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Arbeit: Warum Teilzeit oft zur Karrierefalle wird

Arbeit

Warum Teilzeit oft zur Karrierefalle wird

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    Teilzeitarbeit soll helfen, Beruf und Familie zu vereinbaren: Oft geraten Frauen aber in ein Karrieredilemma oder tun sich schwer, in den alten Job zurückzukehren.
    Teilzeitarbeit soll helfen, Beruf und Familie zu vereinbaren: Oft geraten Frauen aber in ein Karrieredilemma oder tun sich schwer, in den alten Job zurückzukehren. Foto: Fotolia/Pathfinder

    Die Rückkehr ins Berufsleben nach zwei Jahren Babypause hat sich Anja Schreiber anders vorgestellt. Sie wollte in Teilzeit in ihren alten Job als Reservierungsassistentin in einem größeren Hotel einsteigen. Doch ihr Chef hatte der Mutter eines kleinen Mädchens Steine in den Weg gelegt. „Ich sollte einen unverschämten Vertrag unterschreiben“, erzählt Schreiber. Dort heißt es unter anderem, dass sie nur befristet in der Reservierung tätig sein und danach in eine andere Abteilung versetzt werde. Unterschrieben hat sie nicht.

    Arbeit um 6 Uhr morgens - wohin mit den Kindern?

    Zunächst, so berichtet Schreiber, habe ihr Chef ihr einen Job am Empfang angeboten, Arbeitsbeginn 6 Uhr. „Ich kenne aber keine Kita, die so früh aufmacht“, sagt sie. Ihr Mann könne die beiden Kinder auch nicht am Morgen zur Kindertagesstätte bringen, da er als Pendler sehr früh zur Arbeit fahren muss. Das Angebot hat Anja Schreiber zunächst ausgeschlagen. Die junge Mutter, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat weitergekämpft. Zumindest mit einem kleinen Erfolg: Schreiber arbeitet nun Teilzeit, also 22,5 Stunden pro Woche, in ihrem alten Beruf als Reservierungsassistenz. „Den Job darf ich gnädigerweise ein Jahr machen“, sagt die Mutter. „Mir ist klar, dass ich damit keine Karriere machen werde.“ Inzwischen sehe sie die Arbeit anders als früher nur noch als einen bloßen Job, mit dem sie ihr Geld verdiene.

    Laut den aktuellen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit sind immer mehr Frauen in Deutschland erwerbstätig – und immer mehr von ihnen in Teilzeit. Vergangenes Jahr arbeitete jede zweite erwerbstätige Frau in Teilzeit. Vor zehn Jahren war es jede dritte. Wenn ein Paar Nachwuchs bekommt, ist es in den meisten Fällen die Frau, die beruflich zurücksteckt. Entweder steigt sie ganz aus dem Berufsleben aus, um sich der Erziehung zu widmen, oder sie arbeitet nur noch einige Stunden pro Woche, um zusätzlich zum Partner Geld zu verdienen.

    Seit 2001 haben Arbeitnehmer in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit – doch nur unter bestimmten Voraussetzungen. So muss das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mehr als ein halbes Jahr bestehen und die Firma des Arbeitgebers muss in der Regel mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigen. Den Wunsch, die Arbeitszeit zu verringern, muss der Arbeitnehmer drei Monate vorher mitteilen.

    Einmal Teilzeit - immer Teilzeit?

    Für die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, ist Teilzeit eine gute Möglichkeit, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. „Aber Teilzeit wird für viele Frauen zur Einbahnstraße“, sagt die Gewerkschafterin. „Ist man einmal in der Teilzeit drin, kommt man oft nicht mehr raus.“ Für Hannack liegen die Gründe dafür auf der Arbeitgeberseite: „Viele Vorgesetzte nehmen Teilzeitbeschäftigte trotz ihrer hohen Effizienz nur als halbe Kräfte wahr.“ Auch ein anderer wirtschaftlicher Grund dränge Frauen dazu, nach der Geburt eines Kindes zu Hause zu bleiben. „Denn Frauen werden leider immer noch schlechter bezahlt als Männer.“

    Wie Teilzeitbeschäftigung in der Praxis aussieht, haben die Forscherinnen Christina Klenner und Yvonne Lott jetzt in einer aktuellen Studie untersucht. Die beiden stellten fest: Selbst Ärztinnen, Polizistinnen oder Ingenieurinnen bekommen Schwierigkeiten und geraten in ein Karrieredilemma, wenn sie beruflich kürzertreten wollen. Expertin Klenner erklärt, die Frauen wüssten, dass sich eine Reduzierung der Arbeitszeit schwer organisieren lasse und geben ihren Teilzeitwunsch von vornherein auf.

