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Liechtenstein feiert: Das sorgenfreie Fürstentum 

Liechtenstein feiert

Das sorgenfreie Fürstentum 

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    Hoch droben im Schloss residiert die Fürstenfamilie, in den Bergen stehen noch ein paar der alten Holzhäuser.
    Hoch droben im Schloss residiert die Fürstenfamilie, in den Bergen stehen noch ein paar der alten Holzhäuser.

    Das Land ist klein, sehr klein, flächenmäßig das viertkleinste Land Europas. Und was die Bevölkerung angeht, kann es mit Island konkurrieren. 38.000 Liechtensteiner leben in dem 24 Kilometer langen und zwölf Kilometer breiten Ländle zwischen dem Rheintal und den Bergen, 5000 in der vom Schloss gekrönten Hauptstadt Vaduz. Und der Zwergstaat strotzt geradezu vor Selbstbewusstsein. Arbeitslosigkeit gibt es nicht und scheinbar auch keine politischen Konflikte. Ist das Ländle ein Paradies?

    Vor 300 Jahren hat Fürst Anton Florian von Liechtenstein die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz zum Reichsfürstentum Liechtenstein vereinigt. Was einer seiner Vorgänger, Fürst Johann Adam I., vorher getan hat, würde dem geschäftstüchtigen US-Präsidenten Trump gefallen: Für 115.000 Gulden hat der Fürst zuerst die Herrschaft Schellenberg und später für 290.000 Gulden die Grafschaft Vaduz gekauft. Das war damals kein Problem. Und bis heute sind die meisten Untertanen zufrieden mit der konstitutionellen Erbmonarchie, die aus dem bitterarmen „Bauernwinkel“ einen prosperierenden Kleinstaat gemacht hat.

    „Es gibt wirklich wenig Schlechtes, was sich über Liechtenstein sagen lässt,“ meint Brian Haas, 25, vom Jugendrat, einer Organisation, die sich jenseits der Politik um die Belange der Jugendlichen kümmert. Und Michael Schädler schwärmt: „Es ist einfach toll hier, man ist im Nu im Erholungsgebiet.“ Das war nicht immer so. Michaels Opa, erinnert sich der 16-Jährige, ist noch zu Fuß gute 15 Kilometer von Triesenberg zur Arbeit in Buchs gegangen – bis er sich nach einem Jahr ein Fahrrad leisten konnte. „Man schaut zu wenig zurück und zu wenig über die Grenzen“, kritisiert Brian. Schon deshalb sei es dem Jugendrat wichtig, die jungen Leute politisch aufzuklären und ihnen eine Plattform für ihre Interessen zu bieten. Denn natürlich gebe es auch im Ländle Probleme: die Digitalisierung, die Umweltbelastung, aber auch eher Privates wie den Vaterschaftsurlaub.

    Der Fürst ist reicher als die Queen

    Kritik am steinreichen Fürstenhaus – Fürst Hans-Adam I.. ist laut Bloomberg zehnmal reicher als die Queen – kommt keine. „Eine Familie, die nicht in den Zeitungen ist“, lobt Brian. Mit „Seiner Durchlaucht“ könne man ganz normal diskutieren, wenn der Fürst sich wieder mal unters Volk mische. „Nahbar“ nennt Michael deshalb den Herrscher von Schloss Vaduz. Im Jubiläumsjahr dürfen die Untertanen seit 26. September in einer Ausstellung im modernen Kunstmuseum ausgewählte Meisterwerke aus der reichen Kunstsammlung des Fürstenhauses bewundern.

    Auch wenn der 74-jährige Hans Adam II. nominell noch Staatsoberhaupt ist, führt der 50-jährige Erbprinz Alois die Tagesgeschäfte. Das letzte Wort bei allen wichtigen Fragen aber hat immer noch sein Vater. Mit der LGT, einem Finanzdienstleistungsunternehmen, machte er Liechtenstein zum ebenso begehrten wie berüchtigten Finanzplatz. Exemplarisch war der Fall Zumwinkel. Der Post-Chef hatte mit seiner Liechtensteiner Stiftung eine Million Steuern hinterzogen. Seine und andere Manipulationen waren 2008 über einen Whistleblower ans Tageslicht gekommen. Das Fürstentum zog Konsequenzen aus dem Skandal und versprach mehr Transparenz im Bankwesen und den Austausch von Steuerinformationen. Immerhin ist Liechtenstein, das 1924 den Schweizer Franken als Landeswährung einführte, eng mit Europa verbunden. Das Ländle ist Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und Teil der europäischen Freihandelszone Efta.

    Für Stadtführerin Elisabeth Beck sind die Schwarzgeld-Zeiten längst Vergangenheit. Das Fürstentum habe eine enorme Unternehmensdichte und erwirtschafte 40 Prozent des Bruttosozialprodukts über Industrie und Gewerbe, erklärt sie auf einem Rundgang durch Vaduz, wo kräftig gebaut wird. „Die Stadt verändert sich ständig“, sagt Beck. Man sieht’s: Spektakuläre Neubauten mit viel Glas, wie man sie im Alpenländle kaum vermuten würde, stehen neben traditionellen Häusern. Vor allem entlang des Rheins haben sich große Unternehmen angesiedelt; Platzhirsch Hilti, der gerade wieder am Hauptsitz in Schaan baut, hat neben dem Kunstmuseum Liechtenstein einen schwarzen Kubus für die Hilti Art Foundation hingestellt.

