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Altersvorsorge: Kommt nun die neue Betriebsrente?

Altersvorsorge

Kommt nun die neue Betriebsrente?

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    Während Versicherungen neue Modelle zur Betreibsrente entwerfen, haben Gewerkschaften wie die IG-Metall und Arbeitgeberverbände bislang keine Eile.
    Während Versicherungen neue Modelle zur Betreibsrente entwerfen, haben Gewerkschaften wie die IG-Metall und Arbeitgeberverbände bislang keine Eile. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)

    In der Versicherungsbranche herrscht Aufbruchstimmung: Die ersten Anbieter bringen sich für die neue Betriebsrente in Stellung. Jüngstes Beispiel: Die genossenschaftliche R+V Versicherung und die Fondsgesellschaft Union Investment, die am Dienstag ihr gemeinsames Produkt vorstellen wollen. Doch die entscheidenden Akteure - Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände - zeigen bislang keine große Eile.

    "Vor dem Jahr 2019 werden die Sozialpartner aller Voraussicht nach kaum konkrete Sozialpartnermodelle in größerem Umfang vereinbart haben und ohne Gewerkschaft und Arbeitgeber wird daraus nichts", heißt es beim Arbeitgeberverband BDA.

    Bislang haben weniger als 60 Prozent der Beschäftigten eine betriebliche Altersvorsorge. Vor allem Geringverdiener und Mitarbeiter kleinerer Firmen stehen häufiger ohne das Zusatzplus im Alter da. Das neue Modell soll die betriebliche Altersvorsorge vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen attraktiver machen.

    Neues Modell zur Altersvorsorge: Zielrente statt fester Betrag?

    Beschäftigten, die auf diese Weise vorsorgen, darf kein fester Betrag mehr zugesichert werden, er soll nur noch als Ziel genannt werden (Zielrente). Die Arbeitgeber werden dadurch bei der Haftung entlastet. Die Auszahlungen im Alter können höher ausfallen als bei der klassischen Variante mit Garantie, können aber schwanken. Um ein bestimmtes Versorgungsniveau zu erreichen, kann im Tarifvertrag ein zusätzlicher Sicherungsbeitrag vereinbart werden, den die Arbeitgeber zahlen. Die Aufsicht über die Anlagerisiken liegt bei den Tarifvertragsparteien.

    Die wichtigsten Gründe für den deutschen Job-Boom

    Konjunktur: Der deutsche Arbeitsmarkt profitiert vor allem von der robusten Konjunktur. Gerade in den vergangenen Jahren, in denen Arbeitsmarktforscher Deutschland zunächst eine Jobflaute prognostiziert hatten, ist die Wirtschaft wider Erwarten stark gewachsen - 2016 um 1,9 Prozent.

    Für 2017 rechnen Konjunkturexperten mit einem ähnlich hohen Wert. Die Folge: Viele Firmen sitzen auf vollen Auftragsbüchern. Um pünktlich liefern zu können, reicht oft die Stammbelegschaft nicht mehr aus. 

    Binnenkonsum: Früher waren vor allem exportorientierte Unternehmen ein wichtiger Jobmotor. Das hat sich zu Beginn dieses Jahrzehnts geändert. Seit etlichen Jahren trägt auch die scheinbar unbegrenzte Konsumlust der Bundesbürger kräftig zum Wachstum des Bruttoinlandprodukts bei.

    Selbst wenn es mal bei den Ausfuhren nicht so rund läuft - der bei den Bundesbürgern lockerer sitzende Euro half zeitweise mancher Firma über eine Exportflaute hinweg und verhinderte drohenden Personalabbau.

    Flüchtlinge: Spätestens seit dem Flüchtlingszustrom im Jahr 2015 haben sich auch Bund, Länder und Kommunen zu Jobmotoren entwickelt. Nicht nur der Bau und Ausbau von Flüchtlingsheimen, sondern auch das dafür benötigte Personal haben in den vergangenen beiden Jahren zu einer spürbar steigenden Nachfrage nach Verwaltungsleuten, Betreuern und Sprachlehrern geführt.

    Zudem wächst seit Jahren der Bedarf an Pflegekräften. Außerdem: Der Ausbau der Kitas haben Erzieher vor allem in Großstadtregionen zu umworbenen Jobsuchern gemacht. 

