab es in Friedberg noch nie. Vergangenes Jahr waren es 575 Menschen. Wie versucht die Kirche, dieser Entwicklung entgegenzuwirken?
Die Kirchenaustrittszahlen aus dem Jahr 2022 sind so hoch wie noch nie: 575 Personen sind laut Standesamt Friedberg vergangenes Jahr in Friedberg, Dasing und Eurasburg aus der Kirche ausgetreten. In Mering, Schmiechen und Steindorf waren es 435. Das sind in Friedberg 185 und in Mering 218 Menschen mehr als im Jahr 2021, wodurch sich der zunehmende Trend mit Ausnahme der Pandemie Jahre fortführt. Die Konfession kann in der Statistik nicht differenziert betrachtet werden. Häufige Gründe für die Abgänge sind nicht nur die Missbrauchsfälle durch Angehörige der Kirche, auch die finanzielle Belastung durch Mitgliedsbeiträge spielt für viele eine Rolle bei ihrer Entscheidung.
Ursachen für einen Kirchenaustritt sind vielseitig. Für viele ist die Kirchensteuer ausschlaggebend, da diese eine zu große finanzielle Belastung darstellt. Das erklärt Pater Hans-Joachim Winkens von der Wallfahrtskirche Herrgottsruh in Friedberg, er ist zuständig für Wiedereintritte. Auch ein wichtiger Aspekt sei, dass viele von der Kirche aufgrund von Missbrauchsfällen enttäuscht sind oder weil sie das Gefühl haben, die Kirche tue nicht genug für sie, meint er. Es gibt aber auch einen anderen entscheidenden Grund, findet der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Friedberg, Dr. Falko von Saldern. Ausschlaggebend sieht er, dass in unserer Gesellschaft ein Traditionsbruch mit der Religion stattgefunden hat. "Das tut natürlich weh", äußert Saldern. Er erlebe das vor allem dann, wenn er mit seinen Schülern und Schülerinnen im Unterricht spreche. Die Kinder erfahren heutzutage keine religiöse Sozialisation mehr. Deshalb seien sie zunehmend schwerer mit religiösen Inhalten zu erreichen. Saldern ist überzeugt: "Dieser Trend wird sich rächen." Unsere gesamte Kultur basiere auf dem Christentum und die Gesellschaft werde daher bemerken, was ihr fehle.
Für die Kirche sind die hohen Austrittszahlen ein unangenehmes Thema
Den Vertretern der katholischen Kirche in Mering und Friedberg war es nicht möglich, sich in einem angemessenen Zeitraum zu den Fragen bezüglich der Kirchenaustritte zu äußern. Außerdem erklärte die Pfarreiengemeinschaft Mering, man sei nicht bereit, nur über Austritte zu sprechen, da auch erwähnt werden müsse, was die Pfarrei mit ihrer Arbeit für die Gemeinde leiste.
Um dem großen Abgang in den vergangenen Jahren entgegenzuwirken, möchte die Kirche wieder attraktiver für Jugendliche und Kinder werden. Die Pfarrei Kissing organisiert daher einen Kinderchor, der sich großer Beliebtheit erfreut, berichtet Pater Alfredo Madariaga Quintero. Außerdem suche man das Gespräch mit Personen, nachdem diese ausgetreten sind. Das werde jedoch meist ignoriert, so Quintero. Auch die evangelische Kirchengemeinde erreiche nur wenige Leute nach ihrem Austritt, bestätigt Pfarrer Saldern. Um dem vorzubeugen, organisiert die Pfarrei in Stätzling ein Familiencafé. "Das hilft Erwachsenen zu sehen, dass die Kirche für sie und ihre Kinder gar nicht so schlecht ist", meint Saldern.
Manche Menschen entscheiden sich für einen Wiedereintritt
Neben den steigenden Zahlen von Austritten gibt es aber auch vereinzelt Menschen, die wieder in die Kirche eintreten möchten. Pater Winkens führt regelmäßig Gespräche mit Leuten, die ihren Weggang bereuen. Wie lange dieser Entschluss bei Betroffenen her ist, sei immer unterschiedlich. "Manche entscheiden sich erst nach 40 Jahren für den Wiedereintritt, andere schon nach eineinhalb Jahren", erklärt Winkens. Das hat unterschiedliche Gründe, etwa weil jemand katholisch heiraten oder ein Patenamt übernehmen möchte. Aber es geschehe auch, da manchen die Gemeinschaft und der Rückhalt fehlen, die ihnen in der Gemeinde geboten wurden. "Das ist vor allem bei Personen der Fall, die im Glauben groß geworden sind", so Winkens.
Doch nicht jeder, der das Gespräch mit Pater Winkens sucht, geht auch den Schritt zu Ende, in die Kirche einzutreten. Im letzten Jahr haben das bei ihm lediglich zwei Personen getan. Winkens glaubt jedoch, dass sich das in Zukunft ändern wird. Die katholische Kirche vollziehe einen wirklichen Wandel, besonders in Bezug auf den Umgang mit Missbrauchsfällen. Pfarrer Saldern blickt ebenfalls positiv in die Zukunft. Zwar ist er der Überzeugung, die Volkskirche habe in dieser Form keine Zukunft mehr und es werde einen Umbruch mit vielen schmerzhaften Abschieden geben, aber er ist sich auch sicher, dass viel Neues und Gutes entstehen wird.
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