    Die Hürden für Männer mit Teilzeitgedanken seien dabei noch höher: Viele glauben, dass eine geringere Arbeitszeit nicht umsetzbar ist, da Kollegen und Vorgesetzte wenig Verständnis haben. Oder dass betriebliche Bedingungen wie Personal- oder Arbeitsstrukturen eine Reduzierung der Stunden nicht zuließen. Besonders schwer sei es in typischen Männerbereichen, beispielsweise in der Industrie oder in Führungspositionen. Die Forscherinnen erläutern, dass oft erwartet werde, dass Arbeitnehmer Vollzeit arbeiteten, Überstunden machten und immer erreichbar seien.

    Anspruch auf Rückkehr in den alten Job? Gibt es nicht

    Anja Schreiber, die über zehn Jahre lang Vollzeit in dem Hotel in Bayern gearbeitet hat, wird Überstunden so wie früher nicht mehr ansammeln können. Sie sagt, sie müsse nachmittags rechtzeitig Feierabend machen, um ihr Kind von der Kita abzuholen. Sie glaubt aber, dass das für ihre direkten Kollegen kein Problem sei. Anders dagegen bei der Führungsetage: Schreiber hat den Eindruck, dass es „allen lieb wäre, wenn es keine Teilzeit geben würde“, sagt die Mutter. „Sie hoffen darauf, dass die Mamis daheim bleiben, kochen und backen, aber bitte keine Arbeitsplätze wegnehmen.“ Das größte Unding für Frauen sei ihrer Meinung nach, dass es keinen Anspruch gebe, in die gleiche Position zurückzukehren, die man vor der Babypause ausgeübt habe. An der Denkweise müsse sich etwas ändern, fordert sie.

    Auch eine offizielle Regierungsstudie des Familienministeriums stellt viele Probleme fest: Frauen zwischen 30 und 50 Jahren sind zwar genauso gut qualifiziert wie ihre männlichen Kollegen, aber sie werden schlechter bezahlt, heißt es. Deshalb gelinge es vielen nicht, für das Alter vorzusorgen und die eigene Existenz zu sichern.

    Es gibt aber auch unter betroffenen Frauen andere Meinungen zur Teilzeitbeschäftigung. Die Autorin, Mutter und Angestellte Heike Wanner sagt: „Meiner Meinung nach ist nicht das Teilzeitmodell die Karrierebremse, sondern die Situation, die dahintersteckt. Also zum Beispiel Kinder, Pflege eines Angehörigen, Zweitjob und so weiter.“ Mit Teilzeit reagiere ein Unternehmen auf die Wünsche der Arbeitnehmer, binde sie aber weiterhin ein, sagt die 49-Jährige. Bis ihr Sohn vor 17 Jahren auf die Welt kam, arbeitete sie Vollzeit bei der Lufthansa im Bodenpersonal. Nach einem Jahr Babypause kehrte Wanner wieder in ihre alte Position zurück – allerdings in Teilzeit.

    25 Stunden pro Woche arbeitet die 49-Jährige nun im Büro und analysiert Daten, die sie in Form von Präsentationen für das Management aufbereitet. Auch wenn Wanners Sohn nun alt genug sei, könne sie sich nicht vorstellen, wie ihr Mann Vollzeit zu arbeiten. „Für mich ist das die perfekte Lösung, da ich ja auch noch Bücher schreibe“, erklärt sie ihre Entscheidung.

    Karriereberaterin: Teilzeit muss nicht das Ende sein

    Die Motivation von Frauen, in Teilzeit zu arbeiten, kann ganz unterschiedlich sein. Die Karriereberaterin und Buchautorin Barbara Schneider sagt, jeder müsse für sich selbst klären, was einem wichtig sei. Sie rät Frauen, „sich selbst nicht den Schuh anzuziehen, man arbeite ja nur in Teilzeit“, und deshalb Karrierepläne aufzugeben. Viele verhielten sich aber so und würden denken: „Die anderen trauen mir andere Aufgaben, die ich in Teilzeit erledige, nicht zu.“ Aber, sagt Schneider: „Die Frage ist doch: Trau ich mir das zu?“ Die Karriereberaterin empfiehlt, sich zunächst gut vorzubereiten und dann mit dem Chef zu sprechen, wie man beispielsweise ein Projekt trotz Teilzeitanstellung umsetzen könne.

    Gleichzeitig ist es nach Ansicht der Karriereberaterin wichtig, sich auf dem Laufenden zu halten, auch wenn man nicht immer im Büro ist. Steht ein wichtiger Termin genau dann an, wenn man außer Haus ist, solle man sich trauen, das auch anzusprechen. „Und nicht gleich den Kollegen böse Absichten unterstellen“, sagt Schneider. „Man darf eben nicht hoffen, dass andere Gedanken lesen können.“

    Der Hotelangestellten Anja Schreiber graut es jedoch vor dem kommenden Jahr, wie sie zugibt: „Das Problem wird sein, dass der ganze Stress wieder von vorn losgeht und man sich wieder mit der Direktion treffen und erneut um seinen Job verhandeln muss.“ Wenn ihre Tochter einmal älter ist, könnte sich die Mutter vorstellen, wieder mehr zu arbeiten. Wenn sie darf.

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