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Winzer in Deutschland: Süßer Weißwein wird in Deutschland unterschätzt - warum eigentlich?

Winzer in Deutschland

Süßer Weißwein wird in Deutschland unterschätzt - warum eigentlich?

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    Deutscher Wein wird international für seine Süße geschätzt.
    Deutscher Wein wird international für seine Süße geschätzt. Foto: Roland Weihrauch, dpa

    Es sind das Geburtshaus von Karl Marx und die „Porta Nigra“, das schwarze Stadttor aus der Römerzeit, die die Touristen an 364 Tagen im Jahr in den äußersten Südwesten, nach Trier, zieht. An einem Tag im September übertrifft allerdings eine andere Attraktion in der ältesten Stadt Deutschlands diese Sehenswürdigkeiten: Die „VDP-Prädikatsweinversteigerung des Grossen Rings Mosel-Saar-Ruwer“, die umsatzstärkste Weinversteigerung weltweit. Die Eintrittskarte dafür kostet 45 Euro – wenn man denn in die Gnade der Zuteilung eines der 300 Billetts kommt.

    Chinesen, Russen und Engländer trinken deutschen Weißwein gerne süß

    Englisch ist die eigentliche Verkehrssprache auf der Versteigerung, denn die Gäste kommen aus China, Russland, England und den Vereinigten Staaten. Sie sind Weinhändler, Sommeliers und Privat-Verrückte, die zum Beispiel aus Indien anreisen, um einen Typ Weißwein zu erwerben, den niemand so erschaffen kann wie die deutschen Winzer: Wein mit einer gewissen Süße.

    In unserem eigenen Land allerdings erfährt er nur von Weinfreaks Anerkennung und führt ansonsten ein Nischendasein. Schuld daran ist dieses Wort. Es auszusprechen, ist fast schon ein Reflex: „Trocken“. Klar, was soll man auch sonst sagen, wenn die Weinkarte einem unlösbare Rätsel aufgibt und der Sommelier wie die Tischgesellschaft auf einen sinnhaften Satz der Begründung warten auf die Frage nach den eigenen Vorlieben beim Wein?

    Die Gefälligkeit eines Weines hängt von ganz anderen Komponenten wie dem Extrakt, dem Alkohol und eben dem Restzuckergehalt ab. Die wichtigste ist im Fall der süßen Weine die Säure. Wenn das Verhältnis dieser beiden Antipoden stimmt, dann wirkt der Wein weder sauer noch pappig. Dann nämlich fängt er zu vibrieren an und das feine Spiel der Aromen beim Riesling, der Königsrebsorte in dieser Disziplin, kann beginnen. Überhaupt erst möglich wird es durch die klimatischen Gegebenheiten in vielen deutschen Riesling-Anbaugebieten, nämlich gemäßigte Temperaturen mit einer langen Vegetationsperiode von April bis November.

    „Eine Hirn-Krankheit“ nennt Max von Kunow die Unterscheidung zwischen trocken und nicht trocken. Der junge Winzer von der Saar hat das ehrenvolle Amt des Auktionators in Trier von seinem Vater quasi „vererbt“ bekommen und versteigert nun in Stückelungen („Lose“) von einer bis 1200 Flaschen. Im richtigen Leben führt er in siebter Generation das Weingut „Von Hövel“ in Oberemmel, das seit dem Jahr 1803 besteht. Er baut einen Teil der Weine trocken aus. Aufsehen erregen aber vor allem seine feinherben Rieslinge aus den Lagen „Kanzemer Hörecker“, „Oberemmler Hütte“ und dem weltberühmten „Scharzhofberg“ mit diesem faszinierenden Ritt auf der Klinge zwischen fruchtiger Süße und erfrischender Säure.

    Bei Gastronomen und Sommeliers tut sich restsüßer Weißwein leichter

    Tatsächlich sollte man sich als Verbraucher nicht an die Restzuckerwerte halten, die gerne einmal in der Produktinformation auftauchen. Gemäß dem deutschen Weingesetz von 1971 gilt ein Wein als trocken, so lange er nicht mehr als neun Gramm Restzucker pro Liter hat. Tatsächlich jedoch kann ein Riesling mit wesentlich mehr als 30 Gramm Restzucker und einer dezidierten Säure von knapp unter zehn Gramm pro Liter trocken schmecken. Es ist also eine Frage der gelungenen Balance, aber auch der gelungenen Kommunikation, ob derartige Weine beim Verbraucher ankommen.