    Schon wieder renoviert werden muss das 2008 erst fertiggestellte Landtagsgebäude, nach einem Entwurf des Hannoveraner Architekten Hansjörg Göritz in Klinkerstein-Optik und mit Steildach erbaut. Hier arbeiten 25 Abgeordnete aus vier Parteien in Teilzeit. Der Bürgermeister von Vaduz residiert im Rathaus aus dem Jahr 1933, auf einem Fresko ist der hl. Urban, der Patron der Winzer, verewigt – auch Wein gedeiht im Fürstentum, nicht nur auf dem fürstlichen Weinberg.

    Kunst in der Fußgängerzone

    Vor dem Rathaus und eigentlich überall in der Fußgängerzone: Kunst. Neben dem Kunstmuseum liegt die kolossale „Ruhende Frau“ des kolumbianischen Bildhauers Fernando Botero, vor dem Rathaus schnauben die Tre Cavalli des Schweizers Nag Arnoldi, vor der Ladenzeile schaut auf Robert Indermaurs „Hochsitz“ ein Mann in Richtung Schweiz. Elisabeth Beck hat viel zu erklären auf dieser Kunst-Meile, an der sich auch die Museen ballen: Neben dem Kunstmuseum und der Hilti Foundation die Schatzkammer, das Postmuseum und das Landesmuseum. Viel zu sehen im kleinen Vaduz also, der Hauptstadt von einem der fünf schuldenfreien Länder der Welt. Kein Wunder, dass sich mancher hier wie im Paradies fühlt. Zum Beispiel der Bayer Peter Demmel, der in Schaan eine außergewöhnliche Kaffeerösterei betreibt. Der studierte Wirtschaftsingenieur lebt seit 17 Jahren in Liechtenstein und liefert seine Kaffee-Cuvées nicht nur an Feinschmecker vor Ort, sondern bis nach Kalifornien. Wie er nach Liechtenstein gekommen ist? Der hoch gewachsene Tölzer mit dem breiten Lächeln denkt nicht lange nach: „Ich war auf der Suche nach dem Paradies und hab’ es hier gefunden.“ Inzwischen teilt er sein Paradies mit seiner bayerischen Frau und freut sich über regen Zuspruch in seiner Kaffee-Manufaktur.

    Auch Hotelier Norman Vögeli würde nicht weg wollen aus Liechtenstein – schon seiner Vögel wegen. Der 46-Jährige mit dem so passenden Namen ist Falkner aus Leidenschaft. „Ich habe mit acht Jahren meinen ersten Raben gehabt“, sagt Vögeli bei der Flugvorführung im Hotel Galina. Von da an war er den Vögeln verfallen. Heute zeigt er den Zuschauern im Hotel, was Uhu, Habicht, Bussard & Co. so alles drauf haben. Dass die fliegenden Räuber gefährlich sind, betont er immer wieder. Auch die so kuschelig aussehende Uhu-Dame hat so gar nichts von Harry Potters Schneeeule Hedwig: „Jeder Flug, den sie macht, ist der Tod“, warnt Vögeli, der zu jedem seiner Greifvögel eine Geschichte erzählen kann. Die beiden jungen Wanderfalken etwa, gerade mal drei Monate alt, bildet er gerade aus. Für 80.000 (Männchen) und 100.000 Euro (Weibchen) gehen sie nach Katar und Bangladesch. „Diese beiden werden jeden Vogel vom Himmel holen“, sagt der Vogel-Liebhaber stolz.

    Mit dem Adler im Sessellift

    Doch seine Herzensdame ist Taiga, die 32-jährige Steinadler-Frau. Seit 28 Jahren sind die beiden ein „Paar“. „Ich wollte Falkner werden, um einen Adler zu haben“, sagt Vögeli. Ehefrau Susanne hat sich an die gefiederte Konkurrenz gewöhnt. Und die Menschen in Malbun, das noch bis weit ins 20. Jahrhundert eine Alm war und heute ein beliebter Sommer- und Winter-Ferienort ist, wissen Bescheid: Wenn ein Steinadler im Sessellift sitzt, ist Norman Vögeli wieder zu einer Adler-Erlebniswanderung unterwegs.

    Auch ohne Vogel-Begleitung lässt sich in Liechtenstein bestens wandern. Der zum Jubiläum eröffnete Liechtenstein-Weg verbindet alle elf Gemeinden des Fürstentums, er bietet auf 75 sehr unterschiedlichen Wander-Kilometern Einblick in Geschichte,, die Sagenwelt und fantastische Ausblicke über Berge und Täler. Lonely Planet den Weg in die Top 10 aufgenommen hat.

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