    Export: Dass es derzeit weiter so rund auf dem deutschen Arbeitsmarkt läuft, hat vor allem mit dem inzwischen wieder florierenden Exportgeschäft deutscher Unternehmen zu tun. Der Aufschwung in den USA setzt sich fort, die kriselnden Schwellenländer haben sich wieder gefangen und auch in Europa verzeichnen viele Volkswirtschaften wieder mehr Wachstum.

    Das hat zur Folge, dass deutsche Autos, Maschinen und Hightech international wieder stärker gefragt sind. Die gute Auftragslage ist ohne zusätzliche Fachkräfte vielfach aber kaum zu bewältigen.

    Demografischer Wandel: Was bei der Debatte über den deutschen Job-Boom vielfach übersehen wird: Für einen Teil der geringen Arbeitslosigkeit sind auch die Babyboomer verantwortlich. Nach Einschätzung von Arbeitsmarktforschern gehen der deutschen Wirtschaft allein in diesem Jahr altersbedingt 300.000 Arbeitskräfte verloren.

    Im Jahr 2018 dürften es rund 320.000 sein, die in Rente gehen. Freilich ist davon nur ein kleiner Teil arbeitslos. Dennoch verringert sich pro Jahr im Zuge dieses demografischen Effekts die Zahl der Erwerbslosen um mehrere Zehntausend.

    Vor allem der vollständige Garantieverzicht dürfte für größeren Erklärungsbedarf sorgen. "In unsere Gesellschaft ist ein Gleichsetzen von Garantien mit Sicherheit stark verfestigt", analysiert beispielsweise die IG Metall. Hinzu kommt: In vielen Branchen gibt es bereits eine tarifvertraglich vereinbarte betriebliche Altersvorsorge, zum Beispiel die Sozialkassen in der Bauwirtschaft, die Metallrente oder die Bäckerrente. Die Frage, wie sich die bestehenden Modelle mit dem neuen vereinbaren lassen, dürfte so manchen bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden umtreiben. In der diesjährigen Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie spielte das Sozialpartnermodell jedenfalls keine größere Rolle.

    Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sehen die neue Betriebsrente unterschiedlich

    Deutschlands größte Einzelgewerkschaft will nach Angaben einer IG-Metall-Sprecherin aber noch in diesem Jahr mit den Arbeitgebern über das Thema reden. "Wir wollen über mögliche Modelle zur Umsetzung sprechen." Bei Verdi sind die Beratungen zu dem Thema noch nicht abgeschlossen.

    Die Gewerkschaften Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sowie Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) führen derzeit nach eigenen Angaben keine konkreten Verhandlungen. "Wir haben in allen von uns vertretenen Branchen bereits Tarifverträge zur Altersvorsorge. Im Schnitt machen 80 Prozent der Leute davon Gebrauch", sagt eine IG-BCE-Sprecherin. Im Moment sei es unwahrscheinlich, dass das neue Modell bei der diesjährigen Tarifrunde für die Chemieindustrie eine Rolle spiele. Allerdings habe die Tarifkommission noch nicht über die Forderungen entschieden.

    Beim Arbeitgeberverband Chemie heißt es, das Sozialpartnermodell wäre eine gute Ergänzung zum bestehenden Chemieversorgungswerk. "Wir sehen das als gute Option". Einen Fahrplan gebe es allerdings noch nicht.

    Versicherer haben bereits konkrete Pläne

    Mehr los ist auf Anbieter-Seite. Bereits nach der Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes im vergangenen Sommer gingen die Lebensversicherer der Barmenia, Debeka, Gothaer, HUK Coburg und die Stuttgarter mit einem gemeinsamen Angebot unter dem Namen "Das Rentenwerk" an den Start. Das Produkt ist mittlerweile fertig: Eine fondsbasierte Direktversicherung.

    Nun würden die Gespräche konkreter. "Wir sehen starkes Interesse gerade bei einigen großen Unternehmen mit Haustarifverträgen", berichtet Normann Pankratz, stellvertretendes Vorstands-Mitglied der Debeka Versicherungen, im Namen des Rentenwerks.

    Auch Talanx und Zurich wollen beim Thema Betriebsrente gemeinsame Sache machen. Die Kartellbehörden müssen noch grünes Licht für die Kooperation geben. Das geplante Konsortium "Die Deutsche Betriebsrente" soll im ersten Halbjahr starten.

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