    Günther Jauch und seine Frau Thea haben drei Tropfen aus dem Jahrgang 2017 aus ihrem Saar-Familienweingut „Von Othegraven“ in der Versteigerung unter den Hammer gebracht: Die zwei Weine, ein Kabinett und eine Spätlese (insgesamt 480 Flaschen pro Wein) gingen für 32 Euro, für 49 Euro pro Flasche und die eine Sechs-Liter-Flasche Spätlese vom Kanzemer Altenberg für 2149 Euro an den Mann.

    „Wenn wir Gäste haben, dann stellen wir denen ohne weiteren Kommentar unsere trockenen Weine wie unseren „Riesling Max“ hin, aber auch fruchtsüße“, erzählt Thea Jauch. „Dann sagen wir ihnen: „Nehmt, was Euch schmeckt“, sagt sie. „Trockener Wein ist es am Ende nie“, resümiert sie. „Begleitetes Trinken“ nennt Günther Jauch diese Therapie, die das trockene Missverständnis so erfolgreich behandelt. „Talk dry, drink sweet“, sagt man in England dazu.

    Leichter tut sich der restsüße Wein da schon in der Spitzengastronomie. Sommeliers und Spitzenköche quer durch die Republik haben längst erkannt, welche Fähigkeiten dieser Weintyp als Speisenbegleiter hat: Ein Riesling von Saar, Mosel, Nahe oder aus dem Rheingau umarmt die Schärfe eines asiatischen Gerichts geradezu. Trockene Weine zerschellen an diesen Aromen.

    Süßer Weißwein hat niedrigere Alkoholgrade als die trockene Variante

    Moderator Günther Jauch ist ein Spross der Winzerfamilie Von Othegraven.
    Moderator Günther Jauch ist ein Spross der Winzerfamilie Von Othegraven. Foto: Birgit Reichert, dpa

    Entgegen dem Klischee von Baguette/Käse/Rotwein ist fruchtsüßer Weißwein in den meisten Fällen der ideale Begleiter für die Salzigkeit von Käse. Im Weingut J.J. Prüm, einem der Elitebetriebe an der Mosel mit einem Exportanteil von 75 Prozent, wird Gästen der Rehschmorbraten nicht etwa mit einem roten Spätburgunder, sondern mit mindestens zehn Jahre altem Riesling Auslese aus der Lage „Wehlener Sonnenuhr“ serviert. Der Restzucker macht diese Art von Weinen haltbar fast bis in die Unendlichkeit. In der Reife schwächt sich die Süße ab und die Säure, das Rückgrad des Weißweins, kommt stärker zum Vorschein.

    Einem weiteren Vorteil dieser Weine gilt es noch auf die Spur zu kommen: Warum haben restsüße Weine mit sieben bis zehn Volumenprozent so niedrige Alkoholgrade, die Genuss ohne späte Reue ermöglichen? Dies hat mit der alkoholischen Gärung zu tun, bei der die Hefen den Zucker in Alkohol umwandeln. Um es klar zu sagen: Diesen Weinen wird von außen keinerlei Zucker zugegeben.

    Nach fünf Stunden hat Max von Kunow genau 11.841 Flaschen unter den Hammer gebracht. Erlöst wurde dafür die Rekordsumme von insgesamt 1,49 Millionen Euro. Die höchste Summe, die je für einen deutschen Wein bezahlt wurde auf der VDP-Versteigerung in Trier? 22 Flaschen „2003 Scharzhofberger Riesling Trockenbeerenauslese“ vom Saar-Weingut Egon Müller aus Wiltingen, zum Stückpreis von exakt 14.565,60 Euro.

    Weißweintipps der Redaktion:

    2016 Mülheimer Sonnenlay Riesling Alte Reben feinherb, Max Ferd. Richter/Mosel, www.maxferdrichter.com, 14,50 Euro

    2018 Saar Riesling Kabinett, Von Hövel/Saar VDP, www.weingut-vonhoevel.de, 10,80 Euro

    2018 Graacher Domprobst Riesling Spätlese, Willi Schaefer/Mosel VDP, www.weingut-willi-schaefer.de, 20 Euro

    2002 Saarburger Rausch Riesling Auslese, Forstmeister Geltz Zilliken/Saar VDP, www.dallmayr.de, 59,50 Euro

    2015 Escherndorfer Lump Silvaner Beerenauslese, Horst Sauer/Franken VDP, www.geisels-weingalerie.de, 0,5l 95 Euro

    2015 Stettener Stein Riesling Trockenbeerenauslese, Weingut am Stein/Franken VDP, www.weingut-am-stein.de, 0,375l, 59 Euro

    2012 Iphöfer Kronsberg Riesling Eiswein, Wirsching/Franken VDP, www.wirsching.de, 0,375l, 80 Euro

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